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12.03.21 / Ballinlass Incident / „Die Engländer schufen die Hungersnot“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-21 vom 12. März 2021

Ballinlass Incident
„Die Engländer schufen die Hungersnot“
Manuel Ruoff

Vor 175 Jahren fand im äußersten Westen Europas eine Katastrophe statt. Von 1845 bis 1849 herrschte in Irland die Große Hungersnot (Great Famine, An Gorta Mór). Sie kostete eine Million Menschen das Leben. Das waren etwa zwölf Prozent der irischen Bevölkerung. Zwei Millionen Iren gelang die Auswanderung. Seit 1997 erinnert in der irischen Hauptstadt Dublin das von Rowan Gillespie aus Bronze geschaffene Famine Monument an die Große Hungersnot.

Ausgelöst wurde die Katastrophe durch die aus Nordamerika eingeschleppte Kartoffelfäule. Dass diese in Irland zur Katastrophe führte, war jedoch Menschenwerk. Der irische Autor und Journalist John Mitchel formulierte es wie folgt: „Der Allmächtige, gewiss, sandte die Kartoffelfäule, aber die Engländer schufen die Hungersnot.“ 

Sie, die Engländer, übten seit dem 16. Jahrhundert in Irland die Herrschaft aus, und es waren englische Großgrundbesitzer, denen der Boden überwiegend gehörte. Die autochthonen Iren waren größtenteils nur Pächter vergleichsweise kleiner Parzellen. 45 Prozent der Pachtgrundstücke waren kleiner als fünf Morgen, etwa drei Hektar. Laut einer britischen Regierungskommission, welche die Zustände in Irland untersuchte, der sogenannten Devon-Kommission, waren jedoch mindestens acht Morgen zum Überleben notwendig. Viele konnten jedoch eine entsprechende Pacht nicht aufbringen. Diese war in Form von Getreide und Vieh zu bezahlen, das dann von den Großgrundbesitzern nach England oder ins Ausland verkauft wurde. So war selbst noch während weiter Teile der Großen Hungersnot Irland Nettoexportland von Nahrungsmitteln.

Viele Pächter konnten die geforderte Pacht nicht aufbringen und wurden vertrieben. Doch selbst Iren, die wohlhabend genug waren, die Pacht aufzubringen, waren ihres Fleckchens Erde nicht sicher. Manchen englischen Großgrundbesitzern reichte nämlich die Ausbeutung ihrer irischen Pächter nicht. Sie wollten lieber im großen Stile Vieh züchten. Den einen oder anderen Leser mag dieser Konflikt zwischen kleinen Landwirten, die den Acker bestellen wollen, und großen Viehzüchtern aus amerikanischen Western bekannt vorkommen. 

Jedenfalls war Marcella Gerrard eine solche Großgrundbesitzerin. Sie ließ das auf ihrem Grund und Boden liegende etwa 300 Einwohner zählende Dorf Ballinlass im westirischen County Galway räumen. Vor 175 Jahren, am 13. und 14 März 1846, vertrieben Armee und Polizei die Iren und zerstörten deren Häuser, um eine Rückkehr zu verhindern. Dieser sogenannte Ballinlass Incident war nicht nur ein bedauernswerter Einzelfall. Insgesamt wurden Zehntausende Iren zu jener Zeit von ihrem Land vertrieben.