Von Scham und Schmerz
Bereits völlig entkräftet hält das Liebespaar Mojsej und Antonina, beide Mitarbeiter der Eremitage, in der Gemäldegalerie den Hungerwinter 1941/42 durch, anstatt mit den anderen im Keller Schutz zu suchen. In ihrer Fantasie entstehen Märchenbilder, sie sehen evakuierte Gemälde vor sich, sie rezitieren Gedichte und Theaterszenen.
Die in den USA lebende Philologin Polina Barskova widmet sich mit dem Prosaband „Lebende Bilder“ der Leningrader Blockade. Längere und kürzere Prosastücke wechseln sich ab, in denen es um Kunst, Künstler, privates Erleben und die jüngere Zeitgeschichte geht. Stilistisch gelingt ihr eine „Sprache des Dazwischen“, wie sie es selbst nennt, „eine zwischen Prosa und Lyrik, ... auf dem Territorium des Traumas von Scham und Schmerz“.
Den Leser erwartet eine anspruchsvolle Lektüre, ein eloquentes Spiel mit der Sprache. Manuela Rosenthal-Kappi
Polina Barskova: „Lebende Bilder“, Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, gebunden, 222 Seiten, 22 Euro