26.04.2024

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Folge 16-21 vom 23. April 2021 / Jubiläum / Münchhausens Lügenenkel / Karriere in der Rheinprovinz – Vor 225 Jahren wurde der preußische Autor Karl Immermann geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-21 vom 23. April 2021

Jubiläum
Münchhausens Lügenenkel
Karriere in der Rheinprovinz – Vor 225 Jahren wurde der preußische Autor Karl Immermann geboren
Harald Tews

„Welch einen großen Dichter haben wir Deutschen verloren ohne ihn jemals recht gekannt zu haben! Wir, ich meine Deutschland, die alte Rabenmutter!“ Die Wehklage, die Heinrich Heine 1840 zum Tod von Karl Leberecht Immermann anstimmte, könnte bis heute fortgesetzt werden. Man kennt ihn immer noch nicht so recht, obwohl sich mindestens zwei seiner Romane zu Klassikern der deutschen Literatur entwickelt haben und obwohl er als Theatermann in Düsseldorf Spuren hinterlassen hat, die heute noch in der Rheinmetropole nachwirken.

An der Heinrich-Heine-Allee befindet sich das Düsseldorfer Opernhaus, dessen Gründung auf das Stadttheater Düsseldorf zurückgeht, welches wiederum drei Jahre lang von Immermann als Direktor geprägt wurde. Das damals bis zu seinem Umzug am Marktplatz ansässige und Grupellotheater genannte Stadttheater ging als „Immermann’sche Musterbühne“ in die Theatergeschichte ein. Gemeinsam mit dem Dramatiker Christian Dietrich Grabbe sowie kurze Zeit mit Felix Mendelssohn Bartholdy als Dirigenten wollte Immermann eine Art Nationaltheater mit einem festen Ensemble etablieren nach Goethes Vorbild in Weimar.

Allerdings waren Immermanns Pläne so kostspielig, dass er sein Vorhaben 1837 wieder aufgeben musste. Damit endete auch seine Karriere als Dramatiker. Diese Laufbahn schlug er neben seiner juristischen Tätigkeit ein, die er zur Absicherung des Lebensunterhalts ausübte. Darin glich er seinem Vorbild E.T.A. Hoffmann, der sein künstlerisches Talent nicht in Beamtenstuben verkümmern lassen ließ.

Der am 24. April 1796 als Sohn eines hohen preußischen Regierungsbeamten in Magdeburg geborene Immermann verfasste als Kriminalrat in Magdeburg und später als Landgerichtsrat in Düsseldorf eine Unzahl von Lustspielen und Dramen, von denen aber kaum eines die Zeiten überdauern sollte. Nach seinem Scheitern als Theaterleiter am Sitz des Provinziallandtags der preußischen Rheinprovinz konzentrierte er sich auf erzählende Literatur. Und das gelang ihm besser.

Eine Kostprobe seines Könnens gab er schon 1830 mit seinem satirischen Versepos „Tulifäntchen“, das heute sogar in einer Fassung als Kinderhörspiel aufgelegt wird und in dem sich ein zwergenhafter Ritter als riesenhafter Möchtegern-Held aufspielen möchte. Zu großer Form lief Immermann dann selbst mit zwei gigantischen Romanen auf. In „Epigonen“ legte er 1836 einen im Geist von Goethes „Wilhelm Meister“ nachempfundenen Bildungsroman vor, in dem der Held Hermann auf seinen Wanderungen zu sich selbst die Borniertheit und den Snobismus der zwischen Restauration und Revolution schwankenden Gesellschaft des Vormärz ironisch analysiert.

Noch virtuoser geriet sein „Münchhausen“-Roman von 1838/39. In einer verschachtelten Handlung, ähnlich der wie Laurence Sternes „Tristram Shandy“, stellt er einen Enkel jenes Lügenbarons vor, den Gottfried August Bürger gut ein halbes Jahrhundert zuvor dem deutschen Lesepublikum vorgestellt hatte. Genau wie sein großer Vorfahr lügt dieser Münchhausen seinen Zuhörern das Blaue vom Himmel herunter. Sie glauben ihm alles, nur um belogen werden zu wollen – ein Phänomen der „Fake“-Wahrheiten, das man heute wieder beobachten kann.

Hätte Immermann mehr Zeit zum Märchenerzählen gehabt, würde „Rabenmutter Deutschland“ ihn besser gekannt haben. Allerdings starb er schon mit nur 44 Jahren in Düsseldorf, wo unweit der Oper immerhin eine Bronzestatue im Hofgarten an ihn erinnert.