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12.03.21 / Prag / Ein Palast in der „Goldenen Stadt“ / Der ehemalige US-Botschafter in der tschechischen Hauptstadt erzählt anhand des Palasts der jüdischen Familie Petschek die Geschichte des Hauses

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-21 vom 12. März 2021

Prag
Ein Palast in der „Goldenen Stadt“
Der ehemalige US-Botschafter in der tschechischen Hauptstadt erzählt anhand des Palasts der jüdischen Familie Petschek die Geschichte des Hauses
Dirk Klose

Die tschechische Hauptstadt Prag ist nicht nur berühmt durch den Hradschin und die Karlsbrücke, sondern auch durch eine Fülle prächtiger Palais aus der Barockzeit. Im 20. Jahrhundert kam mit dem Palast Petschek ein weiterer Prachtbau hinzu. Der jüdische Großindustrielle Otto Petschek hatte ihn von 1924 bis 1929 bauen lassen und weder Aufwand noch Mühen gescheut. Er ist bis heute einer der schönsten Paläste der Stadt und seit 1948 Sitz der Botschaft der USA.

Der in Washington als Publizist und Politikberater tätige, 1960 als Sohn einer jüdischen Holocaust-Überlebenden geborene Norman Eisen war von 2011 bis 2014 US-Botschafter in Prag. Von seiner Residenz war er derart angetan, dass er deren Geschichte sowie Leben und Schicksal der hier tätigen Personen erforscht und aufgeschrieben hat. Sein Buch spiegelt gleichermaßen das Schicksal der 1938 geflohenen Familie des Gründers, die Stadt Prag im Zweiten Weltkrieg als auch die durch die dramatischen Nachkriegsereignisse geprägten tschechisch-amerikanischen Beziehungen wider. 

Das Buch ist in vier größere Abschnitte unterteilt: Zu Beginn steht die fast wahnwitzig anmutende Idee Petscheks, im 

20. Jahrhundert einen pompösen Palast zu bauen. Als 1939 Prag von den Deutschen besetzt wurde, residierte hier der deutsche Militärbefehlshaber Rudolf Toussaint, dem man als Verdienst bescheinigen muss, 1945 die „Goldene Stadt“ unzerstört an die Sieger übergeben zu haben. Der erste US-Botschafter Laurence Steinhardt war fasziniert von diesem prachtvollen Gebäude. Er erreichte in zähen Verhandlungen und mitten im Prager Umsturz von 1948, dass die USA in den Besitz des Anwesens kamen. 

Botschafterin von 1989 bis 1992 war die als Kinderfilmstar berühmt gewordene Shirley Temple. Ihr Einsatz für die Bürgerrechtsbewegung und die Wende von 1989 dominiert die Darstellung, ebenso am Ende des Buches Eisens eigene Tätigkeit an der Moldau. Eingeschoben hat er kurze Kapitel zum Lebenslauf seiner Mutter, die von allen Familienangehörigen wie durch ein Wunder Auschwitz überlebt hat. 

Eisen hat das Buch mit viel Anteilnahme für die Gründerfamilie, mit Fairness gegenüber dem deutschen General und mit viel gutem Willen für seine Vorgänger geschrieben. Die lockere, wenn man so will typisch-amerikanische Art, Geschichte anschaulich, wenn auch mitunter etwas ausufernd zu erzählen, lässt die tschechische Geschichte wie selbstverständlich als europäische Geschichte der jüngsten Vergangenheit erscheinen.

Norman Eisen: „Der letzte Palast von Prag. Ein legendäres Haus und die Stürme des 20. Jahrhunderts“, Propyläen Verlag, Berlin 2020, gebunden, 592 Seiten, 26 Euro