24.04.2024

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Folge 16-21 vom 23. April 2021 / Parlamentswahlen / Showdown in Schottland / Unabhängigkeitsbefürworter hoffen bei der Wahl auf eine Mehrheit – Doch das Lager ist gespalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-21 vom 23. April 2021

Parlamentswahlen
Showdown in Schottland
Unabhängigkeitsbefürworter hoffen bei der Wahl auf eine Mehrheit – Doch das Lager ist gespalten
Claudia Hansen

In Westminster blicken Boris Johnson und die Konservativen mit Sorge auf die anstehende Wahl in Schottland, in Edinburg fiebert Nicola Sturgeon einem Sieg entgegen. Die Wahl zu dem in Edinburg Stadtteil Holyrood gelegenen Parlament am 6. Mai könnte der seit gut 14 Jahren regierenden Schottischen Nationalpartei (SNP) so viele Stimmen bringen, dass sie ein neues Unabhängigkeitsreferendum auf den Weg bringen kann, hofft der linksgerichtete „First Minister“ (Regierungschef) Sturgeon. Derzeit sieht es nach den Umfragen so aus, dass die SNP unter einer absoluten Mehrheit bleibt. Zusammen mit den Grünen könnte es aber klappen.

2014, beim ersten Unabhängigkeitsreferendum, lehnte eine deutliche Mehrheit der Schotten (55 Prozent) eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ab. Doch vergangenes Jahr – als die Corona-Politik der Johnson-Regierung in Westminster schlecht aussah – zeigten Umfragen eine Mehrheit für die Unabhängigkeit. Zwar sind diese Werte wieder geschrumpft, doch Sturgeon glaubt fest daran, dass die Schotten unabhängig sein wollen. „Schottland in Europa“ lautet das Motto der schottischen Brexit-Gegner.

Sexaffäre entscheidet Wahl mit

Ein Störfaktor ist die neue Konkurrenz der Partei „Alba“, die Sturgeons früherer politischer Ziehvater Alex Salmond vor einigen Wochen gegründet hat. Salmond ist tief gefallen. Er war zwei Jahrzehnte SNP-Vorsitzender, amtierte von 2007 bis 2014 als erster SNP-Ministerpräsident. Vor drei Jahren aber kamen Klagen von jüngeren Beamtinnen über sexuelles Fehlverhalten gegen ihn auf. Sogar von Vergewaltigung war die Rede. In der undurchsichtigen Affäre war zum Schluss kaum noch klar, wer gelogen und wer die Wahrheit gesagt hatte. 

Der verheiratete Salmond sprach von einvernehmlichen Sexualkontakten, er wurde letztlich 2020 freigesprochen und beschuldigte Nachfolgerin Sturgeon, sie habe unfaire Ermittlungen gegen ihn inszeniert. Ihrem Ehemann, dem SNP-Geschäftsführer Peter Murrell, warf er eine Verschwörung zu seinem Sturz vor.

Die Rückkehr Salmonds auf die politische Bühne droht die Verhältnisse in Holyrood kompliziert zu machen. „Times“-Kolumnist Alex Massie nannte die Alba-Gründung „das politische Äquivalent eines Rache-Pornos“. Der 66-jährige Salmond ist zwar inzwischen eine unpopuläre Figur in Schottland, hat aber noch eine kleine verschworene Fangemeinde und könnte sechs Prozent der Listenstimmen bekommen. Er verspricht, zu einer „Supermehrheit“ beitragen zu wollen. Andere meinen, er spalte das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter. Salmond spricht eher ältere, konservativere Wähler an, Sturgeons SNP hat sich indessen ganz auf die „progressive“ Seite geschlagen.

Das ist das Besondere der schottischen „Nationalisten“: Sie stehen in allen gesellschaftspolitischen Fragen weit links. Seit einigen Jahren ist die SNP, die nach dem Referendum von 2014 viele Tausende junge Neumitglieder anzog, weit vorn dabei, wenn es um das Thema „LGBT“ (Lesben, Schwule, Bi- und Transgender) geht. 

Rot-grüne Nationalisten

Jüngst hat das Parlament in Holyrood auf Betreiben des SNP-Justizministers Humza Yousaf ein Gesetz gegen „Hatespeech“ (Hassrede) durchgesetzt, dass die Redefreiheit empfindlich einschränkt. Wer angeblich „hasserfüllte“ Äußerungen gegen Menschen aufgrund ihrer Religion oder der sexuellen oder Transgender-Identität macht, soll strafrechtlich belangt werden. Yousaf bestätigte, dass sogar Äußerungen innerhalb der eigenen Wohnung bestraft werden könnten.

Die SNP ist im Grunde eine rot-grüne Partei, die sich „schottisch national“ nennt, weil sie gegen Westminster ist. Sturgeon meint, ein unabhängiges Schottland könnte bald wieder Mitglied der Europäischen Union werden. Viele praktische Fragen der Unabhängigkeit sind aber keineswegs geklärt. Eine neue Landgrenze quer durch die Insel und neue Handelsbarrieren würden den Handel behindern. Laut einer Studie von Wissenschaftlern der London School of Economics dürfte die Unabhängigkeit längerfristig einen großen wirtschaftlichen Schaden von sieben bis acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts anrichten.

Ein eigenständiges Schottland müsste sparen, weil es keine milliardenschweren Fiskal-Transfers von London mehr bekäme. Davon ist aber im Wahlkampf kaum die Rede. Die in Schottland wenig beliebten Konservativen kommen laut Umfragen nur auf 25 Prozent, Labour knapp über 20 Prozent. Wenn das Ergebnis knapp wird, erwarten Beobachter, dass Boris Johnson einem neuen Referendum die Zustimmung verweigert.