29.03.2024

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Folge 13-21 vom 01. April 2021 / Rekonstruktion der Stasi-Akten Warum geht es bei der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen nur so schleppend voran? An fehlendem technischen Fortschritt kann es jedenfalls nicht liegen / Dilettantismus oder fehlender Wille? / Wie die Erschließung der zerrissenen Stasi-Akten verschleppt wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-21 vom 01. April 2021

Rekonstruktion der Stasi-Akten Warum geht es bei der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen nur so schleppend voran? An fehlendem technischen Fortschritt kann es jedenfalls nicht liegen
Dilettantismus oder fehlender Wille?
Wie die Erschließung der zerrissenen Stasi-Akten verschleppt wird
Wolfgang Kaufmann

Im Herbst 1989 begann das DDR-Ministerium für Staatssicherheit mit der systematischen Vernichtung seines Aktenmaterials. Dieses wurde zum Teil gründlich geschreddert oder verbrannt, zum Teil aber auch nur von Hand in mehr oder weniger große Stücke gerissen. Beim Sturm auf die Stasi-Zentralen konnten die Bürgerrechtler im Dezember 1989 und Januar 1990 rund 16.000 Säcke mit derart vorvernichteten Dokumenten sicherstellen. Die enthielten schätzungsweise 600 Millionen Papierschnipsel, die zusammengefügt etwa 55 Millionen Blatt ausmachen würden. Da davon auszugehen ist, dass die Stasi während der Agonie der DDR vor allem die als wichtigsten und belastendsten Akten beiseiteschaffen wollte, wäre es aufschlussreich, alle erhalten gebliebenen Fragmente wieder zusammenzusetzen. Das erkannte mittlerweile auch der Deutsche Bundestag, der das Stasi-Unterlagen-Gesetz am 19. November 2020 insofern novellierte, als es nun die „Rekonstruktion und Erschließung von zerrissenen Unterlagen“ verbindlich und explizit vorschreibt.

Offensichtliche Verzögerung

Das Puzzlespiel hatte allerdings schon sehr viel früher begonnen, nämlich 1995. Ab diesem Jahr setzten vor allem Angehörige des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im bayerischen Zirndorf die Schnipsel von Hand zusammen, bevor sie im Zuge der Asylkrise von 2015 neue Aufgaben bekamen. Die manuelle Rekonstruktion, die anschließend mit weniger Personal und geringerer Geschwindigkeit fortgesetzt wurde, führte bis Ende 2020 zur Wiederherstellung von gut 1,67 Millionen Blatt aus 497 Säcken. Angesichts dieses schleppenden Tempos forderte der Bundestag bereits im Jahre 2000, das Verfahren mittels geeigneter Technik zu beschleunigen.

Den Zuschlag zur Lieferung der sogenannten Stasi-Schnipselmaschine, offiziell „ePuzzler“ genannt, erhielt im Frühjahr 2007 das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) in Berlin. In einem Pilotprojekt sollten geschätzte 16 Millionen Fragmente aus 400 Säcken virtuell zusammengesetzt werden. Allerdings gelang es bis 2014 lediglich, den Inhalt von 23 Säcken zu scannen und von elf Säcken zu rekonstruieren, wofür laut dem Bundesrechnungshof Gesamtkosten in Höhe von 14 Millionen Euro anfielen. Als größter Bremsklotz erwies sich der ePuzzler. Zur Verteidigung ist allerdings anzuführen, dass offenbar ungeeignete beziehungsweise unrealistische Parameter, welche die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) vorgab, die Benutzung des Gerätes derart erschwerten, dass das manuelle Zusammensetzen deutlich schneller ablief als das technikgestützte. Jedenfalls bewilligte der Bundestag im Dezember 2014 weitere zwei Millionen Euro, damit das IPK seine Arbeit mit einem leistungsfähigeren Scanner fortsetzen konnte, der inzwischen seit geraumer Zeit bereitstand. Dieses Geld wurde vom BStU-Chef Roland Jahn aber bislang nicht freigegeben. Deshalb ruht die Rekonstruktion seit 2016. 

Wem nützt das?

Für den Historiker und Vorsitzenden des Bürgerkomitees 15. Januar e.V. Christian Booß ist das Projekt der Wiederherstellung und Lesbarmachung von zerrissenen Stasi-Akten damit „faktisch tot“. Das veranlasste die Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD) am 24. Februar dieses Jahres zu einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung, weshalb das Vorhaben nicht energischer vorangetrieben werde. Auf diese Anfrage antwortete die für den BStU zuständige Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters (CDU) am 10. März, dass es momentan „keinen sofort einsatzfähigen Scanner“ gebe, der „die besonderen Anforderungen des Projekts“ hinsichtlich der Arbeitsgeschwindigkeit erfülle. Daher könne die Dienststelle des BStU auch keinen neuen Vertrag mit dem IPK abschließen, werde das aber selbstverständlich tun, sobald die Voraussetzungen dafür vorlägen. Und Jahn verkündete kurz darauf im Interview mit dem Deutschlandfunk, er warte auf neue „technologische Entwicklungen“ und hoffe, „dass das Projekt dann weitergeht“. 

Angesichts dieser ganz offensichtlich dilatorischen Haltung bleibt es momentan dabei, dass rund 20 Mitarbeiter des BStU mit der Puzzlearbeit von Hand fortfahren. Geht es so weiter, können noch Jahrhunderte ins Land gehen, bis sämtliche Schnipsel aus den 16.000 Säcken zusammengesetzt sind. Es drängt sich die Frage auf, wem das nützt.


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