26.04.2024

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Folge 18-21 vom 07. Mai 2021 / Das Narrenschiff / Vor 500 Jahren gestorben: Sebastian Brant

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-21 vom 07. Mai 2021

Das Narrenschiff
Vor 500 Jahren gestorben: Sebastian Brant
H. Tews

Als Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ 1774 erschien, löste das Buch einen anderen Bestseller ab, der bis dahin fast 300 Jahre lang das erfolgreichste Buch deutscher Sprache in Europa war. Der Buchdruck war kaum erfunden, als Sebastian Brants Moralsatire „Das Narrenschiff“ volle Fahrt aufnahm und sich rasend schnell auf dem Kontinent verbreitete. Das Buch erlebte zahlreiche Auflagen, Raubdrucke und Übersetzungen in alle damals wichtigen Sprachen des Kontinents sowie ins Lateinische. 

Die in dem Werk versammelten 

112 Narrheiten – in einer späteren Ausgabe fügte der vor 500 Jahren gestorbene Brant zwei weitere hinzu – trafen einen Nerv der Zeit. Man verabschiedete gerade das Mittelalter, während der Humanismus Bildungsideale predigte, die gegen die Frömmigkeit und den Aberglauben alter Tage gerichtet waren. Gegen all das zielte das „Narrenschiff“, das eigentlich weniger ein Schiff, denn ein Narrenspiegel ist. 

Die Schiffsmetapher, die auch an einen Schiffsuntergang denken lässt, taucht nur am Anfang und gegen Ende des Werks auf. Stattdessen nimmt Brant in mehrzeiligen Reimpaaren all jene Laster und (Tod-)Sünden des urbanen Menschen aufs Korn wie Spielwut, Trunksucht, Modetorheiten, Tanzlust, Buhlerei, Zankerei, nächtliches Hofieren oder – wie ein Kapitel heißt – „Von Fälscherei und Beschiß“.

Das Buch wäre wohl nie solch ein Erfolg geworden, wäre nicht jedes Kapitel mit anschaulichen Holzschnitten illustriert. Auf diese Weise hatten auch Analphabeten Zugang zu diesem Werk. Ein Teil der Holzschnitte könnte von Albrecht Dürer stammen, der sich in Basel aufhielt, als dort 1494 das „Narrenschiff“ erschien. In dieser Buchdruckhochburg – bereits 1464 entstand dort die erste Druckerei – lebte Brant damals als Rechtsgelehrter und Herausgeber vieler antiker Drucke. 

Als sich Basel nach dem Schwabenkrieg 1499 der Schweizer Eidgenossenschaft anschloss, verließ Brant die Stadt und kehrte in seine Heimatstadt Straßburg zurück, wo er am 10. Mai 1521 im Alter von vermutlich 64 Jahren starb. Sein „Narrenschiff“ aber ist weiter auf großer Fahrt.

„Das Narrenschiff“ ist samt Holzschnitten im Reclam Verlag erhältlich: 536 Seiten, 11 Euro, oder als Studienausgabe mit 620 Seiten, 13,80 Euro