29.03.2024

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Folge 12-21 vom 26. März 2021 / Chaos im Lockdown-Land Seit einem Jahr jagt eine Maßnahme der Bundesregierung die andere, mit der die Pandemie bezwungen werden soll. Mit unübersehbarem Schaden für die Wirtschaft und Hürden für Betroffene / Antragsteller im Hindernislauf / Überlastete Server, unübersichtliches Wirrwarr – Corona-Hilfen der Regierung sind nicht unbürokratisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12/21 vom 26. März 2021

Chaos im Lockdown-Land Seit einem Jahr jagt eine Maßnahme der Bundesregierung die andere, mit der die Pandemie bezwungen werden soll. Mit unübersehbarem Schaden für die Wirtschaft und Hürden für Betroffene
Antragsteller im Hindernislauf
Überlastete Server, unübersichtliches Wirrwarr – Corona-Hilfen der Regierung sind nicht unbürokratisch
Manuela Rosenthal-Kappi

Es scheint ein Fehler aufgetreten zu sein. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.“ Diese Meldung erhielt der Kleinunternehmer Klaus Kipping (Name von der Redaktion geändert) immer wieder, als er mit Hilfe seiner Schwägerin versuchte, seinen Antrag auf die Neustarthilfe der Bundesregierung für Soloselbstständige aufzurufen. Dabei handelt es sich um eine einmalige Betriebskostenpauschale in Höhe von 

25 Prozent des Jahresumsatzes 2019, maximal jedoch 7500 Euro. Welche der Hilfen für ihn in Frage kommt sowie die Internetadresse, über die diese beantragt werden kann, hatte ihm sein Steuerberater zwar mitgeteilt, doch die „Neustarthilfe für Soloselbstständige“ müssen die Betroffenen selbst online anfordern. Eine Antragstellung durch „prüfende Dritte“, also Steuerberater, Wirtschafts- und Buchprüfer sowie Rechtsanwälte ist ausgeschlossen.

Kipping ist ein 65-jähriger Soloselbstständiger, der mit gebrauchten, wiederaufbereiteten Haushaltsgeräten handelt. 

40 Jahre lang hatte er bei einem großen Staubsaugerhersteller unter Vertrag gestanden, der ihn vor ein paar Jahren allerdings vor die Tür setzte. Seitdem bestreitet er als Einzelunternehmer seinen Lebensunterhalt. Seine wichtigsten Arbeitsmittel sind sein Pkw und das Mobiltelefon. Er zählt zu denjenigen, die bislang ohne PC und Internetzugang zurechtkamen. Die Corona-Lockdowns haben nicht nur seine Existenz bedroht, sondern ihm auch deutlich vor Augen geführt, dass er ohne Internetzugang von wichtigen Bereichen ausgeschlossen ist.

Online-Anschluss ist notwendig

Sämtliche Informationen, häufig gestellte Fragen und Antworten für die verschiedenen Entschädigungsprogramme der Bundesregierung sind im Netz erhältlich, wobei selbst technisch Versierte sich durch den verwirrenden Dschungel an Erklärungen und Bestimmungen erst hindurchkämpfen müssen. 

Um die Neustarthilfe beantragen zu können, muss der Antragsteller über ein Konto beim Steuersoftware-Programm ELSTER verfügen. Da Kipping sich dort noch nicht registriert hatte, und auch noch keinen E-Mail-Account besaß, musste er mit Unterstützung seiner Verwandten zunächst eine E-Mail-Adresse einrichten, um das ELSTER-Zertifikat, das per E-Mail verschickt wird, zu erhalten. Einen Authentifizierungs-Code erhielt er per Briefpost. Beides ist für den Antrag auf Neustarthilfe zwingend notwendig.

Der Beantragung der Staatshilfe hätte nun eigentlich nichts mehr im Wege stehen dürfen, wären da nicht einige Hürden aufgetaucht, die es zu überwinden galt. Schon das Auffinden des Antragsformulars stellte ein Problem dar. Offenbar waren die Server überlastet. Erst nach etwa 20 Versuchen gelang es endlich, zum Formular vorzudringen, das – wie von der Bundesregierung versprochen – leicht verständlich und schnell auszufüllen war. Name, Anschrift, Bezeichnung und Branche des Unternehmens, Steuer-ID, Steuernummer und die Haken an der richtigen Stellte gesetzt – fertig. Die nächste Schwierigkeit tat sich beim Absenden des ausgefüllten Fragebogens auf. Die Steuernummer sei fehlerhaft, poppte in einem Fenster auf. Steuernummern werden normalerweise mit Schrägstrichen unterteilt angegeben. Die telefonische Nachfrage beim Steuerberater ergab, dass die Striche nicht mitgeschrieben werden dürfen. Das hatte Kipping auch schon ausprobiert. Die Fehlermeldung erschien dennoch erneut. Der Tipp des Steuerberaters, einfach eine Fünf (sie steht für Nordrhein-Westfalen und ist nirgends aus den Steuerunterlagen ersichtlich) voranzusetzen, brachte den Durchbruch. Der Antrag ging nach zirka zweieinhalb Stunden Ausprobieren, Hoffen und Bangen endlich durch, und schon am nächsten Tag erhielt Kipping per Mail den Bewilligungsbescheid. Wie lange es dauern wird, bis das Geld auf Kippings Konto eingeht, bleibt abzuwarten.

Während die Neustarthilfe nur direkt beantragt werden kann, ist für die übrigen Hilfsprogramme ein „prüfender Dritter“ nötig, um sie beantragen zu können. Steuerberater haben seit Ende vergangenen Jahres Hochkonjunktur. Bundesfinanzminister Olaf Scholz‘ euphorischem Versprechen: „Darum geht es jetzt: Schnell und effektiv die Hilfen bereitzustellen, damit sie dort ankommen, wo sie gebraucht werden“  stünden in der Realität bürokratische Hemmnisse, Softwareprobleme und manch Gerangel um Zuständigkeiten gegenüber, so ein Steuerberater. 

Seit Monaten häufen sich die Beschwerden, dass die vom Bund angekündigten Überbrückungshilfen nur sehr schleppend ankommen und viele Unternehmer um ihr Überleben bangen.