23.04.2024

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Folge 17-21 vom 30. April 2021 / „Wiederaufbaufonds“ / Harsche Kritik am Verschuldungsprogramm / Wie der Ex-AfD-Chef Bernd Lucke kritisieren auch Konrad-Adenauer-Stiftung und Bundesrechnungshof die Entwicklung der EU zur Fiskalunion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-21 vom 30. April 2021

„Wiederaufbaufonds“
Harsche Kritik am Verschuldungsprogramm
Wie der Ex-AfD-Chef Bernd Lucke kritisieren auch Konrad-Adenauer-Stiftung und Bundesrechnungshof die Entwicklung der EU zur Fiskalunion
Norman Hanert

Nachdem die EU-Kommission bei der Beschaffung von Impfstoffen versagt hat, muss Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun fürchten, dass bei ihrem Großprojekt „Green Deal“ die Ziele verwässert werden. Eigentlich strebt die Kommission bis 2050 an, in der EU die Netto-Emissionen von sogenannten Treibhausgasen auf null zu reduzieren. Nun zeigt sich bei den Verhandlungen zur sogenannten Taxonomie-Verordnung, dass eine größere Gruppe nationaler Regierungen doch andere Vorstellungen hat, wenn es konkret wird. 

Die Verordnung soll auflisten, welche Arten von Produktion künftig als „klimaverträglich“ angesehen werden. Gleich neun Regierungen, darunter auch die polnische, wollen allerdings erreichen, dass die Umrüstung ihrer Stromwirtschaft von Kohle auf Erdgas auch als „nachhaltig“ eingestuft wird. Im verhärteten Streit hat die Kommission inzwischen die Notbremse gezogen und das gesamte Verordnungsprojekt zunächst einmal vertagt. 

Erspart geblieben ist Kommissionschefin von der Leyen vorerst auch eine Niederlage beim sogenannten Corona-Hilfsfonds. Wie das Bundesverfassungsgericht am 21. April mitteilte, hat es einen Eilantrag abgelehnt, mit dem die Schuldenaufnahme durch die EU für den sogenannten Wiederaufbaufonds (NextGenerationEU) gestoppt werden sollte. In der Sache hatte ein „Bündnis Bürgerwille“ um den früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Über das Projekt „NextGenerationEU“ mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro will die EU Schulden auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. 

Gericht lehnt Eilantrag ab

Die Kläger um Lucke sind der Ansicht, dass laut den Europäischen Verträgen der EU-Haushalt „vollständig aus Eigenmitteln“ finanziert werden müsse. Mit dem Vorhaben sieht das Bündnis zudem unkalkulierbare finanzielle Risiken auf die deutschen Steuerzahler zukommen. Das „wäre noch schlimmer als Eurobonds, weil Deutschland für die EU-Schulden nicht nur haften würde, wenn ein anderer Staat insolvent wäre, sondern auch, wenn dieser einfach nur aus der EU austräte“, so das Bündnis.

Offenbar hat auch der Bundesrechnungshof (BRH) bei den Verschuldungsplänen der EU Bedenken. Aus einem Prüfbericht des Rechnungshofs, der im März an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung geschickt wurde, geht hervor, dass Deutschland möglicherweise mit einer weit höheren Summe haften muss als mit dem offiziell ausgewiesenen Nettobeitrag von 65 Milliarden Euro. 

Als kritisch sieht der Bundesrechnungshof, dass bislang noch nicht geklärt ist, welchen Anteil die einzelnen Länder bei der Tilgung der EU-Schulden übernehmen müssen. Dies soll bei den Verhandlungen über die nächste EU-Finanzperiode festgelegt werden. Die Gespräche dazu laufen aber erst 2028 an. 

Die Rechnungsprüfer wiesen ebenso auf das Risiko hin, dass die EU-Kommission beim Zahlungsausfall einzelner EU-Staaten im Extremfall Deutschland mit bis zu 20 Milliarden Euro pro Jahr für die Tilgung heranzieht. Laut dem Bericht des Rechnungshofs wecken zudem die „negativen Erfahrungen aus den bisherigen EU-Programmen“ auch „Zweifel an der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes“. 

Bundesrechnungshofpräsident Kay Scheller regte an, der Bundestag könnte in einer Entschließung deutlich machen, dass das neue Finanzinstrument „keine Dauereinrichtung“ sein solle. 

Demgegenüber signalisieren einige Politiker, dass sie den Corona-Hilfsfonds nur als Auftakt beziehungsweise als Einstieg in einen Dauerzustand sehen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte im Bundestag, der Hilfsfonds lege mit Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung nicht nur die Grundlage für eine bessere Zukunft, sondern bedeute auch den „Weg in die Fiskalunion“. 

Scholz sagte weiter, damit vollende die EU, was mit Blick auf den Binnenmarkt und die gemeinsame Währung jahrelang als Problem erschienen sei. Auch der Staatsminister für Europa, Michael Roth (SPD), sprach von einem „überfälligen Schritt“ in Richtung Fiskalunion.

Stiftung sieht einen Dammbruch

Kritik am Corona-Aufbaufonds brachte dagegen die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in einem Positionspapier vor. Die Stiftung sieht in dem Fonds den ersten Schritt in eine Transfer- oder Schuldenunion. Der durch gemeinsame Schulden finanzierte Rettungsfonds stellt aus Sicht der KAS einen Dammbruch dar. Es bestehe die Gefahr, dass zukünftig in Krisensituationen Gründe gefunden werden, erneut gemeinsame Anleihen aufzunehmen. 

Zumindest mit Blick auf den EU-Corona-Hilfsfonds dürfte die gemeinsame Verschuldung kaum noch zu stoppen sein. Die Karlsruher Richter werden sich zwar noch im Hauptverfahren mit der Verfassungsbeschwerde befassen, aber schon bei der Ablehnung des Eilantrages teilten die Richter mit: „Bei summarischer Prüfung“ lasse sich eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Verfassungsverstoß allerdings nicht feststellen.“ 

Vorbehaltlich der Ratifizierung in allen anderen EU-Mitgliedsstaaten kann Brüssel damit die schuldenfinanzierte Auszahlungskasse in Betrieb nehmen. Das Geld soll über sechs Jahre ausbezahlt werden und vor allem in „Klimaschutz“ und Digitalisierung fließen. Brüssel erwartet zum Stichtag 30. April von den nationalen Regierungen Verwendungspläne für die Geldflut. 

Im Fall von Italien ist die EU-Kommission laut einem Medienbericht bislang nicht zufrieden. Das Kabinett von Ministerpräsident Mario Draghi ist daher möglicherweise gezwungen, im Mai einen überarbeiteten Verwendungsplan einzureichen. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte sich der zuständige EU-Kommissar Paolo Gentiloni skeptisch gezeigt, dass die Bürokratie Italiens gerüstet sei, die Summe sinnvoll zu verteilen.