25.04.2024

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Folge 16-21 vom 23. April 2021 / Leitartikel / Die Missachtung der Kinder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-21 vom 23. April 2021

Leitartikel
Die Missachtung der Kinder
René Nehring

Was macht eigentlich Greta Thunberg zurzeit? Die schwedische Schülerin, die im Sommer 2018 ihren „Schulstreik für das Klima“ ausrief und anschließend fast das gesamte Jahr 2019 hindurch mit ihrer Bewegung „Fridays For Future“ (FFF) die weltweiten Schlagzeilen beherrschte. Mit großen Worten beklagte Greta damals, dass die Erwachsenen ihnen mit der Ignoranz gegenüber dem Klimawandel angeblich die Zukunft gestohlen hätten. 

Kritiker wiesen damals darauf hin, dass hier eine Jugend aufbegehrte, die von ihren Vorfahren keineswegs eine Schutthalde erbte, sondern eine Welt mit dem größten Wohlstand, der größten sozialen Sicherung und der höchsten Lebenserwartung in der Geschichte überhaupt. Dennoch erfuhren Greta und ihre Freunde den Zuspruch vieler großer Namen der Weltpolitik, die sich angeblich sorgten um das Wohl künftiger Generationen. 

An diese Zeit sei erinnert angesichts der Art und Weise, in der die politischen Entscheider in Zeiten von Corona mit dem Kindeswohl umgehen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Pandemie die stärkste Beeinträchtigung der Lebenschancen einer heranwachsenden Generation seit dem Zweiten Weltkrieg sein wird. 

Doch erstaunlicherweise gehen die gleichen Kommentatoren, die vor zwei Jahren noch vorgaben, an nichts anderes zu denken als an das Wohl der Kinder, heute über deren Schicksal schweigend hinweg. Während die Zahlen der neuen Corona-Fälle, der belegten Intensivbetten sowie der an und mit COVID-19 Verstorbenen Tag für Tag auf allen medialen Kanälen dokumentiert und diskutiert werden, sind die ausgefallenen Unterrichtsstunden, die dramatische Zunahme an häuslicher Gewalt in prekären Elternhäusern und die ebenso besorgniserregende Zunahme von Depressionen kein Thema. 

Eine vergessene Generation

Als die Gesellschaft vor einem Jahr gewahr wurde, dass die Abriegelung der Alten- und Pflegeheime zum Schutz vor Corona dazu führte, dass tausende Menschen die letzten Tage ihres Lebens in Einsamkeit verbringen mussten, gab es immerhin ein gewisses Entsetzen. Doch dass hunderttausende Kinder in einem wichtigen Lebensabschnitt ihre Lehrer und Freunde nur noch vom Bildschirm her kennen, dass sie zu Hause sitzend kaum noch Bewegung haben, dafür jedoch an den digitalen Spielekonsolen täglich neue Rekorde aufstellen, spielt im einstigen Land der Dichter und Denker kaum eine Rolle. 

Ganz im Gegenteil: Obwohl inzwischen etliche wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Coronavirus vor allem in geschlossenen Räumen weitergegeben wird, fiel der Politik für die überarbeitete Infektionsschutzgesetzgebung als zentrale Maßnahme lediglich eine Ausgangssperre ab 21 Uhr ein. Hinzu kommen Schulschließungen ab einem Inzidenzwert von 165, für den es keinerlei nachvollziehbaren Grund gibt. Beide Maßnahmen treffen wieder einmal vor allem die Kinder und Jugendlichen. 

Unstrittig sind jedoch die Folgen dieser Ignoranz. Schon jetzt haben allein die Unterrichtsausfälle ein Maß erreicht, das mit keinem Überstundenmarathon mehr aufgeholt werden kann. Was dies für die Perspektiven der Betroffenen in der modernen Wissensgesellschaft bedeutet, liegt auf der Hand. 

Nochmal zurück zu 2018/19: Warum bestärkten große Teile in Politik und Medien die Jugend in ihrem Protest zu einer Zeit, als es den meisten Heranwachsenden so gut ging wie keiner Generation zuvor? Und warum ignorieren die gleichen Personen heute das Schicksal der Mädchen und Jungen zu einem Zeitpunkt, wo diese infolge einer Pandemie tatsächlich um ihre Zukunft bangen müssen? Ist ihnen das Wohl der Kinder in Wahrheit egal, solange sie es nicht für eigene politische Ziele instrumentalisieren können? Die Kinder – und mit ihnen ihre Eltern – sollten auf Antworten zu diesen Fragen drängen.