11.05.2024

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Folge 17-21 vom 30. April 2021 / Leicht verletzliche Kulturkämpfer / Bücher werden inhaltlich gesäubert, Filme und Serien mit Warnhinweisen versehen – In der Kunst breitet sich der Tugendterror aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-21 vom 30. April 2021

Leicht verletzliche Kulturkämpfer
Bücher werden inhaltlich gesäubert, Filme und Serien mit Warnhinweisen versehen – In der Kunst breitet sich der Tugendterror aus
Harald Tews

Die Kultur wird in den kommenden Jahren einen großen Wandel erleben. Das hat weniger mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Kulturszene zu tun als mit einem Kulturkampf, dessen Anfänge wir gerade erleben. Wenn weiße Übersetzer ohne Migrationshintergrund nicht mehr oder nicht nur alleine das Werk einer afroamerikanischen Dichterin übersetzen dürfen, wie im Falle von Amanda Gorman mit ihrem Huldigungsgedicht auf Joe Biden jüngst in Spanien, den Niederlanden oder eben auch in Deutschland zu erleben (die PAZ berichtete), dann ist das nur eines von vielen Anzeichen dieser kulturellen Revolution.

Eine Minderheit von links-alternativen-feministischen-LGBT+ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender etc.) -Aktivisten, die sich für aufgeklärt hält oder – wie es im Englischen heißt – für „woke“ (wach, erwacht), will eine Gender-Sprache durchdrücken, gegen „kulturelle Aneignung“ ankämpfen und generell die „Herrschaft“ des – natürlich rassistischen – „alten weißen Mannes“ beenden.

Angeheizt durch die „MeToo“- und „Black Lives Matter“-Bewegung toben an US-Universitäten bereits regelrechte Grabenkämpfe, die zu Zensur, Verboten und der „Cancel Culture“, dem Ausschluss abweichender Meinungen, führten. Sollten die Grünen ab September die Regierungsverantwortung mit übernehmen, kann man auch hierzulande mit einer Entfesselung des Kulturkampfes rechnen.

Wuchernde Gender-Biotope

Die Grundlagen dafür sind längst gelegt. In der Sprache haben wir uns an das Gender-Sternchen, Binnen-I oder -Doppelpunkt zu gewöhnen (Bürger*innen, LehrerInnen, Mieter:innen). Der Duden ist mit seinen Genderempfehlungen bereits ebenso vorgeprescht wie manche Kommunen, die ein neues Behördendeutsch vorschreiben, oder einige Nachrichtensendungen und Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender.

Um einer Diskriminierung von Minderheiten vorzubeugen, sind Ausdrücke wie Zigeuner, Indianer oder Neger tabu. Die Egmont-Ehapa-Media, in der Walt Disneys „Lustige Taschenbücher“ erscheinen, hat bereits kapituliert und angeblich anstößige Stellen gesäubert. Der Lkw in einer Micky-Maus-Geschichte fährt nicht mehr mit der Aufschrift „Negerküsse-International Export“ wie in früheren Auflagen. Neuerdings fährt er ohne „Negerküsse“.

Allerorten stehen Bücher, Comics, Filme und Lieder auf dem Prüfstand. Kinderbuchautoren bekamen das als Erste zu spüren. Damit ängstliche Eltern beim Vorlesen von Astrid Lindgrens „Pipi Langstrumpf“ oder Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ bei Ausdrücken wie „Negerlein“ oder „Chinesenmädchen“, die bei ihren Kindern einen Schockzustand auslösen könnten, nicht eine Schweigepause einlegen müssen, haben deren deutsche Verlage in neueren Ausgaben diese Wörter entweder gestrichen oder durch andere ersetzt. Oder ganz in den Giftschrank gestellt wie im Fall des US-Kinderbuchautors Dr. Seuss, dessen Erben entschieden haben, sechs seiner Bücher vom Markt zu nehmen, weil in seinen Karikaturen zum Beispiel stereotyp mit Stäbchen essende Chinesen zu sehen sind.

Geht das so weiter, hat die Kulturpolizei weit mehr zu tun als Winston Smith, der in Orwells „1984“ alte Texte im Sinne des autoritären Regimes umschreibt. Eingriffe in Texte fremder Autoren vorzunehmen, ist eigentlich tabu. Neu ist es nicht. Zensurmaßnahmen, Textschwärzungen, jugendfreie Kürzungen, Überpinselungen nackter Tatsachen in der Malerei oder Filmkontrollen gab es in den Künsten schon immer. Neu ist auch nicht, dass es wieder einmal von linker Seite erfolgt.

Auslöser dieses Mal ist die „Generation Beleidigt“. So bezeichnet die französische Autorin und Mitarbeiterin der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ Caroline Fourest in ihrer gleichnamigen Streitschrift (Edition Tiamat, 144 Seiten, 

18 Euro) diese in feministischen Gender-Biotopen herangezüchtete Generation, die auf stereotypische Darstellungsweisen hochverletzlich reagiert und dahinter sogenannte Mikroaggressionen vermutet. Legendär wurde der Fall einer jungen Amerikanerin, die sich zur Geburtstagsfeier einen japanischen Kimono überzog und arglos ein Foto von sich in den sozialen Netzwerken veröffentlichte. Prompt erlebte sie einen Shitstorm und wurde wegen „kultureller Aneignung“ und „Yellowfacing“ an den Pranger gestellt.

Klassiker auf den Scheiterhaufen

Asiatische, indianische – sorry, heute sagt man indigene Völker – oder schwarzafrikanische Randgruppen sehen sich gerne in einer moralisch überlegenen Opferrolle, wenn Weiße sie imitieren oder ihren Habitus übernehmen. Die Filmindustrie hat bereits ein Problem damit, weil schwarze oder „diverse“ Rollen nur von Schauspielern entsprechender Ethnie oder sexueller Orientierung gespielt werden dürfen. So ist die israelische „Wonder Woman“-Darstellerin Gal Gadot für eine „Kleopatra“-Neuverfilmung laut Tugendpolizei nicht schwarz genug und der „Apollo“-Regisseur Ron Howard nicht asiatisch genug, um das Leben des chinesischen Starpianisten Lang Lang zu verfilmen. Hollywood-Star Scarlet Johansson verzichtete vorsichtshalber freiwillig auf die Filmrolle eines Transgender-Mannes – weil sie selbst nicht „divers“ ist. 

Folge: Die Schere im Kopf wird immer größer und die Freiheit der Kunst durch Selbstzensur immer eingeschränkter – und humorloser. Die „Muppet Show“, in der wir über einen als Zigeuner auftretenden Peter Sellers oder Johnny Cash, der vor einer Konföderiertenfahne singt, lachten, wäre heute undenkbar. Disney hat diese Folgen in seinem Bezahlformat jetzt mit Warnhinweisen versehen: Diese Programme enthielten „negative Darstellungen und/oder die nicht korrekte Behandlung von Menschen und Kulturen“. 

Im Prinzip müsste man solche Triggerwarnungen an fast jedes Kunstwerk heften: „Ilias“ – Gewalt; „Der Kaufmann von Venedig“ – Antisemitismus; „Faust“ – Teufelsverherrlichung, Frauenfeindlichkeit; „Tom Sawyer“ – Rassismus ... Am besten gleich alles aussortieren und auf den Scheiterhaufen damit.

Der US-Politologe Francis Fukuyama hat schon 2018 in seinem Buch „Identität“ die Gefahr erkannt, dass der Kampf um Gleichberechtigung benachteiligter Gruppen die Demokratie und Kunstfreiheit gefährdet. „Identitätspolitik“ ist inzwischen zum ideologischen Kampfbegriff linker Gruppen geworden, die ihre kulturelle, ethnische oder sexuelle Identität in Minderheitennischen suchen. Die nationale Identitätsfindung früherer Zeiten verliert sich jetzt ins Sektiererische, nur ist sie weit radikaler. Diese Identität fußt nicht auf einer tradierten Nationalkultur, sondern darauf, die bestehende „weiße“ Kultur zurückzudrängen und durch neue Minderheitenkulturen zu ersetzen. 

Aus Angst, es sich mit den Minoritäten zu verscherzen, machen viele Künstler den Kotau vor dem Tugendterror und schreiben, malen, singen politisch korrekt. Die jüngste Oscar-Filmverleihung, die eine Feier der Diversität war, steht symptomatisch für diesen Kulturwandel.