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Folge 12-21 vom 26. März 2021 / Erfahrungsbericht / Die trostlose Welt von „Click&Meet“ / Was als Perspektive für zehntausende Geschäfte verkündet wurde, erweist sich im Alltag als enttäuschendes Erlebnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12/21 vom 26. März 2021

Erfahrungsbericht
Die trostlose Welt von „Click&Meet“
Was als Perspektive für zehntausende Geschäfte verkündet wurde, erweist sich im Alltag als enttäuschendes Erlebnis

„Endlich geht’s los.“ Mit diesen hoffnungsvollen Worten begrüßt eines der über 90 Geschäfte im „Designer Outlet Berlin“ wenige Kilometer vor den Toren der Hauptstadt derzeit seine Gäste. Wie alle vom Lockdown betroffenen Einzelhändler warteten auch hier die Betreiber seit der Schließung im Advent sehnsüchtig auf eine Öffnungsperspektive. 

Diese sollte das von der Kanzlerin Anfang März verkündete „Click&Meet“-Konzept bringen. Bei diesem, nach fröhlichem Werbeagentur-Deutsch klingenden Modell müssen die Kunden zunächst per Internetseite, E-Mail oder telefonisch einen festen Termin für den Einkauf in dem Geschäft ihrer Wahl buchen. Anschließend können sie innerhalb des gebuchten Zeitrahmens vorbeikommen.

Die Einzelhändler, so die Idee, können so wieder ihre Tore öffnen und sich besser gegen die Online-Konkurrenz von Amazon und Co. behaupten, die im Laufe der letzten Monate Rekordumsätze eingefahren hat. Weil die Kunden nun wieder die Waren persönlich begutachten oder sich vom Personal beraten lassen könnten, sei das Einkaufserlebnis besser als virtuell im Netz. Die niedrige Personenzahl in den Läden und die Möglichkeit, die Kontakte im Falle einer Infektion bei Kunden oder Verkäufern besser nachverfolgen zu können, soll zudem auch den Belangen des Gesundheitsschutzes Rechnung tragen. 

Der Blick in die Praxis fällt jedoch ernüchternd aus: Wo – wie im „Designer Outlet Berlin“ – sonst täglich tausende Kunden flanieren, waren an den vergangenen beiden Wochenenden nur wenige Dutzend Menschen zu sehen. Aufkleber wie „Heute noch Termine frei“ zeigen an, dass die Läden keinesfalls „ausgebucht“ sind, obwohl sie nur einen Bruchteil der gewohnten Kundschaft einlassen dürfen. Selbst in die gewöhnlich überfüllten Läden gefragter Topmarken kommt man ohne Voranmeldung hinein – weil kaum jemand drin ist. In der Regel schaut die Verkäuferin am Eingang kurz auf die Uhr und sagt dann Sätze wie „Wenn Sie sich beeilen, können Sie hereinkommen. In 20 Minuten haben wir den nächsten Termin. Bis dahin haben Sie Zeit“ 

Doch sieht so Einkaufen aus? Besteht der Reiz für gewöhnlich nicht darin, ohne festen Plan durch die Läden ziehen und ohne Zeitdruck mal hier, mal dort etwas ansehen zu können und sich in aller Ruhe den Kauf zu überlegen? Ist es wirklich verwunderlich, dass die Kunden angesichts dieser Trostlosigkeit fernbleiben?

Aufschlussreich ist auch der Blick auf diejenigen Geschäfte im Outlet-Center, die eigentlich frei öffnen könnten, weil sie keinen Restriktionen unterliegen: die edlen Imbissbuden, die ihre Waren unter freiem Himmel feilbieten. Von ihnen hat bis auf das „Coffee-Bike“ keine einzige geöffnet – weil es sich für sie schlichtweg nicht lohnt, da kaum jemand da ist. 

Was eine auf die Lage angesprochene Verkäuferin besonders aufregt, ist jedoch weniger die Leere im Outlet-Center: „Wenn man sieht, dass in den Supermärkten Dutzende Kunden ohne Anmeldung, ohne Beschränkung der Personenzahl und ohne Abstandsvorgaben auf einmal einkaufen können, dann fragt man sich, was das ganze Theater bei uns eigentlich soll.“

So erweist sich das „Click&Meet“-Konzept in der Praxis keineswegs als Perspektive für den Einzelhandel, sondern bestenfalls als schlechter Notnagel – wenn nicht gar als Zwischenschritt auf dem Weg in den wirtschaftlichen Niedergang. neh