26.04.2024

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Folge 13-21 vom 01. April 2021 / Paul Gottfried Hoffmann / Tirpitz und Prinz Heinrich waren seine direkten Nachfolger / In der Biographie des vor 175 Jahren geborenen Vizeadmirals und Buchautors spiegelt sich deutsche Kolonial- und Weltpolitik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-21 vom 01. April 2021

Paul Gottfried Hoffmann
Tirpitz und Prinz Heinrich waren seine direkten Nachfolger
In der Biographie des vor 175 Jahren geborenen Vizeadmirals und Buchautors spiegelt sich deutsche Kolonial- und Weltpolitik
Peter Max Gutzwiller

Paul Gottfried Hoffmann war ein außergewöhnlicher Seeoffizier, gebildet, vor allem naturwissenschaftlich-technisch orientiert, adelskritisch und vermutlich republikanisch gesinnt. Von Orden hielt der gebürtige Berliner nichts. Deren Verleihung übergeht er in seinen Tagebüchern. „Zu Hofe gehen, gesellschaftliche Pflichten, Repräsentationen“ waren Hoffmann „herzlich zuwider“. Es gibt kein Bild von Hoffmann in Galauniform oder mit Orden. Hoffmann war verheiratet und hatte drei Söhne. Einer starb als Kleinkind, einer in Flandern im Ersten Weltkrieg, nur einer, Seeoffizier und damals gesuchter Maler, überlebte den Vater.

Vor 175 Jahren wurde Hoffmann in eine moderne Familie mit beachtlichem Bildungsniveau geboren. Der väterliche Grossvater war Berater Karl August von Hardenbergs auf dem Wiener Kongress, Professor für Staatswissenschaften in Berlin und Direktor des neu gegründeten Statistischen Amtes, der Vater technischer Direktor einer der neuen Eisenbahngesellschaften.

Nach einem damals nicht seltenen Lehrjahr als Schiffsjunge in der privaten Handelsmarine sowie der Ausbildung an Bord preußischer Kriegsschiffe und am Seekadetten-Institut in Berlin wurde Hoffmann 1867 Königlich-Preußischer beziehungsweise Seeoffizier der Marine des in jenem Jahr gegründeten Norddeutschen Bundes. In den nächsten Jahren erweiterte Hoffmann seine Fähigkeiten und Kenntnisse der Nautik, Artillerie, Navigation und physikalischen Geographie auf Fahrten in Europa, Afrika, Südamerika, Südostasien, Australien und in der Südsee. Ab 1872 absolvierte er mit dem ersten Lehrgang die vom Kaiser neu gegründete Marineakademie und spezialisierte sich in Astronomie und Meteorologie. In London erlernte er die damals in Deutschland noch unbekannte Technik der Kompensation von Schiffskompassen. Daran schloss sich eine erste Tätigkeit im Hydrographischen Amt der Admiralität an. Dort verfasste er im Jahre 1878 das zum Standardwerk werdende „Handbuch der Navigation“ und 1884 den Band „Zur Mechanik der Meeresströmungen an der Oberfläche der Oceane“.

Auf seiner „Möwe“ starb Nachtigal

Zu Beginn des Jahres 1884 gab Reichskanzler Otto von Bismarck seine bisherige Zurückhaltung bezüglich des Erwerbs von Kolonien durch das Deutsche Reich auf und ernannte den Afrikaexperten Gustav Nachtigal zum Reichskommissar für Kolonialangelegenheiten mit dem Auftrag, Verträge deutscher Kaufleute mit lokalen Würdenträgern zu beglaubigen und geeignete Gebiete als Kolonien für das Reich zu gewinnen. Reisen sollte Nachtigal auf der „Möwe“. Das Kanonenboot wurde von Korvettenkapitän Hoffmann kommandiert. Es war dessen erstes Bordkommando. Gemäß „Segelorder“ des Chefs der Admiralität vom März 1884 sollte Hoffmann sich „bei allen Fahrten“ zwecks ökonomischer Verwendung der Kohlen „hauptsächlich der Segel bedienen und alle günstigen Wind- und Strömungsverhältnisse benützen“. 

Im Juli 1884 wurde die deutsche Flagge in Togo und in Kamerun gehisst. Dadurch wurden diese Länder ohne Waffengewalt oder Bestechung, sondern auf Wunsch der lokalen Häuptlinge, die kolonialen Schutz suchten, zu den ersten Kolonien des Deutschen Reiches. Hoffmann nahm auch Vermessungen vor, da deutsche Karten fehlten und die englischen Karten sehr provisorisch waren. 

Auf seiner „Kaiser“ reiste der Kaiser

Nach Abschluss der Tätigkeit in Westafrika – Nachtigal starb an Bord der „Möwe“ im April 1885 an Malaria – stieß Hoffmann zum damals vor Sansibar stationierten Ostafrika-Geschwader. Dort diente er bis in den Frühling 1886 im Rahmen der deutsch-englisch-französischen Zanzibar Delimitation Commission zur Festlegung der Grenzen des Sultanats Sansibar. 

Im Sommer 1886 war Hoffmann, nunmehr zum Kapitän zur See befördert, in der Heimat zurück. Nach erneuter Tätigkeit im Hydrographischen Amt und in der Admiralität wurde Hoffmann von Kaiser Friedrich III. zum Kommandanten des Panzerkreuzers „Kaiser“ ernannt, eine Funktion, die er bis in den April 1890 ausübte. Höhepunkte dieser vier Jahre waren ein Nachtessen bei Königin Victoria und eine Mittelmeerreise mit den Hauptstationen Athen (Hochzeit der Kaiserschwester Sophie), Konstantinopel (Besuch bei Sultan Abdülhamid II.), Korfu (Besuch bei Kaiserin Sisi) und Venedig, die der neue junge Kaiser Wilhelm II. meistens auf Hoffmanns Schiff mitmachte. Sein Tagebuch ist eine wahre Fundgrube für seine Beobachtungen der Sprache und des Verhaltens des Kaisers. 

Im September 1894 wurde Hoffmann, mittlerweile Konteradmiral, vom Kaiser zum Chef der Ostasiatischen Kreuzerdivision ernannt, eine Funktion, die er bis in den Sommer 1896 bekleidete, als er von Tirpitz abgelöst wurde. Auftrag der Division waren im Wesentlichen die Überwachung des Gelben und des Südchinesischen Meeres nach dem Japanisch-Chinesischen Krieg, und die Suche nach dem Standort für einen geeigneten Stützpunkt in China, der dann später in Kiautschu/Tsingtau etabliert wurde. Schließlich wurde Hoffmann Inspekteur der Marine-Inspektion der Nordsee und, 1899, zum Vizeadmiral befördert, Chef des I. Geschwaders und der Übungsflotte. In diesen Funktionen wurde Hoffmann Ende 1900 abgelöst durch den Kaiserbruder Prinz Heinrich, der seit einem Jahr in der Marine ohne Stellung war und dringend einer hohen, repräsentativen Position bedurfte. Weniger als zwei Jahre vor dem Ausbruch der 48er Revolution, am 20. Juni 1846, in Preußens Haupstadt geboren, starb Hoffmann weniger als zwei Jahre vor dem Ausbruch der Novemberrevolution, am 8. April 1917, in Bayerns Hauptstadt München.

Dr. Peter Max Gutzwiller, Rechtsanwalt in Zürich, publizierte im Jahre 2020 bei Duncker & Humblot in Berlin die Biographie „Vizeadmiral Paul G. Hoffmann (1846–1917). Wirken in bewegter Zeit“ vor allem auf der Grundlage von Familienschriften.