28.03.2024

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Folge 20-21 vom 21. Mai 2021 / Eine Trojaburg in Pommern / Das Windelbahnfest der Stolper Schuhmacher / Veranstaltet wurde es immer am Dienstag nach Pfingsten – 1908 fand das letzte ursprüngliche Fest statt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-21 vom 21. Mai 2021

Eine Trojaburg in Pommern
Das Windelbahnfest der Stolper Schuhmacher
Veranstaltet wurde es immer am Dienstag nach Pfingsten – 1908 fand das letzte ursprüngliche Fest statt
Brigitte Stramm

Auf die mysteriös anmutenden Steinsetzungen trifft man in ganz Europa, vorzugsweise jedoch in Skandinavien. Es sind Pseudolabyrinthe, die Trojaburgen genannt werden. Bereits auf einer etruskischen Vase aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. fand man die Bezeichnung „Truia“ eingeritzt. Auf griechischen Münzen, auf einer Wandzeichnung in Pompeji, in mittelalterlichen Kirchenmalereien in Dänemark, Schweden, Frankreich und Italien, aber auch in Peru und bei den Hopi-Indianern tauchen sie auf. 

Die meisten noch bestehenden Trojaburgen sind wohl aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Eine genaue Altersbestimmung ist schwierig, auch warum man sie anlegte, ist nicht exakt belegt. Seit dem 19. Jahrhundert begannen sich Archäologen und Völkerkundler für diese Stätten zu interessieren.

Windelbahn = Trojaburg

In den 1930er Jahren erschien in Deutschland eine Veröffentlichung über die Trojaburgen. Eine fehlte jedoch, und zwar die zu Stolp in Pommern. Siegfried Sieber schrieb dazu, das wäre den Forschern wohl entgangen, weil diese den seltsamen Namen „Windelbahn“ (Wendelbahn) und nicht Trojaburg führte und weil dort nicht Bauern oder Kreuzritter, wie an den preußischen Jerusalemshügeln, sondern einfache Schuhmachergesellen ihren eigenartigen Tanz aufführten. Ihm verdanken wir die Schilderung des Festes. 

Das Windelbahnfest der Schuhmacher war ein echtes Maifest, es wurde am Dienstag nach Pfingsten begangen und hatte überdies mit anderen deutschen Pfingstveranstaltungen die Wahl eines Maigrafen gemein. Nicht nur Patriziersöhne, auch Handwerkergesellen haben in norddeutschen Städten dieses Frühlingsvorrecht der Jungmannschaft ausgeübt. Nachdem am Vormittag zwei Gesellen als Narren verkleidet in alter Weise Gaben für das Fest erbeten hatten, erfolgte nachmittags der feierliche Aufzug der Gesellen mit ihrer Fahne. Daneben schritten zwei Fahnenjunker, dahinter kamen der Maigraf mit den beiden Lademeistern der Innung, ferner die gewählten beiden Ober- und Unterschäffer, danach die Gesellen, ein sogenannter Schreiber, und endlich, auf Tragbahren von den Lehrlingen getragen, die beiden Narren.

So war es in Stolp: Die Teilnehmer waren gekleidet, wie es bei Zunft- und Gesellenfesten üblich war. Man marschierte zu der Anlage der Windelbahn an der Kreuzung der späteren Aucker- und Bütowerstraße. Hier hatten die Gesellen einen niedrigen Wall angelegt, etwa 120 Schritte im Umfang, und außen waren in Abständen Bäume gepflanzt. Dieser Platz war in der Nähe des Rosengartens und des Lokals Schweizergarten.

Seltsamer Kiebitztanz

Die Stolper Schuhmachergesellen pflanzten, an der Windelbahn angekommen, ihre Fahne auf. Dann sprach der Maigraf eine Rede in Versen und begann danach im „Kiebitzschritt“ auf der mit Blumen oder frischem Sand bestreuten Bahn seinen Tanz (der Kiebitz hüpft etwa einen Meter vor, bleibt auf einem Fuß stehen und stützt den anderen ein wenig). Nach etwa einer Viertelstunde hatte der Maigraf die Hälfte der Bahn durchtanzt und hielt inne. Sogleich überbrachte ihm der Altgeselle einen Pokal, den der Maigraf unter dem Jubel der Menge leerte. Dann ging der Tanz in derselben Weise weiter, bis der Tänzer an dem Ende der Bahn aus ihr herausschritt. Nach ihm tanzten die beiden Oberschäffer. 

Einer fing seinen Tanz von innen an, der andere von außen. In der Mitte trafen sie aufeinander, begrüßten sich und tranken aus den vom Altgesellen überreichten Gläsern. Dann trat jeder dem anderen die Bahn ab, die er selbst schon durchlaufen hatte. Es war nicht leicht, aus den verschlungenen Windungen herauszufinden, und wer etwa eine falsche Windung betrat oder den Ausgang nicht finden konnte, wurde weidlich ausgelacht. Nach weiteren Ansprachen traten auch die beiden Narren auf, um mit altherkömmlichen Schusterwitzen die Zuschauer zu belustigen. Nach feierlichem Umzug um die Windelbahn zog man zum Festball in ein Gasthaus.

Das Wesentliche am Windelbahnfest sind nicht die zeitgebundenen Festbräuche wie Reden, Trunk, Umzug oder Festball; diese sind Zutaten der späteren Entwicklung und stammen aus der Festkultur der Handwerker. Die Fahne, die an der Bahn aufgepflanzt wird, auch das Auftreten der Narren gehören schon in ältere Schichten des Brauchtums. 

Einzigartig aber ist die Anlage der Tanzbahn und der offenbar uralte Tanzschritt, hier Kiebitzschritt genannt, nach dem eigenartigen Hüpfen. In anderen Teilen Europas ist diese Art Tanz nicht unbekannt. Auch das Kinderspiel „Himmel und Hölle“ scheint damit in Zusammenhang zu stehen. 

Die Stolper Schuhmacher erklärten ihr Fest als Stiftung eines ihnen besonders gewogenen Fürsten Kroy. Das Stolper Windelbahnfest zeigte, dass selbst in den Kreisen des städtischen Handwerks das altüberlieferte Brauchtum noch lange nachwirkte. 

Nachdem 1908 das letzte Windelbahnfest dort gefeiert wurde, hat die Stadt den Platz aufgekauft, der bis dahin der Schuhmacherinnung gehörte, und hat die Kostüme, Geräte und den alten Grundriss der Tanzbahn ins Museum bringen lassen. Im Jahr 1935 soll man das Fest wiederbelebt haben, wie in verschiedenen Veröffentlichungen dokumentiert ist.

Eine Trojaburg im Norden kann man im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide von Schneverdingen/Ehrhorn, Abzweigung Heimbuch erwandern und im Süden etwa in Uckersdorf in Markt Schwarzhofen in der Oberpfalz am sogenannten „Radlerbahnhof Schwarzhofen“ bei Uckersdorf besuchen. Anlagen gibt es in Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen