20.04.2024

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Folge 13-21 vom 01. April 2021 / Türkei / Er wirft für Erdoğan die Gelddruckmaschine an / Warum der Wechsel von Notenbankchef Naci Ağbal zu Şahap Kavcıoğlu die Gefahr eines Zahlungsausfalls am Bosporus noch erhöht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-21 vom 01. April 2021

Türkei
Er wirft für Erdoğan die Gelddruckmaschine an
Warum der Wechsel von Notenbankchef Naci Ağbal zu Şahap Kavcıoğlu die Gefahr eines Zahlungsausfalls am Bosporus noch erhöht
Norman Hanert

Nicht einmal ein halbes Jahr nach seiner Berufung durch Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ist die Karriere von Naci Ağbal als Präsident der türkischen Zentralbank bereits wieder beendet. Erst Anfang November war Ağbal überraschend als Zentralbankchef eingesetzt worden. Erdoğans Schwiegersohn Berat Albayrak war fast zeitgleich als Finanzminister zurückgetreten.

Ağbals Abberufung durch Erdoğan steht für einen erneuten abrupten Kurswechsel in der türkischen Währungspolitik. Der türkische Präsident gilt als Befürworter niedriger Leitzinsen, während er in hohen Zinsen „den Vater und die Mutter allen Übels“ sieht. Trotz dieser Ansicht ließ Erdoğan zumindest einige Monate seinen langjährigen Weggefährten Ağbal mit einer völlig gegensätzlichen Geldpolitik gewähren. 

Ağbal hat in seiner kurzen Amtszeit als Notenbankchef versucht, mit Zinserhöhungen die hohe Inflation in der Türkei zu bekämpfen und den Wechselkurs der türkischen Lira zu stabilisieren. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hob Ağbal den Leitzins auf 15 Prozent von zuvor 10,25 Prozent an. Die Finanzmärkte reagierten wie erhofft, der Kurs der Lira erholte sich.

Stillstand des Tourismussektors

Nur wenige Tage vor seiner Entlassung hatte Ağbal den Leitzins sogar auf 19 Prozent angehoben. Dies war nicht zuletzt eine Reaktion auf die Inflation, die im Februar auf 15,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen war. Lebensmittelpreise legten im Jahresvergleich im Februar sogar um 18,4 Prozent zu. Ziel des nun abgelösten Ağbal war es, durch eine straffe Geldpolitik die Inflationsrate bis Ende 2023 zumindest unter fünf Prozent zu drücken.

Der neue Notenbankchef Şahap Kavcıoğlu hatte sich schon vor seiner Berufung klar als Gegner einer straffen Geldpolitik zu erkennen gegeben. In einer Zeitungskolumne hat er die Zinspolitik Ağbals mit den Worten kritisiert: „Die Zinsen rund um die Welt sind nahe Null. Eine Anhebung in der Türkei zu erwägen, wird unsere wirtschaftlichen Probleme nicht lösen.“ 

Der Wechsel von Ağbal zu Kavcıoğlu an der Spitze der türkischen Zentralbank – der vierte innerhalb von zwei Jahren – hat die Probleme des Landes vergrößert. Ağbals Entlassung löste einen neuerlichen Sinkflug der türkischen Lira aus, der die Börse in Istanbul mitriss. Auch die Kurse türkischer Staatsanleihen tauchten ab. Die Turbulenzen fielen so heftig aus, dass der Börsenhandel zeitweilig ausgesetzt wurde.

Pandemiebedingt steht der türkische Tourismussektor derzeit still. Damit fehlen der Wirtschaft Einnahmen. Mit den ausbleibenden Touristen fehlt es zudem an Nachfrage nach der Landeswährung sowie Devisen. Hält der Zustand an, ist ein weiterer Kursverlust der türkischen Lira gegenüber US-Dollar und Euro programmiert. 

Dem stehen erhebliche finanzielle Verpflichtungen gegenüber. Die Notenbank bezifferte Ende 2020 die türkischen Auslandsschulden immerhin auf umgerechnet 435 Milliarden US-Dollar. Etwa ein Drittel der Summe entfällt auf Unternehmen und private Haushalte, der Rest auf Finanzinstitute, die Notenbank selbst und den Staat. Ein großer Teil dieser Auslandsschulden ist in Dollar aufgenommen. Entsprechend wichtig ist es für die Türkei, dass die Schwäche der Lira gestoppt wird. Verfällt der Außenwert der Landeswährung, wird es für die türkischen Schuldner immer schwieriger, Zins und Tilgung in Dollar aufzubringen.

Mit der neuerlichen Krise der türkischen Währung rückt für Investoren und Finanzmarktanalysten nun das Risiko eines Zahlungsausfalls des Landes zunehmend in den Blick. Jason Turvey von der Londoner Wirtschaftsberatungsgesellschaft Capital Economics warnte unlängst vor „einer sehr realen Gefahr, dass die Türkei auf eine chaotische Zahlungsbilanzkrise zusteuert“.

„Chaotische Zahlungsbilanzkrise“

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, spricht von der Gefahr eines Zahlungsausfalls, sollte es dem Land nicht gelingen, „nachhaltiges Vertrauen in seine Geldpolitik zu schaffen“.

Erdoğans Konzept sieht das Versprechen von Wirtschaftsreformen und Geldspritzen vor. Im März versprach der türkische Präsident Steuerbefreiungen und billige Kredite für kleine Unternehmen, die stark von der Corona-Pandemie betroffen sind. Die Sorge um Preisstabilität solle „beiseitegestellt“ werden, so Erdoğan.

Wie schon in vorigen Lira-Krisen rief Erdoğan auch nach dem jüngsten Lira-Kurssturz die Türken „die zu Hause ausländische Währung und Gold aufbewahren, nur um sich sicher zu fühlen“ auf, diese Mittel zu investieren. „Von diesen, meinen Bürgern möchte ich, dass sie die Devisen und das Gold in ihren Häusern, was unser nationales Vermögen ist, in verschiedene Finanzmittel investieren und es damit in die Wirtschaft und Produktion einbringen“, so Erdoğan bei einem Parteikongress seiner AKP.

Tatsächlich stehen den hohen Auslandsschulden von türkischen Banken und Unternehmen beträchtliche Vermögen von Privatleuten gegenüber. Die inflationsgeplagten Türken legen diese oft in Fremdwährungen und Gold an. Allein auf den Konten der türkischen Banken lagen Ende vergangenen Jahres Guthaben in ausländischen Währungen im Wert von 260 Milliarden Dollar. Pro Kopf entspricht dies etwa 3200 Dollar. 

Nach den deutschen Sparern mit 9000 Tonnen liegen die türkischen weltweit im Übrigen auf Rang zwei beim Privatbesitz von Gold. Schätzungen gehen dahin, dass sie bis zu 5000 Tonnen Gold gebunkert haben.