20.04.2024

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Folge 19-21 vom 14. Mai 2021 / Kriminelle Karriere / Lügenbaron mit Stil und Chuzpe / Der Hochstapler Georges Manolescu, der vor 150 Jahren geboren wurde, inspirierte Thomas Mann zu seinem Roman „Felix Krull“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-21 vom 14. Mai 2021

Kriminelle Karriere
Lügenbaron mit Stil und Chuzpe
Der Hochstapler Georges Manolescu, der vor 150 Jahren geboren wurde, inspirierte Thomas Mann zu seinem Roman „Felix Krull“
Bettina Müller/tws

Hochstapler sind zeitlos, diesen Typus des Verbrechers wird es immer geben. In der Regel ist das Publikum jedoch gnädig mit ihnen, weil sie nicht zu Mord und Totschlag neigen. 

So wurden Ende 2020 im Manesse Verlag nach über 115 Jahren auch die Memoiren des „Meisterdiebs“ Georges Manolescu wieder neu aufgelegt. Zu Lebzeiten war er bereits eine Legende, nämlich der „eleganteste, raffinierteste und bedeutendste Hochstapler der Gegenwart“, wie ihn eine US-Tagezeitung betitelte. In seinen Memoiren „Mein abenteuerliches Leben als Hochstapler“ stilisierte er sich zu einer Art Über-Hochstapler, zum tollkühnen Abenteurer und formidablen Frauenhelden. Doch der Leser ahnte auch, dass dieser Mensch nur für den Moment lebte und vor allem für den Schein, der stets das Sein verdeckte. Und das war in seinem Fall wohl erblich vorbelastet: Sowohl Mutter als auch Onkel litten an einer Geisteskrankheit. 

Manolescu kam – laut Memoiren – am 20. Mai 1871 im rumänischen Ploiești zur Welt. Schon als junger Mann erwies er sich als rastlos und abenteuerlustig, strebte gleichzeitig aber auch ein Leben in Reichtum an, wobei ihm jegliches Unrechtsbewusstsein fehlte: „Wenn die Sachen mir gefallen und ich sie liegen sehe, dann nehme ich sie.“ Sein Leben geriet zu einer extrem schnellen Abfolge von Orts-, Länder- und Kontinentwechseln, zum Eilen von Diebstahl zu Diebstahl. 

1899 ging Manolescu eine Ehe ein, vielleicht sogar aus Liebe. Am 18. Juni 1899 heiratete er in Hoyren, heute ein Stadtteil von Lindau, die aus verarmtem Adel stammende Gräfin Angelika Maria Wilding von Königsbrück und zog mit ihr in eine Villa. Für einen kurzen Moment schien er mit der Idee einer bürgerlichen Existenz zu liebäugeln, doch der Freiheitsdrang erwies sich als übermächtig. Am 19. August 1899 kam Tochter Jeanne zur Welt, und nur vier Wochen später verließ er endgültig Heim und Familie. 

In die Berliner Charité eingeliefert

„Vom Bahnhof Friedrichstraße ließ ich mich mit meinen Begleitern und meinem umfangreichen Gepäck in drei Landauern in den ,Kaiserhof‘ bringen, eines der schönsten und größten Hotels Berlin“, heißt es in seinen Memoiren, denn den Kriminellen hatte es auch in die deutsche Reichshauptstadt verschlagen. Dort erlebte er eine „kurze Phase des intellektuellen und psychischen Niedergangs“, wie der Dresdner Staatsanwalt Erich Wulffen in seiner kriminalpsychologischen Studie über ihn feststellte. Zunächst erkor Manolescu als „Fürst Lahovary“ vier Hotels zu seinem Jagdgebiet und stahl unter anderem im Dezember 1900 aus dem Hotel Bristol Schmuck im Wert von 1600 Mark, woraus in seinen Memoiren auf wundersame Weise 60.000 Mark wurden. 

Am 14. Januar 1901 wurde Manolescu, der längst schon wieder Berlin verlassen hatte, in Genua verhaftet – eine eifersüchtige Berliner Büffetdame hatte ihn verraten – und im Mai 1901 nach Deutschland ausgeliefert. Nach wie vor beharrte Manolescu darauf, ein Fürst zu sein, sodass man ihn im Oktober zur Beobachtung seines Geisteszustands in die Charité einlieferte. Das Urteil der Ärzte war vernichtend: Manolescu sei „ausgesprochen geisteskrank“. Doch der lachte die Diagnose einfach weg, die Geisteskrankheit sei ja nur gespielt gewesen. 

Erfolg mit Memoirenband

Im Mai 1902 wurde Manolescu von der Dritten Strafkammer des Berliner Landgerichts I als „im hohen Grade gemeingefährlicher Geisteskranker“ freigesprochen und im „Irrenhause“ von Herzberge untergebracht. Als ihm im Juli 1903 schließlich die Flucht nach Tirol gelang, hatte der seltsam Sorglose nichts Besseres zu tun, als sich dort gut gelaunt in einer zünftigen Ledertracht fotografieren zu lassen. 

Im November 1903 schob man ihn schließlich nach Rumänien ab, seine kriminelle Energie schien verbraucht zu sein. „Sie wissen, dass ich nur noch den einen Wunsch hatte, in ehrlicher Weise mir mein Brot zu verdienen und ein ruhiges, friedliches Heim, ein Glück im Winkel zu finden“, schrieb er an seinen Verleger Paul Langenscheidt. Und zunächst wähnte er sich auch tatsächlich im Glück: Die Memoiren wurden ein Erfolg, 1905 traf er in Mailand die Französin Pauline Tollet, die er später heiraten sollte. 

Doch dann wurde ihm eine alte Verletzung zum Verhängnis, ein Arm, den er sich beim Goldschürfen in Alaska gebrochen hatte, Geschwüre, die sich durch den Körper fraßen. Am 2. Januar 1908 starb Manolescu im Alter von nur 37 Jahren. Ewige Ruhe hat der „Fürst der Diebe“ auf dem Friedhof von Trabuquet in Menton an der Côte d’Azur gefunden. Die schlichte Grabplatte passt eigentlich nicht zu dem Mann, welcher der Ansicht war, dass ihm der Reichtum aufgrund seiner bloßen Existenz zustünde. Aber so ist das nun mal: Auch ein Fürst muss sich im Tod fügen, ob er nun will oder nicht.

In gewisser Weise ist Manolescu aber doch unsterblich geworden. Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann ist von dem Erinnerungsbuch Manolescus dermaßen fasziniert gewesen, dass er über Jahrzehnte die Idee mit sich herumtrug, dem Typus des Hochstaplers in einem Roman zu huldigen. Am Ende hat es mit seinem Alterswerk „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ nur zu einem unvollendeten Roman gereicht, dessen erster und einziger Teil 1950 erschienen ist.