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19.03.21 / Alle Wetter / Wie wird das Osterwetter? / Ein meteorologischer Tag mit Stefan Kreibohm auf Hiddensee

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-21 vom 19. März 2021

Alle Wetter
Wie wird das Osterwetter?
Ein meteorologischer Tag mit Stefan Kreibohm auf Hiddensee
Peer Schmidt-Walther

Schaprode auf Rügen – „Klar vorn und achtern!“ Die „MS Sundevitt“ der Reederei Hiddensee legt minutengenau um 09.40 Uhr ab, rüber nach Kloster auf Hiddensee. Auch Stefan Kreibohm aus Rambin ist wie fast jeden Tag darunter, weil der NDR-Meteorologe zum Dienst nach Kloster fährt. Bootsmann Hubert Mann, ein gewichtiges Hiddenseer Urgestein, begrüßt den gebürtigen Parchimer übers ganze Gesicht strahlend mit: „Moin Stefan! Wie wird das Wetter? Bleibt’s so oder wird´s endlich mal wärmer? Sonst mach ich dich verantwortlich, wenn meine empfindlichen Tomatenpflanzen erfrieren.“ 

Kreibohm, seit 23 Jahren mit diesem rauen, aber herzlichen Küstenton wohl vertraut, kann den Hobbygärtner beruhigen: „Nächste Woche geht’s langsam aufwärts mit den Temperaturen.“ 

Keine lauen Sommerabende

Schon sind wir mittendrin im Regionalwetter, das zwar gerade mit stahlblauem Himmel glänzt, aber auch eiskalten Wind beschert. „Den hasse ich“, gibt der Wettergegerbte zu, „aber er ist hier am Übergang zwischen Festland und Insel leider allzu häufig. Westwind ist in Stralsund daher nicht so kühl wie auf Hiddensee, weil er im Frühjahr über die kältere Ostsee streicht und dabei auch noch Fahrt aufnimmt.“ Es könne eben auch Frost geben, wie dieser Tage, weil der Sandboden schneller abkühle: „Im Winter wirkt das wärmere Umgebungswasser dagegen wie eine Heizung.“ 

Ein Katzensprung ist es für Kreibohm vom Anleger in das gegenüberliegende hübsche Reetdachhaus, das der Gemeinde gehört. Im Erdgeschoss residiert die Tourist-Information, Corona-bedingt geschlossen, im Oberstübchen mit Schlafräumen, Küche und Bad/WC Stefan Kreibohm abwechselnd mit seinem Kollegen Uwe Ulbrich. 

Sonnenaufgang und Morgenkaffee

Das Wichtigste ist aber ihre „Wetterküche“. Dieses „Labor“ besteht in erster Linie aus einem Computer mit diversen Bildschirmen. An den Wänden hängen Karten. Kamera, Stativ und das Mikrofon mit grauem Püschel sind die Requisiten für den täglichen Fernsehauftritt im NDR-Nordmagazin kurz vor 20 Uhr. 

Seit fünf Uhr früh schon ist er zu Hause auf Rügen für das Wetter auf den Beinen: „Gezwungenermaßen“, sagt er, „weil ich alle drei Stunden für NDR I/Radio MV den immer wieder neu angepassten Wetterbericht mache und mir vorher schon in meinem Büro die verschiedenen Wetterkarten ansehen und sie analysieren muss. Dann kann ich auch vom Garten aus den Sonnenaufgang und meinen Morgenkaffee in aller Stille genießen.“ 

Sein Sommerurlaub, den er am liebsten bei Ruhe und Einsamkeit in Wäldern und an Seen Schwedens verbringt, passt dazu. Dass sei jetzt auf der Insel auch ein bisschen so, weil die Touristen fehlen. „Manchmal kann das schon ganz schön anstrengend sein, wenn viele mich sehen und sprechen wollen, so dass ich kaum zum Arbeiten komme.“ Seine Fangemeinde ist groß. Kurz vor 12.30 Uhr bekommt er von seinem Radio-Kollegen aus Schwerin den bereits erwarteten Anruf. Der Moderator und Kreibohm unterhalten sich locker und witzig über das Wettergeschehen im Land. Insgesamt vier Mal am Tag. 

Von Naturgewalten fasziniert

Schon jetzt kristallisiere sich aus diesen Gesprächen eine Ansage fürs 29-minütige Nordmagazin heraus. Auch der „Opener“, also das, womit er in seinem Text anfängt. Der darf nicht länger als 90 Sekunden sein: „Wenn’s mehr ist, muss ich das Ganze wiederholen, manchmal auch mehrfach; weniger macht nichts, das schneiden die dann zurecht.“ 

Nach all den Jahren habe er die passende Länge schon weitgehend im Gefühl: „Nur bei besonderen Wetterphänomenen geht’s manchmal vor Begeisterung mit mir durch“, leuchten seine Augen, „dann möchte ich das auch gern den Zuschauern vermitteln.“ Das werde dann anstrengend, „wenn mir die Leute bei der Aufnahme draußen zuschauen und Fragen stellen. Auf die möchte ich dann ja auch gern eingehen, aber beides gleichzeitig bringt mich aus dem Konzept.“ 

Der bekannte Wetterfrosch war schon als Junge von den Naturgewalten fasziniert, „wie das ganze System so ineinandergreift“. Einer der Auslöser für seinen Berufswunsch war die Schneekatastrophe 78/79, „das hat mich als Achtjährigen tief beeindruckt“. 

Den Text habe er als „grobes Gerüst im Kopf“, um dann in der Reihenfolge Nachtwetter/-temperaturen, Tageswetter/-temperaturen, Wind und weitere Aussichten in die Kamera zu sprechen. Den Standort sucht er sich entsprechend den optimalen Lichtverhältnissen und passendem Hintergrund vorher aus. 

Wetter Apps und Klimawandel

14 Uhr: Aufbruch zum Hafen. Stefan Kreibohm schleppt sein Equipment im Rucksack zum geplanten Drehort auf einem Bootssteg mit seinem Wetterhäuschen und dem Stralsunder Zollkreuzer im Hintergrund. Nach einigen Standproben ist es so weit: Kamera läuft und Kreibohm spricht in seiner typischen Art – eben Kreibohm – ins Mikrofon. Dann eine Zeitkontrolle: „Stimmt, nur acht Sekunden zu kurz.“ Wetterkarten und Film schickt er gleich per Internet – „früher dauerte das Stunden“ – ins NDR-Studio Schwerin: „Den Rest erledigen die Kollegen dort.“

Ein Brandenburger Paar – „illegal“ auf der Insel – möchte gern wissen, wie das Osterwetter werde. Momentan sei noch keine Prognose möglich, „zu weit ab“. Aber die Wetter-Apps…? „Die beruhen nur auf einem Modell“, erklärt Kreibohm, „auf eins allein kann man sich nicht verlassen. Maximal sind vier Tage vorher möglich, danach gibt´s nur Trends.“ Genauso sei es mit dem Klimawandel in dieser Zwischeneiszeit mit Warmzeit-Tendenz. Indizien seien insgesamt höhere Temperaturen, kaum Schnee, mehr warme Monate und die Wassertemperatur der südlichen Ostsee nie unter fünf Grad. Als intensivster Beschleuniger gilt der gewaltige natürliche CO₂-Ausstoß aus dem tauenden Permafrostboden und den Weltmeeren. Dagegen könne niemand etwas tun. 

Wer mehr darüber wissen möchte, dem sind seine Bücher zu empfehlen: „Kreibohms Wetter“ und „Kreibohms Welt“, die im Rostocker Hinstorff-Verlag erschienen sind. Die digital abrufbare „Stralsundische Zeitung“ durchzuscrollen lohnt sich auch. Das ist sozusagen der Blick zurück. Vor 100 Jahren sah es im Frühjahr 1921 nicht wesentlich anders aus als heute. Kein Grund zur Panik also, findet auch Kreibohm.

15.10 Uhr: Die „MS Sundevitt“ bringt uns wieder zurück nach Schaprode. Meint Kreibohm: „Ich bin schon ganz schön privilegiert, dass ich auf zwei so schönen Inseln leben und arbeiten kann.“ Und seine beiden Jungs auf Rügen freuen sich dann immer wieder auf ihren Wetter-Papa.