18.04.2024

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Folge 16-21 vom 23. April 2021 / Hinterpommern / Der Durchstich bei Dievenow / Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Dievenow um 1,5 Kilometer verkürzt und die Insel Wollin um die gleiche Strecke verlängert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-21 vom 23. April 2021

Hinterpommern
Der Durchstich bei Dievenow
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Dievenow um 1,5 Kilometer verkürzt und die Insel Wollin um die gleiche Strecke verlängert
Erwin Rosenthal

An der alten Reichsstraße 111 –auf der Insel Usedom früher gleichzeitig die Bäderstraße – reihen sich die Ostseebäder Zinnowitz, Koserow, Kölpinsee, Bansin, Heringsdorf, Ahlbeck und Swinemünde wie Perlen auf einer wunderschönen Kette aneinander. Die Straße führt schließlich über die Prittersche Halbinsel nach Liebeseele und Dargebanz (Insel Wollin) und von dort aus bis nach Gollnow. 

Perlenkette der pommerschen Ostseebäder

Bei Liebeseele gibt es einen Abzweig. Hier begann die Reichsstraße 165 – die Bäderstraße der Ostseeinsel Wollin. Sie führte über Misdroy, Neuendorf, Kolzow, Swantuß und Dievenow bis zur Herzogsstadt Cammin. Eine Perlenkette wie die Usedomer Bäder bilden die Wolliner Ostseebäder mitnichten. Einzig Misdroy, Primus unter den Wolliner Bädern und ewiger Konkurrent von Swinemünde und Heringsdorf, war stets ein mondänes Bad. Neuendorf und Heidebrink hingegen punkteten vor allem mit einem schönen breiten Sandstrand und dichten Buchenwäldern. Man konnte hier in der Ostsee baden, im Wald wandern, Pilze suchen oder auch im Neuendorfer See beziehungsweise im Camminer Bodden angeln.

Rollbahn für den Fliegerhorst

Im Nordosten der Insel, auf dem Trendel, einer Nehrung, die sich dem hinterpommerschen Festland entgegenstreckt, führt eine schnurgerade Straße nach West-Dievenow, Dievenow und zur Brücke über die Dievenow. Diese Straße diente während des Krieges als Rollbahn für den „Fliegerhorst Land und See Dievenow“. Die Vermutung, dass die Ansiedlung an der Mündung der Dievenow (in Analogie zu Swinemünde und Peenemünde) Dievenowmünde heißt, bestätigt sich nicht. Der Ort trägt den gleichen Namen wie der Strom. 

Die Erklärung für dieses Phänomen ist simpel: Die Dievenow mündete früher weiter westlich, in der Nähe von Heidebrink, in die Ostsee. Erst der in den Jahren 1898 bis 1900 wegen der ständigen Versandung des Stroms vorgenommene „Durchstich“ verlegte die Mündung nach Dievenow. Der Durchstich hatte den Weg der Schiffe zum offenen Meer um 1,5 Kilometer verkürzt und die Insel Wollin um die gleiche Strecke verlängert. Der frühere Mündungsarm, der heutige Tote See, wurde im Osten zugeschüttet, während im Westen die Natur seinen Abschluss durch eine Düne besorgte. 

Bereits 1588 Planung für einen neuen Hafen

Raumer, der Chronist der Insel Wollin, berichtet, dass der Pommernherzog Johann Friedrich bereits im Jahre 1588 bei Dievenow einen neuen Hafen anlegen wollte. Er ließ hierzu einen etwa vier Meter breiten, zwei Meter tiefen und mehrere hundert Meter langen Kanal zwischen der Dievenow und der Ostsee graben, den er als Erster mit einem Boot passiert haben soll. Der Kanal versandete jedoch schnell wieder, da die technischen Voraussetzungen zum Schließen der alten Mündung fehlten.

Das heutige Ostseebad Dievenow [Dziwnów] ist aus den früher selbstständigen Orten West-Dievenow, Ost-Dievenow, Berg-Dievenow und Klein-Dievenow (auch Wald-Dievenow genannt) zusammengewachsen. Der älteste der vier Orte, das auf der Insel Wollin gelegene Fischerdorf Dievenow – noch 1930 gab es hier 48 selbstständige Fischer – expandierte im Jahre 1701 auf das rechte Ufer des Stromes. Die neue Ansiedlung erhielt den Namen Ost-Dievenow, während der ursprüngliche Ort nun West-Dievenow hieß. 

Die Verbindung zwischen den Orten sicherte zunächst ein Fährmann, später eine hölzerne Brücke. Der Ort galt als Geheimtipp für jene Badegäste, die dem städtischen Trubel entfliehen wollten und den Fußweg von 15 Minuten zum ruhigen Ostseestrand nicht scheuten. Während der NS-Zeit wurde das Leben im Ort durch den Flugplatz dominiert, dessen Kasernen auch noch heute genutzt werden.

10.000 Solbäder am Tag aus dem Fürst-Bismarck Solesprudel

Das See-, Sol- und Moorbad Ost-Dievenow hatte seine ersten Gäste im Jahre 1844 empfangen. Das Kurhaus war im Jahre 1891 von einem Berliner Bankgeschäft errichtet worden. Hinter dem Gebäude befand sich ein Park mit der Strandhalle und einem Restaurant. Die Solquelle des Ortes, der Fürst-Bismarck-Solesprudel, hatte eine Kapazität von 10.000 Bädern täglich. Im Jahre 1925 hatte der Ort 287 Einwohner.  

Das See- und Solbad Berg-Dievenow, seinerzeit mit 450 Einwohnern die größte der vier Ortschaften, hatte bereits im Jahre 1827 die ersten Kurgäste empfangen. Schwärmerisch wurde der Ort mit seinen Bädern, Anlagen, Hotels und Pensionen „eine Perle im Kranze der pommerschen Ostseebäder“ genannt. Berge gibt es hier allerdings nicht, die bis zu 15 Meter hohen Dünen gaben dem Ort den Namen. 

Im Verlauf der Jahre wuchs Berg-Dievenow mit dem benachbarten Ost-Dievenow zusammen. Beide Bäder, die auf einer lediglich 400 Meter breiten und sechs Kilometer langen Nehrung des pommerschen Festlandes liegen, fusionierten im Jahre 1925 zum Ostseebad Dievenow. Der vierte Ort, Wald Dievenow beziehungsweise Klein Dievenow, liegt etwa zwei Kilometer weiter östlich.