24.04.2024

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Folge 20-21 vom 21. Mai 2021 / Leitartikel / Ignorierte Generation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-21 vom 21. Mai 2021

Leitartikel
Ignorierte Generation
René Nehring

Deutschland macht endlich wieder auf. Nachdem in den vergangenen Tagen die Corona-Inzidenzen unter den festgesetzten Grenzwerten geblieben sind, kehrt das öffentliche Leben langsam wieder zur Normalität zurück: Die nächtliche Ausgangssperre entfällt, Konzert- und Sportveranstaltungen sind zumindest im Freien wieder möglich, Museen und Ausstellungshäuser dürfen unter Auflagen wie Abstandsregeln und Tests öffnen. Auch die Gasthöfe dürfen – zumindest draußen und ebenfalls unter Auflagen – wieder Gäste empfangen. 

Unerwartete Form der Triage

Nur von einer Gruppe hört man auffallend wenig: den Kindern. Obwohl die Kanzlerin vor Monaten verkündete, Schulen und Kindergärten als letztes schließen und als erstes wieder öffnen zu wollen, und obwohl nach dem aktuellen Wissensstand die Kinder kaum von COVID-19 betroffen sind und das Virus nicht häufiger verbreiten als Erwachsene, gibt es bislang kaum Öffnungen der Bildungs- und Erziehungseinrichtungen. Während Busse, Züge und selbst die Ferienflieger inzwischen wieder gut gefüllt sind, gibt es für Schüler allenfalls erste Schritte zu mehr „Unterrichtsmodellen mit Präsenzzeiten“. Was jedoch nichts anderes bedeutet, als dass die Rückkehr zum Regelunterricht noch in weiter Ferne liegt. 

Auf die Folgen der weitgehenden Ignoranz gegenüber dem stillen Leiden der Kinder wies vor wenigen Tagen der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hin. Während seit Monaten Virologen, Intensivmediziner und Gesundheitspolitiker unermüdlich vor „Triagen“ – also der Auswahl, beziehungsweise Auslese der zu behandelnden Corona-Patienten – auf den Intensivstationen der Krankenhäuser warnen, ereignet sich in den Kinder- und Jugendpsychiatrien eine ganz andere Form der Triage: „Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben“, so ein Sprecher des BVKJ gegenüber der „Rheinischen Post“: „Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll (…): Wer nicht suizidgefährdet ist und ,nur‘ eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen.“ 

Wie weit die Ignoranz gegenüber dem Schicksal der Kinder inzwischen gediehen ist, zeigte ein paar Tage zuvor Mecklenburg-Vorpommern. Dort sorgte eine neue Landesverordnung für Unruhe, derzufolge nur noch geimpften Personen die Einreise in das Bundesland erlaubt sein sollte. Da es jedoch innerhalb der EU noch kein für Kinder und Jugendliche zugelassenes Vakzin gibt und diese somit gar nicht geimpft sein können, bedeutete die Verordnung ein faktisches Einreiseverbot für die junge Generation. 

Auch wenn die Landesregierung die Verordnung inzwischen korrigiert hat und nunmehr geregelt ist, dass Eltern (unter bestimmten Bedingungen) auch ihre nicht geimpften Kinder mit in das Land bringen dürfen, zeigt das Beispiel doch, mit welcher Ignoranz an vielen Stellen die entscheidenden Instanzen gegenüber den Kindern agieren. 

Wo bleiben die Rechte der Kinder?

Das alles wohlgemerkt zu einer Zeit, in der die Bundestagsparteien über die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz debattieren (siehe PAZ 19/2021). Doch während sie bei Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes mit großem Pathos über das Wohl der Kinder streiten, verschließen sie vor dem alltäglichen stillen Leid der Kleinen die Augen.