19.04.2024

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Folge 16-21 vom 23. April 2021 / Politik / Das offene Ende eines Machtkampfes / Der Ausgang des Streits um die Kanzlerkandidatur von CDU und CSU hinterlässt mehr ungeklärte Fragen als Antworten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-21 vom 23. April 2021

Politik
Das offene Ende eines Machtkampfes
Der Ausgang des Streits um die Kanzlerkandidatur von CDU und CSU hinterlässt mehr ungeklärte Fragen als Antworten
René Nehring

Nun also Armin Laschet. Mit der Erklärung des CSU-Vorsitzenden Markus Söder am Dienstag, das jüngste Votum des CDU-Bundesvorstandes zugunsten des Vorsitzenden der größeren Schwesterpartei akzeptieren zu wollen, geht ein Machtkampf zu Ende, der schon jetzt als historisch bezeichnet werden kann. 

Nach wie vor werfen die Umstände des Ringens mehr Fragen auf als das Ergebnis Antworten gibt. Dabei ist diejenige, wie die Wahlkampfstrategen von CDU und CSU in den Monaten bis zur Bundestagswahl die behauptete Einigkeit zwischen den beiden Schwesterparteien inszenieren wollen, noch eine der nachrangigeren. 

Viel gravierender ist da schon, wie souverän ein Vorsitzender im Amt ist, wenn seine Unterstützer wiederholt kundtun, dass er unbedingt Kanzlerkandidat werden müsse, da er sonst auch als Parteichef nicht mehr haltbar sei. Nicht unerheblich ist auch die Frage, was eine Abstimmung im Bundesvorstand zur Ermittlung eines Meinungsbildes der Partei eigentlich wert ist, wenn zahlreiche Parteigranden zuvor berichten, dass bis auf Laschets Landesverband Nordrhein-Westfalen die Mitglieder an der Basis den Bayer Söder favorisieren würden? 

Und was soll es, wenn Kommentatoren wie der FAZ-Herausgeber Berthold Kohler nach der Nominierung schreiben, dass sich Laschet mit der bestandenen „Feuertaufe“ das Kanzleramt – wohlgemerkt: nicht die Kandidatur (!) – „verdient“ habe? Wovon sprechen wir hier eigentlich? Sind die Führungsfragen von Volksparteien zu einer Casting-Show verkommen, bei der es nicht mehr um den Kurs des Landes geht, sondern darum, dem Sieger irgendeinen Vertrag zu überreichen? 

Fragen stellen muss sich unterdessen auch die CSU. Allen voran, wie lange sie es sich gefallen lassen will, dass sie zwar regelmäßig so viele Wählerstimmen für die gemeinsame Union einfahren kann wie kein anderer Landesverband der CDU, in der entscheidenden Frage der Kanzlerkandidatur jedoch stets hinter der großen Schwesterpartei zurückstehen soll. 

Distanz zur Basis

Zum Rennen um die Spitzenkandidatur der Union gehört auch, dass sich die Parteispitze der CDU nicht zum ersten Mal über den Willen der Basis hinweggesetzt hat. Zweimal gelang es ihr, den bei vielen Mitgliedern populären Friedrich Merz als Nachfolger Angela Merkels im Parteivorsitz zu verhindern. Im Ergebnis hat die Partei mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet jeweils Vorsitzende bekommen, die schon wenige Wochen nach der Wahl höchst umstritten waren. 

Die wiederholte Diskrepanz zwischen dem Willen der Basis und dem Adenauer-Haus wirft nicht zuletzt die Frage auf, ob die Union auf Dauer eine Volkspartei bleibt – oder sich allmählich zu einer Partei der Funktionseliten entwickelt? Schon jetzt erscheint es fragwürdig, warum sich die einfachen Mitglieder im Wahlkampf für einen Spitzenkandidaten einsetzen sollen, den die meisten von ihnen offenkundig nicht wollten. 

Immerhin: Dem oft unterschätzten Laschet ist es in den vergangenen Jahren gelungen, mit Nordrhein-Westfalen ein Land für seine Partei zurückzuerobern, das jahrzehntelang fest in sozialdemokratischen Händen war. Weitestgehend geräuschlos führt er die Landespolitik in einem ruhigen Fahrwasser und bildet mit Exponenten wie dem Innenminister Reul und dem Sozialminister Laumann ein breites programmatisches Spektrum ab wie kaum ein anderer Unions-Landesverband. Und anders als beim inhaltlich oft sehr sprunghaften Söder wissen Freunde und Gegner bei Laschet in der Regel, woran sie sind. 

Die entscheidende Frage ist letztlich, ob es Laschet gelingt, der Union im Wahlkampf ein inhaltliches Profil zu geben, das sich wieder von den Grünen unterscheidet. Ansonsten könnten manche Wähler versucht sein, ihr Kreuz gleich beim programmatischen Original zu setzen. Allein die Art und Weise, in der die Grünen die Kanzlerkandidatur Annalena Baerbocks ausgehandelt haben, dürfte nicht wenige bürgerliche Wähler beeindruckt haben.