29.03.2024

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Folge 14-21 vom 09. April 2021 / Alle Reserven verbraucht / Gehört der Schutz von Kultur ins Grundgesetz? – Die aktuelle Notlage vieler Museen und Künstler könnte dafürsprechen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-21 vom 09. April 2021

Alle Reserven verbraucht
Gehört der Schutz von Kultur ins Grundgesetz? – Die aktuelle Notlage vieler Museen und Künstler könnte dafürsprechen
Dagmar Jestrzemski

Aktuell kann niemand einschätzen, wie sich die Situation der Museen und anderen Kulturinstitutionen Corona-bedingt im Laufe des Jahres weiter entwickeln wird. Der Museumsverband Baden-Württemberg rechnet bis mindestens 2022 mit einem eingeschränkten Betrieb der Museen in dem Bundesland. Die Prognose kann auf alle großen und kleinen Häuser in Deutschland übertragen werden, vorausgesetzt, dass nichts Unvorhergesehenes geschieht. Millionen Menschen vermissen das Museum schmerzlich als Kulturstätte und als sozialen Ort.

Für mittelfristige Planungen können noch keine realistischen Prognosen gemacht werden. Absehbar ist aber bereits, dass auch nach der endgültigen Wiedereröffnung keine normalen Verhältnisse einkehren werden. So wird es noch eine Zeit lang bei Vorsichtsmaßnahmen wie begrenzten Besucherzahlen bleiben, sodass die finanziellen Verluste, die sich während der monatelangen Schließungen angehäuft haben, zunächst noch weiter steigen dürften. Von den Einnahme- und Verdienstausfällen betroffen sind alle Museen, insbesondere aber große und vereinsgeführte Häuser. 

Finanzielles Polster ist aufgebraucht

In Deutschland werden die wichtigsten der insgesamt 6800 Museen ganz oder überwiegend staatlich oder kommunal finanziert. Damit sind die Budgets für Betriebskosten und Gehälter gesichert. Seit dem ersten Lockdown können nicht oder nicht überwiegend von der öffentlichen Hand finanzierte Museen und Gedenkstätten bei Bund und Ländern sowie Verbänden und privaten Stiftungen COVID-19-Soforthilfen beantragen. Diese sind aber überwiegend zweckgebunden ausgeschrieben. Für die vielen ehrenamtlich geführten Heimatmuseen wurde auf Bundesebene ein Förderprogramm aufgelegt. 

Laut dem Deutschen Museumsbund haben die meisten Museen inzwischen keinerlei finanzielles Polster mehr. Mit betroffen sind auch zahllose Kleinunternehmer, die mit den Museen zusammenarbeiten, wie beispielsweise freiberuflich tätige Grafiker und Kuratoren. 

Zwar gelten Museen nicht als systemrelevant, sie werden aber dennoch gesellschaftlich dringend gebraucht. Anfang März einigten sich Bund und Länder trotz erneut steigender Infektionszahlen auf Öffnungsschritte mit einer Notbremse. In Hamburg öffneten daraufhin fast alle großen Museen am 13. März wieder ihre Pforten für Besucher, die vorab einen Termin für ein bestimmtes Zeitfenster gebucht hatten. Als die Corona-Inzidenz dann eine Woche später auf über 100 stieg, war schon wieder alles vorbei. Den Ausstellungshäusern waren durch den hohen Aufwand für die Öffnungen zusätzliche Verluste entstanden. 

Verlust von 1,5 Millionen Euro

Einige Museen wie die Hamburger Kunsthalle mussten für einen Teil ihrer festangestellten Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen. Bestenfalls werden sich die Verluste des renommierten Ausstellungshauses in diesem Jahr auf 1,5 Millionen Euro belaufen, wie Kunsthallendirektor Alexander Klar gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte. Die Kunsthalle gehört zur Stiftung Historische Museen Hamburg und wird zu drei Vierteln von der Stadt Hamburg finanziert. Absehbar werden die Rückzahlungsverpflichtungen zukünftig vor allem diverse schon länger geplante Vorhaben wie Renovierungen ausbremsen. Ein Lichtblick ist immerhin das überaus beliebte Online-Angebot der Kunsthalle auf Instagram. Sogar Teilnehmer aus Mexico City, Sydney und allen Zeitzonen schalten sich zu.

Auch in Berlin durften die Museen und Kulturveranstalter am 15. März im Rahmen eines viel beachteten Pilotprojekts wieder ihren Betrieb aufnehmen. Die Besucher der Veranstaltungsreihe müssen vorab ein personalisiertes Ticket erwerben und einen SARS-CoV-2-Antigen-Test machen, der in einem der Testzentren vorgenommen wird. Nach dem Ende des Projekts sollen die Erfahrungen aller Teilnehmer ausgewertet werden. Wegen der sprunghaft ansteigenden Sieben-Tage-Inzidenz steht jedoch das Lockern als Modellversuch bereits wieder auf der Kippe. 

Auch das Kunstmuseum Ahrenshoop auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst in Mecklenburg-Pommern hat Kurzarbeit für mehrere Mitarbeiter beantragt. Das Museum präsentiert Werke der Künstlerkolonie Ahrenshoop und nachfolgender Kunststile. Es gilt als Leuchtturmprojekt der Region und finanziert sich aus erwirtschafteten Eigenmitteln, ergänzt um Förderbeiträge der Freunde und Stifter. Als die Entscheidung über eine erneute Öffnung anstand, entschlossen sich die Museumsleiterinnen Katrin Arietta und Marion Schael, das Haus aufgrund des erforderlichen Aufwands nicht aufzumachen.

Illusorische Forderungen

Durch die Gewährung von Nothilfen für die Kultur kommt es auch bei den dafür zuständigen Stellen zu finanziellen Engpässen und zu Verschuldung. Es werden daher bereits Appelle an Bund und Länder gerichtet, zukünftig keinesfalls Abstriche bei der Kulturförderung zu machen. Doch das wird sich kaum vermeiden lassen. Daher muss bezweifelt werden, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um die Forderung „Kultur ins Grundgesetz“ zu erheben. Unter dieser Überschrift firmiert seit dem 14. Dezember eine Online-Petition von Kulturschaffenden. Die Initiatoren verlangen, „die Bildungs- und Kulturpolitik zu verknüpfen und die Museen zu Orten zu machen, wo ein generationenübergreifender Bildungsdiskurs stattfindet“. Dabei wird übersehen, dass all dieses längst in den Museen stattfindet und ständig optimiert wird. 

Weitere Forderungen richten sich auf den „Schutz von Kunst und Kultur im Grundgesetz“ und den „Schutz aller in ihr Tätigen mit sicheren Arbeitsplätzen“. So verständlich die Wünsche zahlloser, in Corona-Zeiten um ihre Existenz ringender Kulturschaffender sind, so offenkundig illusorisch sind solche Vorstellungen und Ansprüche.