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Folge 21-21 vom 28. Mai 2021 / EZB-Anleihekäufe / Eine Verfassungsbeschwerde jagt die nächste / Die Beschwerde von Peter Gauweiler und Bernd Lucke hat Karlsruhe bereits abgewiesen. Nun klagt eine Gruppe um Markus Kerber

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-21 vom 28. Mai 2021

EZB-Anleihekäufe
Eine Verfassungsbeschwerde jagt die nächste
Die Beschwerde von Peter Gauweiler und Bernd Lucke hat Karlsruhe bereits abgewiesen. Nun klagt eine Gruppe um Markus Kerber
Norman Hanert

Vor dem Bundesverfassungsgericht ist erneut ein Versuch von Klägern gescheitert, die umfangreichen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) zu stoppen. Die Verfassungsrichter wiesen am 18. Mai Anträge von Peter Gauweiler und Bernd Lucke im Zusammenhang mit dem milliardenschweren EZB-Anleihekaufprogramm namens „Public Sector Purchase Programme“ ab. Mit dem Programm haben im März 2015 die Notenbanken des Eurosystems einen groß angelegenen Kauf von Staatsanleihen gestartet. Ziemlich überraschend hatten die Verfassungsrichter im Mai vergangenen Jahres festgestellt, dass die EZB nicht geprüft habe, ob diese Anleihekäufe auch verhältnismäßig seien. Ein Jahr später sehen die Karlsruher Richter es nun als gegeben, dass die EZB die Frage der Verhältnismäßigkeit geklärt hat. 

Inzwischen liegt dem höchsten deutschen Gericht schon wieder eine neue Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit der EZB vor. Kläger ist diesmal eine Gruppe von Unternehmern und Professoren um den Finanzwissenschaftler Markus Kerber. Ihr Ziel ist es, die billionenschweren Anleihekäufe der EZB im Rahmen des Corona-Nothilfeprogramms zu stoppen. Legt man die Erfahrungen aus den bisherigen Klagen im Zusammenhang mit dem Euro und der EZB zugrunde, scheinen auch in diesem Fall die Erfolgsausschichten gering, auf juristischem Wege die EZB von ihrer ultralaxen Geldpolitik abzubringen.

Wirksamer Druck könnte indes von einer Entwicklung in den USA ausgehen. Dort nimmt die Inflation derzeit noch stärker Fahrt auf als in Europa. Nach Angaben des Arbeitsministeriums sind im April die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,2 Prozent gestiegen. Zuletzt wies die Inflationsstatistik vor 13 Jahren einen so starken Anstieg aus.

Public Sector Purchase Programme

 Bankhäuser wie die Bank of America oder Goldman Sachs und der Kreditstratege Jim Reid von der Deutschen Bank haben inzwischen Prognosen vorgelegt, die noch bis mindestens 2024 deutlich höhere Inflationszahlen für die USA voraussagen. Steve Hanke, einst Wirtschaftsberater von Ronald Reagan, fürchtet sogar einen Anstieg der Inflationsrate auf fünf Prozent im kommenden Jahr. In den Jahren 2023 und 2024 sieht der Wirtschaftsprofessor die Inflation sogar auf etwa sechs Prozent steigen. Die Bank of America hält sogar eine „vorübergehende Hyperinflation“ in den USA für möglich. 

Bemerkenswert ist auch eine Einschätzung von Goldman Sachs zum Immobilienmarkt. Die Investmentbank hält es für möglich, dass sich auf dem Häusermarkt der USA in den nächsten Jahren eine Preisblase aufbläht, die mit der von 2007 vergleichbar ist.

Basis der Inflationsprognosen ist ein Mix von Faktoren. Präsident Joe Biden will der US-Wirtschaft mit einem mehr als zwei Billionen US-Dollar schweren Infrastrukturprogramm aus der Corona-Krise helfen. Zu dieser Geldflut kommt bei den Konsumenten ein Nachholbedarf durch die bisherigen Pandemiemaßnahmen. Weitere Faktoren sind drastisch gestiegene Transportpreise auf dem Seeweg von Asien nach Nordamerika und rasant gestiegene Rohstoffpreise. Die Preise für Rohöl und Kupfer sind beispielsweise seit Jahresanfang um gut 30 Prozent gestiegen. 

Corona-Nothilfeprogramm

Auch bei den Löhnen stehen die Zeichen auf Erhöhungen. Landesweit sind in den USA derzeit 8,1 Millionen freie Stellen gemeldet.

 Bidens Finanzministerin Janet Yellen wiegelt Sorgen vor einer länger andauernden Inflation bislang ab. Die Preiserhöhungen während der Konjunkturerholung seien nur vorübergehend, so Yellen. 

Allerdings schließt Yellen inzwischen auch Zinserhöhungen in den USA nicht mehr aus, um die Wirtschaftsentwicklung notfalls abzukühlen. „Es könnte sein, dass die Zinsen etwas ansteigen müssen, um sicherzustellen, dass unsere Wirtschaft nicht überhitzt“, so Yellen. 

Sowohl höhere Inflationsraten als höhere Zinsen in den USA hätte auch für die Eurozone und die EZB weitreichende Folgen. Mit steigenden Preisen in den USA wertet der Dollar ab, der Euro gewinnt dagegen an Außenwert. Letzteres kann zwar die Marktchancen europäischer Exporteure steigern, hat allerdings auch negative Folgen. Steigen in den USA die Zinsen schneller als die Preise, kann das für Investoren ein Argument darstellen, Kapital aus Europa abzuziehen, um es in den USA anzulegen. Rohöl und Benzin werden zudem nach wie vor in der Leitwährung Dollar abgerechnet. Steigen die Importpreise für Energie durch einen schwachen Euro, heizt dies im Euroraum die Inflation weiter an. Für die EZB entfiele damit das Argument für Anleihekaufprogramme, einer zu geringen Inflation in der Eurozone entgegenwirken zu müssen. Stellte die EZB dann ihre Käufe von Anleihen ein, stiegen auch in Europa die Zinsen nennenswert, käme speziell der Süden der Eurozone unter existenzbedrohenden Druck. 

Inzwischen ist bereits absehbar, wie die EZB und die nationalen Regierungen der Eurozone diese Zwangslage abwenden wollen. Bei der EZB ist inzwischen immer öfter die Rede davon, sie müsse auch klimapolitische Ziele verfolgen. Politiker wie der Sozialdemokrat Olaf Scholz und auch die Grünen sprechen sich ganz offen für eine Fiskalunion in der EU aus. Dabei würde die Umverteilung innerhalb der EU stärker ganz direkt über Steuern erfolgen und weniger über die Geldpolitik.