04.05.2024

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Folge 22-21 vom 04. Juni 2021 / Für Sie gelesen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-21 vom 04. Juni 2021

Für Sie gelesen

Ein Weg aus der Schuld

Das althochdeutsche Wort Suona geht auf den Begriff „Sühne“ zurück, der sich ableitet von dem Wort für „Urteil“. Daran angelehnt wählten die Diplom-Psychologen Eckart Koellreuter und Kurt Guss für ihr Buch den Titel „Suona. Zwei Kriegskinder sprechen über Schuld und Versöhnung“. Professor Kurt Guss (geb. 1943) ist Präsident der Ostwestfalen-Akademie, Eckart Koellreuter (geb. 1945) war viele Jahre Leiter des Schulpsychologischen Beratungsdienstes der Stadt Hagen. Während ihrer Studienzeit in Münster waren die Autoren eng miteinander befreundet. Nach langen Jahren der Trennung erneuerten sie ihre Freundschaft und begannen einen von gegenseitiger Empathie getragenen E-Mail-Dialog, der sie zu den existentiellen Fragen ihres Lebens führte. Daraus entstand dieses sehr lesenswerte Buch.

Eckart belastet ein Identitätskonflikt. Er findet keine Ruhe bei dem Gedanken, dass sein Vater und sein Großvater als überzeugte Nationalsozialisten den Rassenwahn propagierten. Sein Großvater, der Jurist Otto Kollreutter, war einer der führenden Staatsrechtslehrer im Dritten Reich. Erst in letzten Kriegsjahren wurde seine Haltung gegenüber dem NS-Regime kritischer. Kurt plagt sich mit Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Tod seiner Mutter. Beide Autoren haben ihre schwere Alkoholabhängigkeit überwunden, Beiden gemeinsam ist zudem die Erfahrung, den leiblichen Vater nicht gekannt zu haben. Ihre Väter starben als Soldaten im Weltkrieg. 

Während Eckart väterliche Anerkennung durch seinen Stiefvater erfuhr, erhielt Kurt diese stärkende Zuwendung während seines Aufwachsens nicht. In ihren E-Mails blättern sie verschiedene Kapitel im Buch ihres Lebens auf, oftmals dort, wo sie hoffen, wenn schon nicht einen Sinn für das Geschehene, so doch hilfreiche Antworten zu finden. Sie verspüren eine starke Sehnsucht, das Gefühl der Befreiung von jahrzehntelang mitgeschleppten Gefühlslasten zu erfahren. 

Eckart: „Ich wäre kein Psychologe, wenn ich mir darüber keine Gedanken machte, warum wir beide so zäh an unseren Schuldzuweisungen festhalten ... Ich bin kein Psychoanalytiker, aber ich habe immer stärker den Verdacht, dass wir sie brauchen, dass sie in unserem Seelenhaushalt irgendeine wichtige Rolle spielen, die wir herausfinden sollten.“ Kurt: „Unsere Väter und Großväter waren Menschen und sie waren Versuchungen des Geistes ausgesetzt, die wir nicht kennen, die wir uns nicht einmal vorstellen können.“ 

Viele der sehr persönlichen Äußerungen der Autoren sind wahrscheinlich bezeichnend für das familiäre Erbe zahlloser Kriegskinder. Für Kurt und Eckart erwies sich ihr schriftlicher Gedankenaustausch „ohne Schere im Kopf“ als ein Wegweiser, um die Maxime der Anonymen Alkoholiker bewusst an der Stelle umzusetzen, wo es schwerfällt: „Was hilft, ist nicht das Grübeln. Was hilft, ist nicht einmal das Verstehen. Was hilft, ist allein das Tun.“

 Dagmar Jestrzemski

Eckart Koellreutter/Kurt Guss: „Suona. Zwei Kriegskinder sprechen über Schuld und Versöhnung“, Heureka! Verlag der Ostwestfalen-Akademie, Borgenteich 2019, gebunden, 208 Seiten, 30 Euro