19.04.2024

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Folge 17-21 vom 30. April 2021 / Transrapid-Vorläufer / Lückenfüller zwischen Eisenbahn und Flugzeug / Vor 50 Jahren stellte Messerschmitt-Bölkow-Blohm den ersten Prototypen einer Magnetschwebebahn zur Personenbeförderung vor. 30 Jahre zuvor hatte Hermann Kemper ein Patent auf seine „Schwebebahn“ erhalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-21 vom 30. April 2021

Transrapid-Vorläufer
Lückenfüller zwischen Eisenbahn und Flugzeug
Vor 50 Jahren stellte Messerschmitt-Bölkow-Blohm den ersten Prototypen einer Magnetschwebebahn zur Personenbeförderung vor. 30 Jahre zuvor hatte Hermann Kemper ein Patent auf seine „Schwebebahn“ erhalten
Hermann Flessner

Die ersten Gedanken zur Ausgangserfindung für eine magnetisch schwebende Bahn kamen dem Diplom­ingenieur Hermann Kemper schon um 1922. Nach drei ersten diesbezüglichen Patenterteilungen wurde von ihm im August 1938 ein weiteres unter dem simplen Titel „Schwebebahn“ angemeldet, das am 8. Mai 1941 vom deutschen Reichspatentamt erteilt und bekanntgemacht wurde. Auf diesem Patent beruhen praktisch alle Entwicklungen von Magnetschwebebahnen, die bis heute weltweit durchgeführt wurden. 

Mit ihm ging es Kemper nicht nur um räderloses Fahren, sondern auch um einen Fahrbetrieb in einer dichten Röhre mit rundem Querschnitt, in der die Luft stark verdünnt wird, um den Luftwiderstand zu reduzieren. Er schlägt das Einfüllen von Wasserstoff vor, wodurch bei gleichem Druck der Widerstand um das bis zu Zehnfache verringert werden kann. Kemper dachte an eine „Rohrbahn“, ähnlich wie eine Rohrpost, für Geschwindigkeiten bis zu 1500 Kilometern in der Stunde. 

Der Zweite Weltkrieg unterbrach seine Arbeiten. Fast dreißig Jahre vergingen, da traf Kemper 1966 während eines Kuraufenthaltes in Bad Wörishofen auf Ludwig Bölkow, den Gründer des Flugzeugherstellers Bölkow GmbH, der 1969 Teil von Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) wurde. Nun ging es weiter. 

Zwar wurde die Idee der Rohrbahn nicht weiter verfolgt, denn die wichtigen Fragen, bei welcher Geschwindigkeit die Schallmauer in verdünnter und mit Wasserstoff aufgefüllter Luft durchbrochen wird, wie sich das auswirkt und wie gefährlich das ist, konnten bis heute nicht geklärt werden. Dafür gab es aber inzwischen eine weiter entwickelte Leistungselektronik und vor allem Computer, mit deren Hilfe eine Umsetzung der ersten Ideen Kempers zu der in Deutschland entwickelten Schwebebahn Transrapid möglich war. 

Minister Leber war begeistert

Ab 1970 baute die Firma Messerschmidt-Bölkow-Blohm in München das erste Funktionsmodell einer Schwebebahn-Teststrecke, die Kemper noch erleben konnte. Am 6. Mai 1971 stellte MBB auf dem Werksgelände in Ottobrunn den ersten Prototypen einer Magnetschwebebahn (Maglev, Magnetic Levitation Train) zur Personenbeförderung vor. Besonders der damalige Bundesverkehrsminister, Georg Leber, war begeistert. Der Sozialdemokrat förderte das Vorhaben und verlieh Kemper 1972 als dem „Nestor des elektromagnetischen Schwebens“ das Große Bundesverdienstkreuz. 

Ein wichtiges Argument für die Absichten, neben den schon bestehenden Verkehrsgeräten Schiff, Eisenbahn, Automobil und Flugzeug ein weiteres in Schwebetechnik einzuführen, war und ist besonders heute das Füllen einer Nische, nämlich der zwischen einer immer noch und sicher auch weiterhin gültigen oberen Grenze für eine wirtschaftliche und ökologisch vertretbare Fahrgeschwindigkeit der Eisenbahnen von zirka 300 Kilometern in der Stunde und den wirtschaftlichsten Fluggeschwindigkeiten oberhalb von rund 800 Kilometern pro Stunde. Man dachte zunächst vor allem an „Schwebegeschwindigkeiten“ ab 300 bis 600 Kilometer pro Stunde, also Hochgeschwindigkeiten, selbst bei kurzen Verbindungs- beziehungsweise Zubringerstrecken wie in Shanghai und in München. Diese Vorgabe ist aber inzwischen aufgegeben, seit Ressourcenschonung allerhöchste Priorität hat und man weiß, dass unter allen Verkehrssystemen bei der Magnetbahntechnik mit Abstand am meisten Energie gespart und die Umwelt am wenigsten geschädigt wird. 

Ein weiteres kommt hinzu: der enorme Materialverschleiß im Eisenbahnbetrieb, speziell an Rädern und Schienen. Er ist zwar grundsätzlich bekannt, wurde bisher jedoch eigentlich immer verharmlost beziehungsweise verdrängt. Allein der Stahlabrieb an den Laufflächen der Eisenbahnräder ist gewaltig. Ein einziges fabrikneues Rad eines ICE-Zuges zum Beispiel verliert bis zu seiner Ausmusterung, das heißt bis zum Erreichen der Verschleißgrenze nach zwei bis drei Jahren, etwa 66 Kilogramm Stahl. Bei einem ganzen ICE-Zug mit 14 Waggons sind das ungefähr 7,4 Tonnen abgeschrubbter Stahl, der als Pulver auf das Gleisbett fällt und als Rost die Gleise braun färbt oder einfach verweht. Betrachtet man nur die rund 260 ICE-Züge in Europa, die schon 2008 eine tägliche Verkehrsleistung von mehr als 300.000 Kilometern erbrachten, dann sind das 443 Tonnen Stahl in zwei bis drei Jahren. Alle anderen Züge in Europa sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Vom Abrieb an den Schienenköpfen in fast gleich großer Menge ist hier auch noch nicht einmal die Rede.

Beim abgebildeten Prototypen von 1971 wurde die elektromagnetische Energie zum Antrieb über die mittig angeordnete Schiene übertragen, die Seitenführung erfolgte über die Schienen an beiden Rändern des Fahrzeugs. Der Prototyp hat bis heute verschiedene Änderungen an Fahrzeug und Fahrweg erlebt. Beim deutschen Transrapid werden sowohl Antrieb als auch Führung über elektromagnetische Statoren an den Seitenrändern der Fahrwegplatten erledigt. Dabei umfasst der Fahrzeug-Unterbau die Platten, was ein entgleisungssicheres Fahren sicherstellt. 

Ohne hier auf alle neuen zwischenzeitlichen Entwicklungen einzugehen, sei hervorgehoben, dass eine Nutzung der Schwebetechnik für den Güterverkehr speziell in Europa eine vorrangige Bedeutung erlangen wird. Im Vordergrund steht dabei der Gütertransport von den mittlerweile dominierenden Containern, die auf riesigen Frachtschiffen über die Weltmeere befördert werden. Dabei gibt es bereits Probleme wegen zu großen Tiefgangs dieser Schiffe, nicht direkt an den Kaimauern der Häfen anlegen zu können. In Deutschland geht das bisher mit vollbeladenen Schiffen nur in Wilhelmshaven. Und dort kommt ein neues Transportproblem hinzu, die Anbindung an das Hinterland. Bahnverkehr ist zwar möglich, bietet aber keine ausreichenden Kapazitäten. Hinzu kommt, dass in der Regel schon für einen Zwischentransport Lastkraftwagen gebraucht werden. Überhaupt findet der Containertransport grundsätzlich direkt mittels Verladebrücken an den Kaimauern über Straßenverkehr in das Binnenland und das östliche Ausland statt, und zwar hin und her. Was das bedeutet, kann man täglich auf Deutschlands Straßen erleben. Die deutschen Autobahnen sind die Überland-Magistralen Europas geworden und völlig überlastet. 

Eine Idee mit Potential

Die Magnetschwebetechnik bietet sich vorteilhaft als Verkehrslösung an, sie kann die Autobahnen entlasten. Bei den gegenwärtig infrage kommenden Schwebe-Fahrzeugen brauchen nur die Fahrgastzellen durch Tiefladegestelle für das Aufsetzen und Befestigen von Containern ersetzt zu werden, die Antriebs- und Steuerungstechnik bleibt weitestgehend unverändert. Die notwendigen Konstruktionen sind inzwischen verfügbar. 

Es müssen zwar neue Fahrwege gebaut werden, was aber schon geplant ist und nur umgesetzt zu werden braucht. Die Vorteile der Schwebetechnik, vor allem wenn der aufgeständerte Fahrweg die Regel ist, bleiben erhalten: Der Bodenerwerb ist bei in Abständen zu setzenden Pfeilerfundamenten kostengünstiger als bei durchgehenden Strecken; der Fahrweg kann meistens ohne besondere Brückenkonstruktionen über Hindernisse hinweg geführt werden; höhengleiche Kreuzungen mit anderen Verkehrswegen und Kollisionen werden vermieden; eine landwirtschaftliche und betriebliche Nutzung des Bodens unter der Strecke ist weiterhin möglich; bei Dauerfrost sowie großen und lange liegenden Schneemengen ist die Schneeräumung leichter; aufgeständerte Fahrbahnen bilden keine ökologischen Trennungen wie ebenerdige Autobahnen, Schienenwege und Wasserwege, da Tiere unter den Fahrwegen hindurch wandern können. Letzteres tun sie auch unbeeindruckt, wie man aus Erfahrungen unter der Teststrecke im Emsland weiß.  

Wenn der politische Wille für eine Umsetzung da ist, könnte sofort losgelegt werden. Es ist allerdings wohl eine Jahrhundertaufgabe, die in den nächsten 50 Jahren das Verkehrsgeschehen aber in fast jeder Hinsicht entspannen kann – weltweit. 

Prof. Dr. Hermann Flessner ist Mitglied des internationalen Magnetbahn-Verbandes International Maglev Board (IMB).