27.04.2024

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Folge 16-21 vom 23. April 2021 / Ostpreußische Museumsstücke / Eine wundersame Rettung / Ein silberner Bucheinband der Löbenichtschen Kirche in Königsberg findet den Weg nach Lüneburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-21 vom 23. April 2021

Ostpreußische Museumsstücke
Eine wundersame Rettung
Ein silberner Bucheinband der Löbenichtschen Kirche in Königsberg findet den Weg nach Lüneburg
Joachim Mähnert

Eine der besonderen Herausforderungen des Ostpreußischen Landesmuseums betrifft das Zusammentragen der auszustellenden Kulturgüter: Keine andere Region Deutschlands wurde 1945 schwerer verwüstet, und nirgends waren die Kulturgutverluste höher. Vieles fiel den Kämpfen, dem Chaos und den Plünderungen bei Flucht und Vertreibung zum Opfer. Manches verschwand als Reparationsleistung in die Sowjetunion und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Nicht zuletzt war die fehlende Wertschätzung der deutschen Geschichte Ostpreußens bis 1990 der Erhaltung des materiellen Kulturerbes nicht gerade förderlich. 

Kein Wunder also, dass viele der Ausstellungsstücke im Ostpreußischen Landesmuseum nur deswegen erhalten sind, weil sie bereits vor 1945 Ostpreußen verlassen hatten. Andere umgibt eine oft dramatische Rettungsgeschichte. Dies gilt auch für diesen fein gearbeiteten Silbereinband von 1681 für eine leider verloren gegangene liturgische Schrift. Er entstammt dem Kirchenschatz der Löbenichtschen Kirche in Königsberg. Sein Weg nach Lüneburg war voller Abenteuer und Rätsel.

Die Kirche selbst fiel dem verheerenden Luftangriff auf Königsberg im August 1944 zum Opfer. Glücklicherweise war das entbehrliche Silber zuvor heimlich in eine verborgene Gruft unter dem Gotteshaus eingemauert worden. Nur drei Personen kannten den Ort, darunter der damalige Gemeindepfarrer Hugo Linck (1890-1976). Wenig später traf eine Luftbombe ausgerechnet die Kirchenruine; die Wucht der Explosion warf den Schatz ungeschützt ans Tageslicht.

Pfarrer Linck konnte nur noch wenige und meist beschädigte Reste des Schatzes retten. Bei der Eroberung der Stadt konnte er sie erfolgreich versteckt halten. In der nun folgenden, schrecklichen Zeit im besetzten Königsberg, der rund 100.000 Zivilisten zum Opfer fielen, fand Linck als „letzter Pfarrer von Königsberg“ höchste Anerkennung. Aufopferungsvoll kümmerte sich das Ehepaar Linck um die Menschen in den Ruinen der ostpreußischen Hauptstadt. Geistiger Zuspruch war in dieser Zeit der Rechtlosigkeit und Gewalt, des Hungers, der Krankheiten und des Sterbens ein wertvolles Gut. 

Rettung unter Lebensgefahr

Erst 1948 ließen die Sowjets die überlebenden gut 20.000 Deutsche ausreisen. Hugo Linck hat diese Zeit in einem 1952 erschienenem Buch eindrücklich geschildert.

Erstaunlich, dass er in einer solchen Situation das lebensgefährliche Risiko einging, die wenigen Silberstücke herauszuschmuggeln. Die Rettung glückte. Im Westen angekommen übergab er den Schatz einem Vertreter des ost­preußischen Bruderrats, womit sich die Spur dieser Kostbarkeiten zunächst verlor. Linck selbst hatte über seine tollkühne Tat erst 1970 öffentlich berichtet. Aber neben Linck hatte ein weiterer der drei vom Gruft-Versteck Wissenden überlebt. Dessen Enkel, in Dresden mit Erzählungen dieser Episode aufgewachsen, begab sich nach der Wende als engagierter Königsberger auf Spurensuche. Mehr zufällig erfuhr er von der Übergabe an Lincks Kollege vom Bruderrat und kam so zu einem von diesem begründeten evangelischen Stift, inzwischen eine Senioren- und Sozialeinrichtung. Und tatsächlich – dort hing an einer Wand im Treppenhaus ein aufwendig besticktes Altartuch von 1711 aus Löbenicht! 

Die Spur war wieder heiß. Weitere zeitintensive Nachforschungen förderten auch die übrigen Teile des Silberschatzes zutage. Diese frohe Botschaft wurde im Königsberger Bürgerbrief berichtet und den Kuratoren des Ostpreußischen Landesmuseums zugetragen.

Das Verhandeln begann. Da die Provenienz sich eindeutig belegen ließ, war die Eigentumsfrage bald geklärt. Die Eigentümerin Evangelische Kirche in Deutschland, aber auch das evangelische Stift selbst, begrüßten eine Leihgabe nach Lüneburg, wo diese wertvollen Stücke mit ihrer spannenden Geschichte nun in der Dauerausstellung zu sehen sind.






Dr. Joachim Mähnert ist der Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums mit Deutschbaltischer Abteilung und Brauereimuseum, Heiligengeiststraße 38, 21335 Lüneburg, Internet: www.ol-lg.de