25.04.2024

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Folge 18-21 vom 07. Mai 2021 / Volkskunst / Webkunst am Dammschen See / Weberinnen mit Leib und Seele – Else Mögelin und Meta Barnheim setzten Akzente

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-21 vom 07. Mai 2021

Volkskunst
Webkunst am Dammschen See
Weberinnen mit Leib und Seele – Else Mögelin und Meta Barnheim setzten Akzente
Brigitte Klesczewski

Meta Barnheim geborene Stresow war eine reiche Bauerntochter aus Köselitz, einem im Pyritzer Weizacker gelegenen Dorf. Schon von ihrer Mutter hatte sie als junges Mädchen das Handweben gelernt, fertigte eifrig Handtücher und auch Schürzen für ihre Aussteuer an. Sie beherrschte auch die Leinen- und Köperbindung, ihre Handtücher wiesen auch schon das Gerstenkornmuster auf. 

Im Jahr 1927 heiratete sie den Landwirt Adolf Barnheim, der seit 1921 das ehemalige Vorwerk des Gutes Obernhof besaß. Dieser Bauernbetrieb zwischen Bergland und Lübzin am Dammschen See im Kreis Randow trug den schönen Namen Birkhorst. Der nächste Bahnhof befand sich in siebeneinhalb Kilometern Entfernung in Christinenberg. Mit dem Dampfer gab es von Lübzin oder Bergland eine Verbindung über den Dammschen See nach Stettin. 

Die Dampferfahrt von Bergland aus dauerte eine gute Stunde. Lübzin war Heimathafen und Endstation der Dampferlinie über den Dammschen See. Den Sechs-Uhr-Dampfer benutzten vorwiegend die Lübziner Frauen, um in Stettin auf dem Markt Gemüse, Brot und Fische zu verkaufen.

Webschule in Lübzin

Meta Barnheim besuchte ab 1935 die Webschule der Landesfrauenschaft Pommern in Lübzin, von denen es weitere in Henkenhagen bei Kolberg, Rügenwalde und auch auf der Insel Rügen gab. Die Webschule war in einem ehemaligen Gutshaus untergekommen. Hier wurden vier bis sechs Wochen dauernde Webkurse für Anfängerinnen und 14 Tage währende Kurse für fortgeschrittene Weberinnen angeboten. Man lernte das Weben von Grund auf.

Die Lehrerin, eine Webmeisterin, unterstand der Landesbauernschaft in Stettin. Als äußeres Abzeichen der Webschulen trugen die Absolventinnen Broschen. Die Lübziner Brosche zeigte einen stilisierten Weberknoten.

Bäuerliches Leben hatte in der nationalsozialistischen Zeit Aufschwung erhalten. In der Lübziner Webschule schloss Meta Barnheim Freundschaft mit der Weblehrerin Luise Prokosch geborene Ackermann und mit der Leiterin Sofie Kayserling. Wegen ihres Lehrprogrammes hatten diese Weblehrerinnen Streit mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bekommen. 

Da aber die Lübziner Webschule hervorragende Produkte ländlicher Webkunst hervorbrachte, bevormundete man sie weniger als die anderen Webschulen. 1938 gab es eine Ausstellung in der gezeigt wurde, was eine Jungbäuerin bei ihrer Heirat als Aussteuer auf den Hof ihres Mannes mitbringen sollte. In ihrer Truhe lagen Tisch- und Bettwäsche, Gardinen, Handtücher und Stoffe für Kleider in den verschiedensten Mustern.

Webstuhl im Fluchtgepäck

Meta Barnheim richtete sich auf Birkhorst eine Webstube ein. Sie webte bis zum Ende des Krieges 1945 leuchtende Dirndlstoffe, duftige Gardinen, kunstvolle Tischdecken, derbe Kostümstoffe neben Handtüchern und Schürzen. Schon Ende der 1930er Jahre zeigte sich, dass ihre Weberei genauso viel Reinertragsgeld einbrachte wie die Landwirtschaft.

Meta Barnheim ging mit ihrer Tochter Roswitha mit Pferd und Wagen am Ende des Krieges auf die Flucht. Zu ihrem Flüchtlingsgepäck gehörten ein zusammengelegter Webstuhl und einige Garne. Mit dem Webstuhl kann ich Brot verdienen, war ihre Meinung. Sie schaffte es bis Hopen in Dithmarschen. 

Metas Mann war in englische Kriegsgefangenschaft geraten und hatte das Glück, seine Familie 1946 wohlbehalten in Dithmarschen wiederzufinden. Inzwischen hatte Tochter Roswitha auch das Weben gelernt und unterstützte ihre Mutter. Gegen Garn und Lebensmittel webten sie fleißig ihre pommerschen Muster in Schürzen, Kleiderstoffe und Küchenhandtücher. Da ihre Webkunst von anderer Art als die traditionelle Weberei der Dithmarscher aus Meldorf war, hatten Mutter und Tochter guten Zuspruch.

Mit Luise Prokosch kam Meta Barnheim bald nach dem Krieg in Verbindung. Von ihr hörte sie wieder von Else Mögelin. Sie hatte es immer in Birkhorst bedauert, dass es ihr nicht möglich gewesen war, die Textilklasse der Werkschule für Gestaltene Arbeit in Stettin zu besuchen. An dieser Schule, die von Gregor Rosenbauer geleitet wurde, war Else Mögelin seit 1927 Lehrerin der Textilklasse gewesen. Else Mögelin wurde am 20. April 1887 in Berlin geboren. 

Nach ihrer Tätigkeit als Kunsterzieherin an Berliner Schulen (1906–1919) ging sie nach Weimar ins Bauhaus und arbeitete unter den Augen von Walter Gropius. Im Jahr 1924 verließ sie das Bauhaus und eröffnete in der Handwerkersiedlung Gildenhall am Ruppiner See eine Weberei. Sie unterstützte die vorpommerschen Fischer bei ihrer Heimarbeit, in dem sie Vorschläge für eine dem Ostseeraum angepasste Musterung und Ornamentik für ihre geknüpften Teppiche erarbeitete und weitergab.

Das Fortbestehen des Weberhandwerks lag ihr am Herzen. In Friedrichs­huld im Kreis Rummelsburg drohte die Handwerkskunst der Damastweberei auszusterben. Der letzte Weber Lange war betagt. Um seine Kunst weitergeben zu können, stellte sie ihm Weberinnen zur Seite. Else Mögelin sah in der Weberei Kunst und Handwerk glücklich vereint.

Große Anerkennung

Für ihre Bildteppiche hatte sie schon 1930 eine Silbermedaille auf der Biennale in Mailand erhalten, eine Bronzemedaille folgte dann noch 1952 auf der Triennale in Mailand. Der 1952 preisgekrönte Bildwandteppich „Erde“ ist im Besitz der Pommernstiftung. In der Kieler Nikolaikirche hängt der von ihr entworfene, aber nicht von ihr gewebte „Bugenhagenteppich“. Über ihre Bildteppiche sagte sie einmal, dass sie keine Bilder, sondern Bildgewebe seien.

Bald nach Kriegsende wurde Else Mögelin Leiterin der Webklasse an der Hamburger Hochschule und lehrte dort bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1952. Im Jahr 1967 erhielt sie den Pommerschen Kulturpreis für Kunst in Würdigung ihres Mitwirkens bei der Neubelebung der Fischerteppich-Knüpferei in Pommern und der Hilfe für die Friedrichshulder Damastweberei. Als sie im Dezember 1982 starb, verabschiedete sie Hans-Ulrich Kuchenbäcker im Januar 1983 mit einem umfassenden Nachruf in der Pommerschen Zeitung.

Durch Meta und durch ihre Tochter Roswitha habe ich viel über die pommersche Webkunst erfahren. Aus Metas Nachlass erhielt ich einen Bildwandteppich, den sie aber selbst nicht gewebt hatte. Auf den früheren Pommerntreffen im August in Travemünde webten Pommersche Frauen Ortsnamen aus Pommern. Sie nannten es Schöttelweben, in Ostpreußen Jostenbandweben genannt.