27.04.2024

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Folge 22-21 vom 04. Juni 2021 / Schulpolitik / Rot-Rot-Grün heillos zerstritten / Bildungssenatorin Scheeres (SPD) und die Koalition versinken im Chaos widersprüchlicher Konzepte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-21 vom 04. Juni 2021

Schulpolitik
Rot-Rot-Grün heillos zerstritten
Bildungssenatorin Scheeres (SPD) und die Koalition versinken im Chaos widersprüchlicher Konzepte
Norman Hanert

Aufstieg durch Bildung“ war während der Kanzlerschaft von Willy Brandt ein zentrales Versprechen, mit dem die SPD bei den Wählern punkten wollte. Die Bildungspolitik der Berliner Sozialdemokraten hat indes mittlerweile einen solchen Zustand erreicht, dass sie die Wahlchancen schmälert. In Berlin ist das Bildungsressort seit 1996, also seit einem Vierteljahrhundert, ununterbrochen in SPD-Hand. Sandra Scheeres übt das Amt der Bildungssenatorin seit 2011 aus.

Im Kabinett von Michael Müller ist sie diejenige Senatorin, die sich am häufigsten mit Rücktrittsforderungen konfrontiert sieht. Kommentatoren bescheinigen ihr mit auffälliger Regelmäßigkeit, sie habe in ihrer Amtszeit „glücklos“ agiert. Außer Bremen schneidet in Leistungsvergleichen tatsächlich kein Bundesland regelmäßig so schlecht ab wie Berlin: Bei den Vergleichsarbeiten für Drittklässler (Vera-3) zeigte sich 2019, dass mehr als die Hälfte der Schüler hinter den durchschnittlichen Erwartungen des Bildungsstandards zurücklag. 29 Prozent der Berliner Drittklässler erreichten nicht einmal die Mindeststandards beim Lesen. Für Schlagzeilen sorgte die Hauptstadt auch immer wieder mit einer hohen Quote von Schulabbrechern. Im Schuljahr 2018/19 verließ jeder zehnte Berliner Schüler das Schulsystem ohne einen Abschluss. Auch hat Berlins Abitur bundesweit eher den Ruf eines „Billig-Abis“.

Als Ursachen der Misere gelten eine hohe Zahl an leistungsschwachen Schülern, Lehrermangel und eine hohe Zahl von Quereinsteigern beim Lehrpersonal. Immer wieder wird auch die Bildungsverwaltung kritisiert.

Senatorin tritt nicht wieder an

Die Chancen für einen Neustart im Berliner Bildungssystem stehen allerdings gut. Wie die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat auch Sandra Scheeres erklärt, sie wolle nach der Berlin-Wahl im September nicht mehr als Senatorin antreten. Berichtet wird zudem, dass die Berliner SPD das Bildungsressort nach der Wahl am liebsten loswerden und einem Koalitionspartner überlassen wolle. Nur gut vier Monate vor dem Wahltermin sorgt die Bildungspolitik nun für Krach bei Rot-Rot-Grün:

Brandenburg kann es besser

Erst im Januar war Scheeres unter massiven politischen Druck geraten, weil sie gegen die Proteste von Eltern, Lehrern und Schulleitern stufenweise zum Präsenzunterricht zurückkehren wollte. (PAZ 2/2021). Dabei hatte die Senatorin ihren Plan als „eine bewusste Entscheidung, eine durchdachte Entscheidung“ bezeichnet und zur Begründung auch auf das Recht auf Bildung hingewiesen. Zudem seien die Folgen unabsehbar, wenn etwa Grundschüler für sechs Wochen nicht in den Schulen seien, so Scheeres im Januar. 

Am Ende sorgte die SPD-Bürgermeisterkandidatin Franziska Giffey dafür, dass Scheeres ihren Plan wieder fallenließ. Im Mai präsentierte die Senatorin nun ein komplettes Kontrastprogramm: Sie legte fest, dass die Kinder bis zum Beginn der Schulferien nicht mehr in den regulären Unterricht zurückkehren sollen. Unabhängig von Inzidenzen will Scheeres bis zu den Sommerferien das Wechselmodell fortführen.

Die Bildungsverwaltung begründet das neuerliche Vorhaben mit dem nahen Ferienstart am 24. Juni und notwendigen Vorbereitungen für einen herkömmlichen Präsenzunterricht, die Wochen dauern würden. Erstaunlicherweise scheint das benachbarte Brandenburg diese Vorbereitungsprobleme nicht zu haben.

Gericht stoppt die Planungen

Brandenburg holt seine Grundschüler nämlich noch vor den Sommerferien in den Regelunterricht zurück. Die Bildungsgewerkschaft GEW und auch der Landesschulbeirat unterstützen dennoch die Linie von Scheeres. Die Linkspartei ist vehement gegen die Rückkehr zum regulären Unterricht vor den Ferien. Ebenso eindeutig legte sich Berlins Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel für eine Rückkehr zum Präsenzunterricht noch vor den Sommerferien fest. 

Abermals schaltete sich auch die SPD-Bürgermeisterkandidatin Giffey in den Streit um den Präsenzunterricht ein. Giffey drängt wie schon im Januar auf eine Kurskorrektur bei der SPD-Schulsenatorin. Gestoppt wurden die Planungen von Scheeres schließlich durch das Berliner Verwaltungsgericht. Dieses gab am 31. Mai dem Eilanträgen zweier Grundschüler auf Wiederaufnahme der Präsenzbeschulung im Regelbetrieb statt. Angesichts der sinkenden positiven Testzahlen sah das Gericht keinen Grund mehr, einen vollständigen Präsenzunterricht an den Berliner Schulen weiter zu verbieten.