28.03.2024

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Folge 15-21 vom 16. April 2021 / Ostpreußischer Forscher / Ein Ostpreuße im Ewigen Eis / Erich Dagobert von Drygalski erkundete die Antarktis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-21 vom 16. April 2021

Ostpreußischer Forscher
Ein Ostpreuße im Ewigen Eis
Erich Dagobert von Drygalski erkundete die Antarktis
Wolfgang Kaufmann

Für die Polarforschung ist es unerheblich, wer als erster am Pol steht.“ Dies war das Credo von Erich Dagobert von Drygalski, der zu den größten Antarktis-Pionieren seiner Zeit zählte.

Der Geograph, Geophysiker und Geodät (ein Fachmann des Vermessungswesens) wurde am 9. Februar 1865 in Königsberg geboren. Sein Vater Fridolin fungierte als Direktor des Kneiphöfischen Gymnasiums und bahnte ihm den Weg in die Wissenschaft. Dabei hatte von Drygalski bereits mit elf Jahren das Schlüsselerlebnis, das die ganze spätere Forscherkarriere des Ostpreußen bestimmen sollte: Er stieß beim Wandern auf einen während der Eiszeit nach Süden verschobenen Findling. Über die Eisverhältnisse in nordischen Regionen schrieb von Drygalski dann auch seine Doktorarbeit, die von keinem Geringeren als dem damals höchst prominenten deutschen Geographen und Forschungsreisenden Ferdinand von Richthofen betreut wurde.

Nach vier Jahren Tätigkeit am Geodätischen Institut und Zentralbüro der internationalen Erdmessung in Berlin avancierte von Drygalski zum Leiter zweier von der Berliner Gesellschaft für Erdkunde ausgesandten Westgrönland-Expeditionen. Mit diesen Erkundungsfahrten, die 1891 und 1892/93 stattfanden, begründete er seinen Ruf als exzellenter Polarfachmann. Und so war es nur zu verständlich, dass die Deutsche Kommission für Südpolarforschung ihm 1898 die Führung der ersten deutschen Expedition in die Antarktis anvertraute.

Das Unternehmen begann am 11. August 1901 mit dem Auslaufen des Forschungsschiffes „Gauß“ in Kiel. An Bord befanden sich 32 Expeditionsteilnehmer, darunter neben von Drygalski die Geowissenschaftler Friedrich Bidlingmaier und Emil Philippi, der Arzt und Bakteriologe Hans Gazert sowie der Botaniker und Zoologe Ernst Vanhöffen.  

Nutzen der Wissenschaft

Am 21. Februar 1902 sichtete man erstmals unbekanntes Land in der Antarktis südlich der Davis-See, das nach Kaiser Wilhelm II. benannt wurde, der die Expedition höchstpersönlich mit 1,2 Millionen Mark gefördert hatte. Die „Gauß“ steckte ab dem 1. März rund 50 Seemeilen vor der Küste im Eis fest – ein Zustand, der bis zum 8. Februar 1903 anhielt. Im Verlauf dieses knappen Jahres sammelten die Forscher unzählige meteorologische und zoologische Daten. Außerdem unternahmen sie sieben längere Schlittenfahrten durch die Umgebung. Und am 29. März 1902 stieg von Drygalski mittels des an Bord befindlichen Fesselballons bis auf 500 Meter Höhe auf, wobei er einen erloschenen Vulkan in 80 Kilometern Entfernung entdeckte, der den Namen „Gaußberg“ erhielt. Um das Schiff wieder freizubekommen, streuten die Forscher schließlich dunkle Asche auf das Eis vor der „Gauß“, woraufhin dieses schmolz und eine Fahrrinne freigab. Danach segelte das Schiff nach Kapstadt, wo die Besatzung Nachricht erhielt, dass die Reichsregierung keine Mittel für einen weiteren Aufenthalt in der Antarktis bereitstellte, und die „Gauß“ nach Kiel zurückkehren müsse, wo sie am 23. November 1903 auch eintraf. Der Hauptgrund für die Verweigerung der Genehmigung eines erneuten Vorstoßes nach Süden war die Enttäuschung von Kaiser Wilhelm II. über den Verlauf der Forschungsreise: Während die gleichzeitig stattfindende British National Antarctic Expedition unter Robert Falcon Scott erstmals bis 82 Grad 17 Minuten südlicher Breite vordringen konnte, erreichten die Deutschen nur 66 Grad Süd. Von Drygalski konterte die diesbezüglichen Vorwürfe indes mit den Worten: „Nicht um Sensationen zu erregen, sind wir in die Antarktis gezogen, sondern zum Nutzen der Wissenschaft.“ Und die konnte tatsächlich sehr von der sogenannten „Gauß-Expedition“ profitieren, wovon beispielsweise die 35 Bände und fünf Atlanten künden, die der Südpolarforscher zwischen 1905 und 1931 herausgab. Letztlich war der wissenschaftliche Ertrag seiner Forschungsreise größer als der jeder anderen Antarktis-Expedition während der „heroischen Phase“ der „Eroberung“ des sechsten Kontinents.

1906 folgte von Drygalski einem Ruf an die Universität München, wo er den Lehrstuhl für Erdkunde und Geophysik erhielt und das Geographische Institut gründete. In diesem wirkte der Polarforscher bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1935. So führte er allein 84 Doktoranden zur Promotion. Außerdem nahm von Drygalski 1910 an einer Studienreise nach Spitzbergen teil, deren Ziel darin bestand, die Tauglichkeit von Zeppelinen unter arktischen Bedingungen zu testen. Späterhin durchwanderte er auch noch große Gebiete in Nordamerika und Sibirien, um anthropogeographische Studien zu betreiben.

Erich von Drygalski starb am 10. Januar 1949 kurz vor seinem 84. Geburtstag in München. An den Ostpreußen, der die Geowissenschaften zu seiner Zeit so entscheidend mitgeprägt hatte, erinnern heute unter anderem das Drygalski-Becken, die Drygalski-Insel, die Drygalski-Berge und der Drygalski-Gletscher in der Antarktis sowie der Mount Drygalski auf der Insel Heard im Indischen Ozean und der Drygalski-Krater in der Südpolarregion des Mondes.