26.04.2024

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Folge 13-21 vom 01. April 2021 / Kolumne / Warum wir in Mali sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-21 vom 01. April 2021

Kolumne
Warum wir in Mali sind
Florian Stumfall

Vor wenigen Wochen hat der Deutsche Bundestag das Mandat, das den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan formal rechtfertigen soll, für ein weiteres Jahr verlängert. Sachlich gerechtfertigt, so die offizielle Begründung, sei das Mandat durch die Notwendigkeit, den Terror zu bekämpfen. Diese Argumentation ist scheinbar von stets gleichbleibender Überzeugungskraft und verbietet jeden Widerspruch. 

Zwei Jahrzehnte Misserfolg ändern daran ebenso wenig wie der Umstand, dass mit jedem westlichen Soldaten in Afghanistan zusätzlich ein paar junge Afghanen zu den Waffen der Taliban eilen. Umso mehr, so scheint die Überlegung, müsse man den afghanischen Streitkräften helfen, besonders durch Ausbildung. Niemand aber erklärt, warum die Taliban auch ohne eine solche Ausbildung jedem ausländischen Zugriff widerstehen.

Weit weniger im Lichte der Öffentlichkeit als Afghanistan steht Mali, obwohl es hier ganz ähnliche Verhältnisse gibt wie dort. Auch dort machen sich verschiedene ausländische Kräfte anheischig, den Terror zu bekämpfen, den einige islamische Dschihad-Gruppen ausüben. Auch diese Milizen werden laufend verstärkt durch die Anwesenheit vor allem westlicher Soldaten, die auch dort die Notwendigkeit einer Ausbildung betonen, in diesem Falle des malischen Militärs. Und auch dort ist Deutschland mit der Bundeswehr an Ort und Stelle, seit 2013, also einem Jahr, nachdem dort Unruhen ausgebrochen waren.

Verzicht auf Kohle und Kernkraft

Natürlich ist die Bundeswehr nicht allein. Da gibt es vor allem die französische Opération Barkhane, die in so gut wie ganz Westafrika aktiv ist, ferner die UN-Mission MINUSMA und aus Europa die European Union Training Mission (EUTM) Mali, zu der die Bundeswehr auch gehört. Auch in diesem Falle heißt die rechtferti­gende Parole „Ausbildung“. Allerdings maßt sich die EU mit der EUTM ein Recht an, das nur den UN zusteht, nämlich international Militäreinsätze zu legitimieren. 

Mit der Aufgabe der Bundeswehr verhält es sich denn auch bei Weitem nicht so klar und einfach, wie das Anliegen beschrieben wird, nämlich dass man halt dem malischen Militär auf die Sprünge helfen müsse. Davon abgesehen wieder eine Parallele zu Afghanistan: Die Tuareg brauchen keine ausländischen Berater.

Blickt man aber etwas genauer auf Mali und die Verhältnisse dort, so stößt man unschwer auf eine weitere Motivation, welche die Bundes­wehr in den Sahel geführt haben mag. Um das zu erläutern, gilt es, sich zunächst die Energiepolitik der Kanzlerin Angela Merkel vor Augen zu führen. Man erinnert sich: Im kommenden Jahr wird in Deutschland der letzte Kernreaktor abgeschaltet, einige Jahre darauf folgen die Kohlekraftwerke, und gleichzeitig sollen immer mehr E-Autos die deutschen Straßen bevölkern. 

Weil aber unter solchen Umständen der Energiebedarf Deutschlands nicht zu decken ist, auch nicht mit den defizitären Windmühlen, wird Strom eingekauft, vorwiegend Atomstrom aus Frankreich. Dieser Import belief sich im vergangenen Jahr auf eine Höhe von 14,07 Terawatt, ein Terawatt entspricht einer Billion Watt. Andere europäische Nachbarn werden ebenfalls zur Deckung des Strombedarfs in Deutschland zugezogen, so unter anderen die Schweiz, das kleine Luxemburg, die Slowakei und sogar Polen.

Frankreich aber benötigt für seine Kernreaktoren Uran und dieses kommt in erheblichem Umfang aus Mali und dem Niger, wobei wir wieder bei der Bekämpfung des Terrorismus sind. In dieser Hinsicht ist von Belang, dass die Grenzregion zwischen den beiden Uran-trächtigen Ländern zu den unruhigsten Gegenden des ganzen Sahel zählt. Da trifft es sich gut, dass gerade dort eines der Einsatzgebiete der Bundeswehr ist, und zwar auf beiden Seiten der Grenze. Denn auch im Niger bildet die Bundeswehr aus und berät das heimische Militär. So gibt sie beispielsweise Kurse für Kampfschwimmer, in einem Binnenland im afrikanischen Trockengürtel Sahel eine be­mer­kenswerte Einrichtung.

Hoher Strombedarf durch E-Autos

Im Niger steht die Bundeswehr seit 2017. Oberstleutnant Dirk Hamann hat als Verbindungsoffizier den Vorreiter gemacht und den Weg für die Lieferung von Geländefahrzeugen, Motorrädern und Satel­litentelefonen bereitet. In der Stadt Agadez werden dafür Garagen und Werkstätten errichtet. Das Interesse am Niger ist zwar nicht selbst­los, aber ehrlich. Das Land ist nämlich der größte Uranpro­duzent Afrikas und nach Kasachstan Frankreichs wichtigster Lieferant dieses Schwermetalls. Die dem Niger benachbarten Lager­stätten sind indes nicht die einzigen in Mali. Weitere Minen liegen im Norden des Landes, zwischen den Städten Gao und Kidal, die beide unmittelbar am Rebellengebiet liegen. 

Man muss es einen für Frankreich günstigen Zufall nennen, dass die Bundeswehreinheiten gerade an den beiden Uranzentren von Mali stationiert sind, wie das Büro des Bundeswehrsprechers für Mali, Major Christian Fuchs, bestätigt. Ein Zusammenhang dieser beiden Aspekte von Sicherheit und Rohstoffen fiel der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ bereits im Jahr 2013 auf, kurz nachdem sich die Europäische Union des malischen Militärs beratend und ausbildend angenommen hatte. Am 14. Januar des Jahres schrieb das Blatt: „Den Militäreinsatz in Mali mit Sicherheitsinter­essen zu begründen, ist zynisch. Tief im Herzen Afrikas will Frank­reichs Staatspräsident Hollande die Versorgung seines Landes mit dem Atombrennstoff Uran sichern.“

Wie gut, dass auch die Bundeswehr mithilft. Auf diese Weise trägt auch Deutschland Sorge, dass die Uranlieferungen an Frankreich nicht Schaden nehmen, sondern ungehindert ankommen, damit beim Nachbarn die Reaktoren dampfen. Deutschland aber kann auf diese Weise von dort seinen Atomstrom einkaufen. Man könnte das ein kybernetisches System nennen, früher sagte man: Eine Hand wäscht die andere.

Der Autor ist ein christsoziales Urgestein und war lange Zeit Redakteur beim „Bayernkurier“.