08.05.2024

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Folge 13-21 vom 01. April 2021 / Schlauer Überlebenskünstler / Legende und Wahrheit – Welche Mythen sich um Meister Lampe ranken, und wie es um das Wildtier tatsächlich bestellt ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-21 vom 01. April 2021

Schlauer Überlebenskünstler
Legende und Wahrheit – Welche Mythen sich um Meister Lampe ranken, und wie es um das Wildtier tatsächlich bestellt ist
Kai Althoetmar

Landflucht, Verkleinerung der Familienverbände und eine Vor-liebe für eher smarte „Stadt-Apartments“ – was der moderne Mensch vorlebt, findet im Leben mitteleuropäischer Wildkaninchen seine Entsprechung. Forscher der Universität Frankfurt am Main und der Jagdschule Frankfurt Wildtiermanagement haben untersucht, wie sich die Lebensweise wilder Kaninchen verändert hat und wie die Tiere ihre Baue den Gegebenheiten städtischer Lebensräume angepasst haben. Ergebnis: Stadtkaninchen legen kleinere, dafür aber je Hektar mehr Baue an als ihre Artgenossen auf dem Land, verteilen ihre unterirdischen Heime gleichmäßiger in der Landschaft und leben in kleineren Familienverbänden zusammen.

Für ihre Studie untersuchte das Team um Madlen Ziege von der Uni Frankfurt Kaninchenbaue und -kolonien an insgesamt 16 Standorten in Frankfurts Zentrum, am Stadtrand sowie in angrenzenden ländlichen Gebieten. Die Kaninchen werden im Auftrag der Stadtverwaltung von örtlichen Jägern gejagt, um die Bestände in Schach zu halten. Die Jäger setzen dabei Frettchen ein, domestizierte Iltisse, die auf Kaninchenjagd spezialisiert sind. Die Forscher nutzten die Jagd, um anhand der aus den Ausgängen fliehenden Kaninchen zu ermitteln, wie viele Kaninchen in einem Bau leben und wie groß und komplex der Bau ist – was an Lage und Zahl der Ausgänge festzumachen ist.

Die Forscher erklären den Trend zu kleineren Verbänden und Höhlensystemen mit verschiedenen Faktoren. Ein Grund: In großen Kaninchenverbänden ist im Winter der Energieverlust pro Kopf geringer als in kleinen Gruppen. In Städten bedürfen die Tiere dieses energetischen Vorteils aber nicht, da dort die Durchschnittstemperatur meist höher ist als auf dem Land – was auch der Tal-Lage vieler Städte geschuldet ist.

Während die Agrarindustrie auf dem Land vielfach nur landschaftliche Monotonie hinterlassen hat, bieten Ballungsräume anpassungsfähigen Tieren Ressourcen und mosaikartige Lebensräume mit Parks, Gärten und Friedhöfen. „Kaninchen sind dafür bekannt, große Gruppen zu bilden, wenn die Ressourcen knapp sind“, heißt es in der Studie. „Aber in deutschen Städten sind offenbar weder Nahrung noch Plätze für Kaninchenbaue knapp.“ Daher ist die Population von Kaninchen in Städten über die Jahrzehnte entsprechend gestiegen.

In den meisten ländlichen Gegenden Europas nehmen indes die Bestände an Wildkaninchen seit Langem ab. Ein wichtiger Grund ist neben zwei artspezifischen Seuchen die Intensivierung der Landwirtschaft. Wildkaninchen profitieren demnach von der Mosaik-Struktur städtischer Landschaften stark, weil sie dort leichter gute Plätze für Baue finden als auf dem Land. Ihr Bedürfnis nach Deckung und Nahrung sei für die Tiere in den Nischen der Städte gut zu stillen. Zudem sind manche ihrer Fressfeinde in Städten gar nicht oder kaum präsent, seien es Luchs, Wolf sowie manche Marder- oder Greifvogelarten. Gut für die Osterhasen. Sie sterben so schnell nicht aus.