25.04.2024

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Folge 14-21 vom 09. April 2021 / Deutsches Kulturerbe / Abgabe von Kirchenglocken an polnische Gemeinden / Die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen über falsche Darstellungen in den Medien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-21 vom 09. April 2021

Deutsches Kulturerbe
Abgabe von Kirchenglocken an polnische Gemeinden
Die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen über falsche Darstellungen in den Medien
Jochen Zauner

„Von Nazis beschlagnahmte Glocke kehrt nach 77 Jahren nach Polen zurück“ – Mit dieser irreführenden Überschrift verkündete das Bistum Münster um die Jahreswende 2020/21 die vereinbarte Rückführung einer Glocke der Pfarrkirche St. Katharina in Slawentzitz/Ehrenforst, einem Ortsteil der oberschlesischen Kreisstadt Kandrzin-Cosel. Entsprechende Schlagzeilen prägten daraufhin von der „FAZ“ bis zum „Deutschlandfunk“ die Berichterstattung bundesdeutscher Medien, welche die geschichtlich fragwürdige Darstellung der katholischen Diözese unkritisch übernahmen. Dass führende polnische Gazetten ein ähnliches Zerrbild zeichneten, verwundert nicht. Zur sachlichen Aufklärung in der Angelegenheit trug hingegen die Preußische Allgemeine Zeitung bei. 

Etwa 80.000 Glocken aus ganz Deutschland waren während des Zweiten Weltkrieges von den Behörden konfisziert worden, um ihr Material zur Rohstoffgewinnung für die Rüstungsindustrie zu nutzen. Nach dem Ende des Krieges lagerten viele dieser Objekte auf dem so genannten „Glockenfriedhof“ in Hamburg. Während die meisten der übriggebliebenen Glocken in ihre Heimatgemeinden zurückgeführt wurden, konnten etwa 1300 Glocken aus den deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neiße nicht mehr zurückkehren, weil sich diese zum gegebenen Zeitpunkt bereits unter polnischer oder sowjetischer Fremdverwaltung befanden. Da die Glocken jedoch in Hamburg nicht bleiben konnten, wurden sie als „Patenglocken“ an westdeutsche Kirchengemeinden ausgeliehen. So fand auch die Glocke aus Ehrenforst neben zwei anderen ihren Platz im Innenhof des Kirchengerichts zu Münster in Westfalen.

Geschichtsbewusstsein schulen

In den vergangenen Jahren hatte es mehrere Meldungen von westdeutschen Kirchengemeinden gegeben, die mit Erstaunen festgestellt hatten, dass sie in Besitz von Kirchenglocken aus Ostpreußen, Westpreußen, Ostbrandenburg, Pommern oder Schlesien waren. So ließ die katholische Pfarrei St. Marien in Viersen-Hamm am Niederrhein 2008 eine Leihglocke aus ihrem Kirchturm entfernen und in den bei Danzig gelegenen Ort Langenau bringen, um sie der heute polnischen Gemeinde St. Nikolaus zu übergeben. In ähnlicher Weise verfuhr die katholische Gemeinde Herz Jesu in Mönchengladbach 2015 mit einer Glocke aus dem niederschlesischen Ort Reichenau, die über 50 Jahre die Gläubigen in Rheydt zur Messe in St. Johannes gerufen hatte. 

Manfred Rekowski, ehemaliger Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und geboren im masurischen Moythienen, sorgte 2019 dafür, dass ein Abendmahlskelch aus Mensguth in Ostpreußen der heute dort bestehenden evangelisch-augsburgischen Gemeinde überreicht wurde, welche über ihre Zugehörigkeit zur Pfarrei Passenheim ein partnerschaftliches Verhältnis mit der evangelischen Kirchengemeinde in Mönchengladbach-Rheydt pflegt. 

Fehlgeleitete Presseberichte in der Art des Münsteraner Falls begleiteten jeweils das Handeln der Kirchenvertreter. Ob Kirchenglocken oder klerikale Gegenstände, in allen diesen Fällen handelte es sich um deutsches Kulturerbe aus deutschen Kirchengemeinden in deutschen Städten, das durch die Wirren des Krieges seinen Weg in den Westen Deutschlands gefunden hatte. Bis zur Übergabe an die polnischen Gemeinden im heutigen Ostpreußen, Westpreußen oder Schlesien hatten sich die Gegenstände zu keinem Zeitpunkt auf polnischem Staatsgebiet befunden. Von einer „Rückkehr nach Polen“ kann somit keine Rede sein. Auch kann nur „zurückgegeben“ werden, was dem jeweils anderen zuvor gehörte. 

In diesem Zusammenhang sei am Rande auch an die Auslieferung von zumeist aus den preußischen Ostprovinzen stammenden 3661 Kirchenbüchern an die polnische katholische Kirche in den Jahren 2001/2002 durch die Kardinäle Lehmann und Glemp erinnert.

Es ist zu begrüßen, wenn die Kirchen im Sinne der Verständigung Kontakte knüpfen und Partnerschaften mit polnischen Gemeinden pflegen. Die beschriebenen Begebenheiten lassen jedoch ebenfalls deutlich werden, wie gering das Geschichtsbewusstsein in Bezug auf den historischen deutschen Osten in unserem Lande ist. Das in den Westen gerettete ostdeutsche Kulturgut sollte in der Bundesrepublik zur Förderung der Erinnerungskultur eingesetzt werden. Das ist 100 Jahre nach den Volksabstimmungen im südlichen Ostpreußen, im westpreußischen Gebiet Marienwerder und Oberschlesien bitter nötig. Kulturhistorisch besonders wertvolle Objekte sollten zudem dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg, dem Ostpreußischen Kulturzentrum in Ellingen, dem Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen oder anderen für die jeweiligen historischen ostdeutschen Kulturlandschaften zuständigen Institutionen zugeführt werden. Eine solide Replik kann ebenfalls eine freundliche Geste im Sinne von Verständigung und guter Partnerschaft darstellen. Darüber könnten sich auch die Mitglieder der verbliebenen deutschen Volksgruppe in Ostpreußen oder Schlesien freuen, die in Ehrendorf und Mensguth Teil des Gemeindelebens sind.