20.04.2024

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Folge 21-21 vom 28. Mai 2021 / Zweiter Weltkrieg / Flugblätter über Feindgebiet / Alle am Krieg beteiligten Staaten warfen Pro­pagandabotschaften über feindlichem Territorium ab, um die Soldaten zur Aufgabe zu bewegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-21 vom 28. Mai 2021

Zweiter Weltkrieg
Flugblätter über Feindgebiet
Alle am Krieg beteiligten Staaten warfen Pro­pagandabotschaften über feindlichem Territorium ab, um die Soldaten zur Aufgabe zu bewegen
F.-W. Schlomann

In dem Buch „Feindflugblätter des Zweiten Weltkriegs“ analysieren Moritz Rauchhaus und Tobias Roth über 200 Flugblätter, die die beteiligten Staaten am Zweiten Weltkrieg millionenfach über dem jeweiligen Feindgebiet abwarfen. Sie stellen eine Auswahl der 20.000 Propagandabotschaften dar, die in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt sind. Nicht ohne Grund wurde der Besitz eines feindlichen Flugblattes bei sämtlichen Armeen unter schwerste Strafe gestellt. Erwiesen ist, dass im Winter 1944/45 in der italienischen Po-Ebene aufgrund der deutschen Flugblätter mit ihren Drohungen ganze Bataillone amerikanischer und britischer Soldaten zeitweise den Einsatz verweigerten und ebenso Wehrmacht-Stützpunkte am Atlantik angesichts inhaltsähnlicher Drohungen der US-Streitkräfte kapitulierten. 

Jedes Flugblatt war ein Kriegswerkzeug mit dem Ziel, beim Empfänger Zweifel an seiner Führung und an dem Sinn des Krieges zu säen, von dem viele Menschen profitieren und im Luxus leben würden, während der Frontsoldat ständig sein Leben einsetze. Demotivierend sollten auf allen Seiten Sehnsucht und Heimweh nach der Familie wirken. Symptomatisch ist, dass sie alle ein Flugblatt verbreiteten mit einem Baby, das tränen-reich nach der Rückkehr seines Papas ruft. 

Beliebt war bei allen Seiten der Hinweis auf die eigene militärische Überlegenheit, was die US-Propaganda angesichts der zerbombten deutschen Städte bei Kriegsende besonders betonte. Um den Finder eines Feindflugblattes bei der ihm drohenden Gefahr überhaupt zum Lesen zu verführen, wurden diesen nicht selten Zigaretten beigefügt. 

Getarnt als ein neutrales Heftchen in der Größe einer Mini-Streichholzschachtel gaben alle Seiten Anweisungen, wie sein Finder Krankheiten derart glaubhaft vortäuschen könne, dass er mit diesen Tricks die Frontärzte erfolgreich täuschen könne. Überaus viele Flugblätter forderten zum Überlaufen auf: Der bessere Schritt als den vielleicht qualvollen „Heldentod“ an der Front zu sterben sei es, den Kampf einzustellen und sich in Gefangenschaft des Feindes zu begehen und auf diese Weise zu überleben. Das Hochhalten eines solchen Flugblattes gegenüber der Feindseite war dem Zeigen einer weißen Fahne gleichzusetzen. Es war das Zeichen, dass der Soldat aufgeben wollte. 

Alle diese Flugblätter sind wertvolle Zeitdokumente, eindrucksvolle kulturpolitische Quellen, die auf ihre Art das Geschehen des Zweiten Weltkrieges widerspiegeln. 

Moritz Rauchhaus/Tobias Roth (Hg.): „Feindflugblätter des Zweiten Weltkriegs“, Verlag das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2021, broschiert, 288 Seiten, 28 Euro