29.03.2024

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Folge 22-21 vom 04. Juni 2021 / Ernst August I. / Mit ihm und Queen Victoria endete die hannoversch-britische Personalunion / Der vor 250 Jahren geborene vorletzte König von Hannover schrieb mit der Aufhebung der Verfassung und der Entlassung der Göttinger Sieben Geschichte. Außenpolitisch orientierte er sich im Gegensatz zu seinem Sohn und Nachfolger Georg V. an Preußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-21 vom 04. Juni 2021

Ernst August I.
Mit ihm und Queen Victoria endete die hannoversch-britische Personalunion
Der vor 250 Jahren geborene vorletzte König von Hannover schrieb mit der Aufhebung der Verfassung und der Entlassung der Göttinger Sieben Geschichte. Außenpolitisch orientierte er sich im Gegensatz zu seinem Sohn und Nachfolger Georg V. an Preußen
Heinrich Prinz von Hannover

Mit König Ernst Augusts Regierungsantritt in Hannover 1837 endete aufgrund unterschiedlicher Erbgesetze die 123-jährige Personalunion zwischen Hannover und dem britischen Weltreich. Sie hatte 1714 begonnen, als einer von Ernst Augusts Vorfahren, der Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (Hannover) Georg Ludwig, als Georg I. den Thron in Großbritannien bestieg und damit die Personalunion beider Länder begründete. 

Geburt im Buckingham-Palast

Es war frühmorgens am 5. Juni 1771, als der spätere hannoversche König Ernst August im Buckingham-Palast in London das Licht der Welt erblickte. Seine Jugend verbrachte der Prinz in dem unweit von London an der Themse gelegenen kleinen Dorf Kew, wo sein Vater Georg III., König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover, einen Landsitz unterhielt. Der erste Welfe auf Englands Thron, König Georg I., war Georgs III. Urgroßvater, und Ernst Augusts Eltern lebten bereits in vierter Generation in London. Ernst August war Georgs III. fünfter Sohn und das achte Kind von insgesamt 15 Geschwistern, von denen 13 das Erwachsenenalter erreichten. Schon früh zeigte sich bei Ernst August dessen schnelle Auffassungsgabe, ebenso ein starker Wille sowie eine Neigung zu Ironie und Sarkasmus. Er war wohl der Begabteste unter den Geschwistern.

1786 wurde er im Auftrag seines Vaters mit seinen beiden jüngeren Brüdern August Friedrich und Adolph Friedrich nach Göttingen geschickt, um an der Universität eine Art Studium generale zu erhalten. Im Juli des Jahres immatrikulierten sich die drei Brüder an der Universität und bezogen ein Haus in der heutigen Prinzenstraße. Georg Christoph Lichtenberg war ebenfalls Mieter im Haus der drei Prinzen, die bei ihm in der Wohnung ihren Unterricht erhielten. Die Brüder besuchten aber auch normale Vorlesungen im Universitätsgebäude. Die Universität Göttingen hatte um 1790 bereits 800 Studenten. Die drei Prinzen sorgten neben dem ernsten Studium auch für Zeitvertreib. Sie warfen einmal Münzen aus den Fenstern ihres Quartiers, die Kinder und Studenten fleißig aufsammelten. Wenn diese sich dann um das Geld stritten, gossen die Prinzen kaltes Wasser aus Krügen hinunter und lachten über die Wirkung ihres Tuns. So wuchsen die Brüder heran und Georg III. entschied im Dezember 1790, nun sei es genug an Bildung, und die Söhne sollten sich einer militärischen Ausbildung unterziehen.

Begeisterter Kavallerist

Im Gegensatz zu seinen Brüdern fühlte sich Ernst August der Kavallerie besonders hingezogen. Er war zeitlebens ein hervorragender Reiter. 1792 wurde ihm der Rang eines Obersten in einem Dragonerregiment der kurfürstlichen Armee verliehen. Dienst tat er aber als Rittmeister. 1793 rückte er mit seinem Regiment im ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich ins Feld und wurde dabei am linken Auge schwer verwundet, wovon er sich niemals wieder vollständig erholte. Nach einer ärztlichen Behandlung in England wurde er zum Generalmajor befördert und Hannover schied 1795 aus dem Krieg gegen Frankreich aus. 

Ernst August kehrte nach London zurück und wurde 1799 zum Herzog von Cumberland und zum Mitglied des Oberhauses ernannt. Im „House of Lords“ profilierte er sich als konservativer Parlamentarier und brachte sich in das politische Tagesgeschäft aktiv ein. Seine Gegner aus den Reihen der Whigs, von den 1680er bis in die 1850er Jahre mit den konservativen Torys eine der beiden Parteien des britischen Parlamentarismus, bekämpften ihn mit harten Bandagen und bezeichneten ihn als den „unpopulärsten Prinzen der modernen Zeit“. Seine politische Aktivität brachte die öffentliche Meinung gegen ihn und gegen seine Familie auf, und Ernst August zog sich vorübergehend ins Privatleben zurück. 

Einzug als Sieger in Hannover 1813

Weil der Vater für den streitbaren Prinzen keine bedeutende Verwendung mehr hatte, griff Ernst August ohne Auftrag der Regierung in die Befreiungskriege ein. Am 4. November 1813 zog er als Sieger in Hannover ein und wurde von der Bevölkerung gebührend gefeiert. Doch zum Gouverneur des befreiten Kurfürstentums Hannover, das 1814 zum Königreich erhoben wurde, nachdem deutlich geworden war, dass das Heilige Römische Reich nicht restauriert werden würde, beförderte der Prinzregent Georg (IV.) 1816 den jüngeren Bruder Adolph Friedrich. 

Bereits 1815 hatte Ernst August seine Cousine Friederike zu Mecklenburg geheiratet. Die Herzogin war gleich in doppelter Hinsicht eine Schwägerin des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. Zum einen war sie die jüngere Schwester Königin Luises, uns bekannt durch Johann Gottfried Schadows Prinzessinnengruppe. Zum anderen war sie die Witwe von Friedrich Wilhelms jüngerem Bruder Friedrich Ludwig. Um weiteren Anfeindungen auch innerhalb der eigenen Familie aus dem Weg zu gehen, übersiedelte das junge Paar in die preußische Hauptstadt. 

Da aufgrund seiner langen Abwesenheit von England im dortigen Parlament eine Debatte über eine Reduzierung oder gar Streichung seiner Apanage zu entflammen drohte, bezog das herzogliche Paar schließlich wieder einen Wohnsitz in London. Zum Entsetzen seiner eher zurückhaltenden Brüder griff Herzog Ernst August als konservatives Mitglied im Oberhaus wieder in den politischen Kampf ein. Dabei richtete er sein Augenmerk auf die anglikanische Kirche. Mit ganzer Kraft suchte er die Rechte der englischen Staatskirche, die aus der Reformation hervorgegangen war, zu verteidigen.

Profilierung als Konservativer

Am 26. Juni 1830 starb Ernst Augusts ältester Bruder König Georg IV. kinderlos. Der drittälteste Bruder von Ernst August bestieg als Wilhelm IV. die Throne in London und Hannover. Für Ernst August rückte die Thronfolge in Hannover immer näher. Wilhelm IV. hatte nämlich keine legitimen Nachkommen, und der bereits verstorbene ältere Bruder Ernst Augusts, Eduard Herzog von Kent, hatte 1819 nur eine Tochter hinterlassen, die spätere Königin Victoria von England, die 1837 nach Wilhelms IV. Tod den englischen Thron bestieg. In Hannover konnte Victoria den Thron allerdings nicht besteigen, da die hannoverschen Erbgesetze nur männliche Nachfolger zuließen. Somit erbte im Jahre 1837 Victorias Onkel, Ernst August Herzog von Cumberland, die hannoversche Krone, und es endete die 123-jährige Personalunion.

Die Regierung des Königs Ernst August in Hannover begann mit einem Paukenschlag. Er erkannte die neue Verfassung seines Bruders Wilhelm IV. von 1833 nicht an und hob diese 1837 wieder auf. Vorangegangen war ein jahrelanger Streit über die Mitsprache bei der Verfassungsreform in Hannover. Bereits als Herzog von Cumberland hatte sich Ernst August übergangen und falsch informiert gefühlt. Seine Rechte als hannoverscher Thronfolger und die seines Hauses wären bei der Verfassungsreform nicht gewahrt worden. Es kam zu dem berühmten Protest der Göttinger Sieben Professoren, die der König entließ. Bis heute verbindet sich damit die Vorstellung vom Protest einer bürgerlich-liberalen Gruppe von Gelehrten gegen die willkürliche Zurücknahme fortschrittlicher Gesetze durch einen Staatsstreich des Monarchen.

Englandreise als König

Nachdem Ernst August diesen wichtigen politischen Kampf gewonnen hatte, trat er seine schon lange geplante und mehrfach verschobene Englandreise an, um seiner Nichte Königin Victoria einen Besuch abzustatten. Die englische Regierung blickte gespannt nach Hannover. In London hatte man den hannoverschen Verfassungskonflikt von 1837 noch in Erinnerung und befürchtete weitere unberechenbare Handlungen des konservativen Königs. Zum Entsetzen der Regierung Königin Victorias gab Ernst August bekannt, dass er inkognito nach England komme und in seiner Eigenschaft als Herzog von Cumberland der Insel einen Besuch abstatten wolle. 

Am 2. Juni 1843 traf Ernst August in London ein und bezog Quartier im St James’s Palace, bis 1837 die offizielle Londoner Residenz der britischen Monarchen. Der König unternahm Inspektionsreisen durch das Land, die ihm als Herzog von Cumberland zustanden. Während der Hochzeit seiner Nichte Augusta von Cambridge kam es zu einem bemerkenswerten Zusammentreffen mit der königlichen Familie in Schloss Windsor. Der Prinzgemahl Albert drängte sich vor König Ernst August, um sich zuerst in das Register einzutragen. Und der König übte dadurch Vergeltung, dass er bei dem feierlichen Zug aus der Kapelle schnell den Arm der Königin Victoria ergriff. Ernst August war schließlich froh, als er am 7. September 1843 die Heimreise antrat.

Am Ende liberal und reformfreudig

Die weitere Regierung des Königs Ernst August war von Reformen geprägt. In der Revolution von 1848 berief er ein gemäßigt liberales Kabinett und erließ die liberalste Verfassung in der Geschichte des Königreichs. Im Gegensatz zu seinem einzigen Sohn, der nach seinem Tod am 18. November 1851 als König Georg V. seine Nachfolge im Königreich Hannover antrat, um dieses nach dem an der Seite Österreichs verlorenen Deutschen Krieg von 1866 an das siegreiche Preußen zu verlieren, richtete Ernst August seine Politik stets am preußischen Nachbarn  aus.

Heinrich Prinz von Hannover, 

Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, ist ein Urenkel Kaiser Wilhelms II. und ein Urururenkel König Ernst Augusts I.. Er arbeitet als Verleger in Göttingen.