16.04.2024

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Folge 18-21 vom 07. Mai 2021 / Corona / Geburtenknick statt Babyboom / Viele erwarteten mehr Geburten wegen der erzwungenen Häuslichkeit im Lockdown – Doch das Gegenteil ist eingetreten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-21 vom 07. Mai 2021

Corona
Geburtenknick statt Babyboom
Viele erwarteten mehr Geburten wegen der erzwungenen Häuslichkeit im Lockdown – Doch das Gegenteil ist eingetreten
Norman Hanert

Hartnäckig halten sich Legenden, die von Babybooms nach längeren Stromausfällen oder Schneestürmen berichten. Bereits im Fall der beiden New Yorker Blackouts von 1965 und 1977 hatten Statistiker Medienberichte geradegerückt, die aus einigen gut ausgelasteten Kreißsälen die Schlussfolgerung zogen, die Geburtenzahlen hätten sich verdreifacht. 

Vereinzelt tauchten auch im vergangenen Jahr, nach der Verhängung der ersten Pandemiebeschränkungen, Spekulationen auf, die erzwungenen Häuslichkeit würde sich in steigenden Geburtenzahlen widerspiegeln. Statistische Daten aus vielen Ländern belegen nun das genaue Gegenteil: Die Corona-Krise hat eher zu einem Geburtenrückgang geführt. 

Minus 20 Prozent in Spanien

Für Österreichs Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat der Bevölkerungswissenschaftler Tomáš Sobotka systematisch die Geburtenzahlen untersucht. Festgestellt hat der Leiter der Forschungsgruppe „Fertilität und Familie“ am Institut für Demographie der ÖAW, dass in keinem einzigen der untersuchten Länder die Geburtenzahlen neun Monate nach Ausbruch der Pandemie bis Jahresbeginn 2021 gestiegen sind. Stattdessen gab es zum Teil drastische Einbrüche. Davon waren vor allem Länder betroffen, die gleich in der ersten Welle der Pandemie hohe Infektionszahlen und viele Todesfälle zu beklagen hatten. 

In Spanien beispielsweise sank die Zahl der Geburten im Dezember 2020 und im Januar darauf um 20 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr zuvor. Italiens Statistik weist für den November 2020 ein Minus von acht Prozent aus. Beide Länder hatten bereits vor der Corona-Pandemie im internationalen Vergleich sehr geringe Fertilitätsraten zu verzeichnen. Auffällig ist die Entwicklung in Ungarn verlaufen. Dort stiegen die Geburtenzahlen nach Beginn der Pandemie an, bis sie im November 2020 stagnierten und bis Januar um zehn Prozent abstürzten. Auch die Entwicklung in Schweden, das bei den Pandemiemaßnahmen einen Sonderweg geht, ist dem gegenüber bemerkenswert. 

Schweden blieb nahezu stabil

In dem skandinavischen Land ging im Dezember die Zahl der Geburten im Vergleich zum Dezember 2019 nur um ein halbes Prozent zurück. Auch in Finnland, Norwegen und Dänemark, aber ebenso in Tschechien konnten die Wissenschaftler der ÖAW zumindest bislang keinen deutlichen Einfluss der Pandemie und der Lockdown-Maßnahmen auf die Fertilität feststellen. 

Sobotka und seine Forschungsgruppe sehen hinter dem Geburtenknick in vielen Ländern mehrere Faktoren: Die Pandemie habe zu einer starken Verunsicherung über die ökonomischen Zukunftsaussichten geführt. In einigen Ländern wurde die Unsicherheit zumindest etwas durch die Sozialsysteme abgefedert. Auch gesundheitliche Motive spielen offenbar eine Rolle, etwa die Angst von Frauen, sich während einer Schwangerschaft oder im Krankenhaus mit Corona zu infizieren.