28.03.2024

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Folge 17-21 vom 30. April 2021 / „... in vielen Bereichen ein Sanierungsfall“ / Über die Hinterlassenschaften der Ära Merkel für Deutschland und die Union, das Agieren der Bundesregierung während der Corona-Pandemie und die Zukunft der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-21 vom 30. April 2021

„... in vielen Bereichen ein Sanierungsfall“
Über die Hinterlassenschaften der Ära Merkel für Deutschland und die Union, das Agieren der Bundesregierung während der Corona-Pandemie und die Zukunft der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU
René Nehring

Im Gespräch mit Carl-Dieter Spranger

Er gilt als Urgestein der CSU, war unter anderem drei Jahrzehnte Abgeordneter und acht Jahre Bundesminister in der Ära Helmut Kohl. Insofern kennt Carl-Dieter Spranger nicht nur das Innenleben der Union, sondern er weiß auch um die programmatischen Fundamente, auf denen die beiden Schwesterparteien einst errichtet wurden. Umso besorgter sein Blick auf deren Lage in der Gegenwart. 

Herr Spranger, Sie haben in Ihrer Zeit als Abgeordneter und Minister zahlreiche politische Höhen und Tiefen der jüngeren Geschichte erlebt. Wie blicken Sie heute, in Zeiten der Corona-Pandemie, ganz allgemein auf die deutsche Politik? 

Mit großer Sorge – vor allem wegen der bisher propagandistisch und finanziell verschleierten Folgen von 16 Jahren Merkelismus. Die Bundeskanzlerin hat mit ihren Gefolgsleuten in der Partei die CDU und Deutschland in vielen Bereichen zum Sanierungsfall gemacht. 

Inwiefern? 

Merkel hat mit ihren Gefolgsleuten Deutschland auf den Weg zu einer rot-grünen Republik gebracht. Mit unzähligen Entscheidungen wie Ausstieg aus der Kernenergie und Wehrpflichtpraxis, bei Euro-„Rettung“, Transfer- und Schuldenunion, illegale Masseneinwanderung, sozialdemokratische Koalitionsverträge und Personalentscheidungen sowie Absage an Markenkerne der Union in der Wirtschafts-, Rechts-, Bildungs- und Familienpolitik. 

Wäre Deutschland ohne Merkel heute ein anderes Land? 

Natürlich. Und zwar ein Land ohne die eben beschriebenen Fehlentwicklungen. 

Die Bewertung des Wandels der letzten Jahre verläuft meistens zwischen den beiden Polen „notwendige Modernisierung“ und „inhaltlich-programmatische Entkernung“. Wie bewerten sie diesen Prozess? 

Mit „Modernisierung“ haben diese rot-grüne Infizierung von CDU und CSU und deren Folgen nichts zu tun. Sondern eher mit einer Abkehr von vielen Fundamenten der früheren Union unter Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Helmut Kohl und Franz Josef Strauß.

Während der letzten Monate standen im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung immer wieder fachlich zuständige CDU-Politiker in der öffentlichen Kritik. Neben der Bundeskanzlerin vor allem Gesundheitsminister Spahn und Wirtschaftsminister Altmaier. Wie bewerten Sie das Agieren der Schwesterpartei der CSU in den vergangenen Monaten? 

Die Politik dieser Drei schadete und schadet sowohl Deutschland als auch dem Ansehen der Union. Leider lässt die Union dies zu.

Wo sehen Sie die Ursachen dafür, dass manche Minister den Eindruck vermitteln, überfordert zu sein? 

Sie vermitteln ja nicht nur den Eindruck, sie sind überfordert – und auch nicht qualifiziert für die ihnen gestellten Aufgaben. Die einfallslosen Lockdown-Maßnahmen mit weitgehender Lahmlegung des öffentlichen Lebens ersetzen nicht den Schutz und die Kontrolle im Privaten und Beruflichen durch schnellen, umfassenden Maskenschutz, durch Impfen und Testen. Bei der Corona-App, der Auszahlung von Staatshilfen, dem Existenzschutz von Selbstständigen, Klein- und Mittelständlern in Handel, Gastronomie, Kultur, Sport, Touristik hat die Bundesregierung erhebliche Fehler gemacht.

Vor allem die Kanzlerin wirkt während der Corona-Zeit wiederholt planlos, konzeptlos und führungsschwach. Zu Beginn der Pandemie kämpfte sie lange für offene Grenzen, anstatt – auch im Zusammenspiel mit der EU – durch Kontrollen dafür zu sorgen, dass das Virus gar nicht erst nach Deutschland und Europa kommt. Sie vermasselte die Impfstoff-Bestellung ebenso wie die Beschaffung ausreichender Testkapazitäten. Die jüngsten Dramen waren das Chaos um die „Oster-Ruhe“, die die Kanzlerin den Deutschen zunächst verordnete, um sie kurz darauf wieder zurückzurufen, sowie zuletzt der „Bundes-Lockdown“, der nach Medienberichten selbst von den Juristen des Kanzleramts kritisch betrachtet wurde. Wie bewerten Sie die Führung der Bundeskanzlerin in der Krise? 

Die Kanzlerin wirkte nicht nur so – sie war planlos, konzeptlos und führungsschwach. Sie ist eben das Hätschelkind der rot-grünen Medienkartelle, insbesondere der öffentlich-rechtlichen, und der beeinflussenden bezahlten Meinungsumfrageindustrie. Das sieht man in einer Ernstfall-Situation wie der Pandemie, wo sich schwer vertuschen lässt, ob jemand führen kann oder nicht. 

Zum Chaos um die „Oster-Ruhe“ hatte Merkel immerhin gesagt, dass sie dafür die alleinige Verantwortung übernimmt. Zugleich hat sie im Anschluss weitergemacht, als wäre nichts geschehen. Hätte sie zurücktreten oder wenigstens die Vertrauensfrage stellen müssen? 

Die österliche Verzeihungsbitte war sicherlich ein geschickter Schachzug. Viele bekundeten Respekt, anstatt Merkel das von ihr angerichtete Chaos vorzuhalten. Ein Rücktritt oder die Vertrauensfrage kamen für sie natürlich nicht in Betracht, wie auch nicht früher bei den oben genannten viel schwerwiegenderen Fehlern.

Und wie bewerten Sie das Agieren der CSU in dieser Zeit? Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat ja von Beginn an den strengen „Corona-Sheriff“ gegeben. Damit hat er zwar hohe Zustimmungswerte eingefahren – andererseits das Infektionsgeschehen im Freistaat Bayern auch nicht in den Griff bekommen. 

Leider ja. Und leider hat sich unter Markus Söder auch die CSU dem Merkel-Kurs angepasst, sodass die Union heute kaum noch unterscheidbar von Rot-Grün ist. 

Welche Folgen wird all dies für die Union haben? Kann sie noch die große Kraft der Mitte sein? Immerhin hat sie die Abwanderung wirtschaftsliberaler und konservativer Anhänger sowie die Entstehung einer neuen Partei neben sich zugelassen. 

Die seit Jahren schlechten Wahlergebnisse der CDU und das Entstehen der AfD, auf das Sie anspielen, sind nur eine der Folgen. Wie eingangs gesagt, sorge ich mich vor allem darum, dass der Niedergang der CDU eine rot-grün bestimmte Republik mit all ihren Fehlentwicklungen befördert. 

Im kommenden Herbst steht die Wahl zum nächsten Bundestag an. Wer kann Ihrer Meinung nach am besten die Union aus der Krise führen? 

Das weiß ich nicht. 

Als gemeinsamer Kanzlerkandidat der Union steht nun zumindest Armin Laschet fest. Auf dem Weg zu seiner Nominierung ist Deutschland Zeuge eines seltenen Schauspiels geworden: Zunächst gelobten die Vorsitzenden von CDU und CSU öffentlich, in großer Einigkeit einen Kandidaten nominieren zu wollen – und anschließend rangen sie dann hinter den Kulissen mit allen Mitteln um das Amt. Wie bewerten Sie diesen Prozess? 

Dieser Prozess war sicherlich nicht schön, aber demokratisch legitimiert und gestaltet. Die Kampagnen dagegen waren hingegen so verlogen wie die Lobhudeleien über die duale Hinterzimmer-Mauschelei der beiden grünen Vorsitzenden, die mit „demokratisch“ nichts zu tun hatte. 

Und wie werten Sie das Ergebnis, dass die Union nun mit Armin Laschet als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl zieht?  

Der Kandidat Laschet macht mir weniger Sorge als der Zustand der CDU, wie ihn Merkel und ihre Gefolgsleute verschuldet haben. 

In den Tagen nach der Entscheidung sickerte durch, dass mehrere CDU-Größen in nächtlicher Runde Markus Söder und seinem Generalsekretär Markus Blume ultimativ klargemacht hätten, unter keinen Umständen einen CSU-Kandidaten akzeptieren zu können, weil ansonsten die CDU auseinanderzufallen drohe und sich die Partei gleich wieder einen neuen Vorsitzenden suchen müsse. Sollte man einen Kandidaten nicht danach aussuchen, wer die größten Siegchancen hat?  

Sollte das „Durchgesickerte“ stimmen, wäre das eine skandalöse Erpressung. Natürlich sollte der Kandidat mit den besten Chancen nominiert werden. Doch wer ist das? Die bezahlte und oft gesteuerte Meinungsforschungsindustrie oder die rot-grünen Medienkartelle insbesondere der Öffentlich-Rechtlichen zum Maßstab zu machen, wäre keine verantwortungsvolle Politik. 

Und was sagt es über den Zustand der CDU unserer Tage aus, dass sie mit der Schwäche ihres Vorsitzenden argumentieren muss, um diesen für die Spitzenkandidatur durchzudrücken?  

Das zeigt abermals, wie Merkel und ihre Gefolgsleute die CDU demoliert haben. 

Im Anschluss an das harte Ringen haben sowohl Söder als auch Laschet die Einigkeit der Union betont. Aber wie kann diese Einigkeit praktisch funktionieren, wenn die größere Parteienschwester zwar regelmäßig und gern die Stimmen der kleineren mitnimmt (die CSU holt ja im Bundestag allein zumeist ein Fünftel bis ein Viertel der Fraktionsmandate), dieser aber den Zugriff auf die Kanzlerkandidatur immer nur dann überlässt, wenn sie sich selbst den Sieg nicht zutraut? 

Die Weigerung der CDU, einen CSU-Kandidaten zu akzeptieren, erschüttert zweifelsohne die Fundamente der Union von CDU und CSU. Die Christlich-Soziale Union in Bayern ist eine selbstständige Partei und keine Filiale der CDU. Auf dieser Grundlage muss die Union neu gegründet werden. Eine Gefahr für die gemeinsame Fraktionsgemeinschaft sehe ich zwar nicht, aber eine gute Basis für eine gedeihliche Zusammenarbeit waren die Umstände der letzten Wochen sicherlich auch nicht.

Das Interview führte René Nehring.





Zur Person 

Carl-Dieter Spranger ist seit 1968 Mitglied der CSU und war von 1972 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags. Von 1982 bis 1991 war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern. 

Von 1991 bis 1993 war Spranger Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie von 1993 bis 1998 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.