20.04.2024

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Folge 16-21 vom 23. April 2021 / Aufstand an der Pleiße / ARD zeigt zur besten Sendezeit einen Film über Öko-Aktivisten in der DDR – Als junge Rebellen die friedliche Revolution auslösten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-21 vom 23. April 2021

Aufstand an der Pleiße
ARD zeigt zur besten Sendezeit einen Film über Öko-Aktivisten in der DDR – Als junge Rebellen die friedliche Revolution auslösten
Anne Martin

Eine dunkelhaarige junge Frau steht auf einer Treppe und lässt Flugblätter in einen Innenhof rieseln – ein Bild, das den Vergleich mit der Studentin Sophie Scholl heraufbeschwört, die im Februar 1943 das sechste und verhängnisvolle Flugblatt im Lichthof der Münchner Universität auslegte und dabei gefasst wurde. Die Szene ist nicht zufällig gewählt, Analogien zu den jungen Widerstandskämpfern im Dritten Reich sind durchaus erwünscht. 

In dem ARD-Film „Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution“ (28. April um 20.15 Uhr) wird die Geschichte junger Leipziger Umwelt-Aktivisten erzählt, die zunächst nur gegen die Verschmutzung des Flüsschens Pleiße protestieren, deren Bewegung dann aber Fahrt aufnimmt und den Boden für die friedliche Revolution bereitet, die zum Fall der Mauer und eines maroden Regimes führen wird. 

Dass der Film erst jetzt gezeigt wird und nicht im Jubiläumsjahr der deutschen Vereinigung, ist der Pandemie geschuldet. Eigentlich war der 30. September 2020 als Ausstrahlungstermin geplant, aber Corona-bedingt waren die Dreharbeiten für mehrere Monate unterbrochen. Auch das Drehbuch wurde angepasst. So wurde eine Szene aus geschlossenen Räumen heraus an einen Badesee verlegt. Frische Luft und Abstand – die Corona-Regeln bestimmen längst die Arbeit der Regisseure. 

Jugendliche mit grünem Herz

Es ist im Fernsehen schon viel erzählt worden über den Zusammenbruch der DDR. Fluchtgeschichten, Wendegeschichten wie die „Weißensee“-Saga, Dokumentationen über die Treuhand oder die ins chilenische Exil geflüchteten Honeckers, und doch gibt es immer noch unbekannte Kapitel. Wem ist eigentlich bewusst, dass die große Revolution von Jugendlichen angestoßen wurde? 

Der Film nach dem gleichnamigen Buch von Peter Wensierski zeigt zunächst eine Gruppe junger Menschen, die sich in einem Abbruchhaus in der Leipziger Mariannenstraße treffen, die unbeschwert feiern und dann den Umweltschutz für sich entdecken. Er beschreibt die Gegenspieler von der Stasi, deren Methoden das Volk spalten, in jene, die das SED-Regime stützen, andere, die in den Untergrund abtauchen, sowie die große Masse derer, die sich arrangieren und das Glück im Privaten suchen. 

Der Urgrund der Revolution entzündet sich an dem Flüsschen Pleiße, das sich träge und ölig schillernd durch das Gebiet der Chemieanlagen und des Braunkohleabbaus rund um Leipzig, Bitterfeld und Halle schlängelt. Der verseuchte Fluss ist nur ein Indiz für viele Umweltsünden der DDR, etwa die ungefilterte Luft aus den Braunkohleanlagen, die vermutlich auch das schwere Asthma auslöste, an dem der Bruder der Hauptfigur Franka Blankenstein (Janina Fautz) als Kind gestorben ist. Typisch für den sozialistischen Unrechtsstaat, dass die tödliche Gefahr vertuscht wird, dass die Eltern mit der Aussicht auf eine Parteikarriere und eine Wohnung mit fließend Wasser und Zentralheizung ruhiggestellt werden. 

Archivierte Geruchsproben

Inka Friedrich spielt die Mutter Renate Blankenstein, Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes mit angststarrer Angepasstheit. Bloß nichts infrage stellen, auch wenn die Tochter ihr zusehends entgleitet. Die Leipziger Rebellen treffen sich zunächst in einer Kirche, bis der Pastor ihnen die Tür weist. Aber der Stein ist längst ins Rollen geraten.

Was so spielerisch und leicht begann, nimmt Fahrt auf und ist nicht mehr aufzuhalten. Nicht durch die Eltern, die ihr linientreues Leben verteidigen. Nicht durch die Stasi-Schergen, die in ihrer ganzen Bosheit und Intriganz gezeigt werden. „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ steht jetzt auf den Plakaten der jungen Rebellen. 

Als eine von vielen Zersetzungsmethoden gilt die „Vorladung von Personen zu staatlichen Dienststellen mit glaubhafter oder unglaubhafter Begründung“. Frankas Freund Stefan (Ferdinand Lehmann) wird es genauso erleben. Unter einem Vorwand wird der junge Krankenpfleger festgenommen, im Verhör unter Druck gesetzt und gedemütigt. Eine Geruchsprobe seiner Unterwäsche wird archiviert, um ihm bei einem Fluchtversuch Spürhunde auf den Hals hetzen zu können. Im Stasi-Museum in Leipzig sind bis heute solche Geruchsproben archiviert.

Ein TV-Nachschlag folgt 

Die jungen Leipziger setzten sich eben – anders als heutzutage etwa Greta Thunberg und die Klimaaktivisten – einer realistischen Gefahr aus. Sie landen im Gefängnis, sie werden drangsaliert und eingeschüchtert. Das mag auch die Relevanz dieses Films betonen: „Es saßen so viele junge Menschen im Knast, wegen nichts. Und niemand spricht mehr darüber,“ sagt Ufa-Produzentin Henriette Lippold. Die infamen Methoden der Stasi wirken dabei tief in private Beziehungen hinein. Der von der Stasi drangsalierte Stefan etwa ist über Nacht verschwunden und wird daraufhin hämisch als Inoffizieller Mitarbeiter verleumdet. Eine Lüge, wie der Film zum Happy End aufklärt. 

Die Revolution, die aus einer Jugendbewegung heraus ihren Anfang nahm, endete friedlich, wie man weiß. Aber die Aufarbeitung ist noch lange nicht zu Ende. Bereits abgedreht ist die sechsteilige Serie „ZERV“, eine Abkürzung für die „Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität“ mit Nadja Uhl und Fabian Hinrichs. Am 13. August jährt sich der Tag des Mauerbaus zum 60. Mal, jenes „antifaschistischen Schutzwalls“, bei dessen Überwindung 140 Menschen starben. Sinnbild für ein menschenverachtendes Regime ist Peter Fechter, der von DDR-Grenzern angeschossen wurde und im Todesstreifen verblutete. In einem ähnlichen Alter wie die Protagonisten des Films, die mit ihrem Protest Repressalien und hohe Gefängnisstrafen riskierten, womöglich sogar ihr Leben. Alles erst wenige Jahrzehnte her.