19.04.2024

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Folge 23-21 vom 11. Juni 2021 / Seuchenprävention Um künftige Pandemien durch hochansteckende Vogelgrippeviren zu verhindern, ist es nötig herauszufinden, wie diese sich verbreiten, um dann die Übertragungswege zu blockieren / Sind weitere Pandemien unabwendbar? / Viele hochinfektiöse Viren im Tierreich können auf den Menschen überspringen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-21 vom 11. Juni 2021

Seuchenprävention Um künftige Pandemien durch hochansteckende Vogelgrippeviren zu verhindern, ist es nötig herauszufinden, wie diese sich verbreiten, um dann die Übertragungswege zu blockieren
Sind weitere Pandemien unabwendbar?
Viele hochinfektiöse Viren im Tierreich können auf den Menschen überspringen
Wolfgang Kaufmann

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Denn es existieren derart viele hochinfektiöse Viren im Tierreich, die auch auf den Menschen überspringen können, dass weitere globale Seuchen unabwendbar scheinen. Die Experten des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) bezifferten die Zahl der potentiell gefährlichen Erreger Ende 2020 auf 500.000 bis 850.000. Als besonders bedrohlich gelten dabei die Hochpathogenen Aviären Influenzaviren (HPAIV). Diese lösen unter anderem die Vogelgrippe und die Geflügelpest aus. 

Das FLI verdächtigt die Zugvögel

Zu den HPAIV gehört auch der Influenza-Subtyp A/H5N8. Er wurde 1983 entdeckt und trat seither immer wieder in Wild- und Zuchtvogelpopulationen auf. Zur ersten Ansteckung von Menschen mit dem Virus kam es vergangenen Dezember in einer Geflügelfarm in der Oblast Astrachan im Süden der Russischen Föderation. 

Deshalb warnen Weifeng Shi und George Gao von der chinesischen Akademie der Wissenschaften nun in einem Artikel in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ vor dem pandemischen Potenzial von A/H5N8, das eine straffe weltweite Überwachung und strenge Eindämmung des Virus nötig mache. Zwar gebe es aktuell noch keine Anzeichen dafür, dass der Erreger nach seinem Überspringen vom Tier auf den Menschen auch von Mensch zu Mensch übertragbar sei, jedoch zeige die Erfahrung, wie schnell so etwas passieren könne, wenn Mutationen aufträten. Dann drohe unter Umständen eine ähnliche Pandemie wie im Falle des Coronavirus. Fatalerweise, so Shi und Gao weiter, lägen die Prioritäten derzeit auf der Erforschung von SARS-CoV-2. Dadurch gerate die Kontrolle der Ausbreitung von A/H5N8 ins Hintertreffen. 

Wie berechtigt der Alarmruf der beiden chinesischen Wissenschaftler ist, zeigt die Tatsache, dass vergangenes Jahr trotz der Konzentration auf Corona in 46 Staaten Europas, Asiens und Afrikas A/H5N8-Infektionen festgestellt wurden.

Oder sind’s die Geflügeltransporte?

In Deutschland registrierte das dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstehende Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) allein seit vergangenem Oktober 1200 Fälle bei Wildvögeln und 250 Ausbrüche in Geflügelzuchtbetrieben fast aller Bundesländer. Dabei spielten auch die verwandten HPAIV-Typen A/H5N5 und A/H5N1 eine gewisse Rolle. Der letztgenannte Erreger ist nicht zu verwechseln mit dem ursprünglichen A/H5N1-Virus, dem zu Beginn der 2000er Jahre einige Hundert Menschen zum Opfer gefallen waren. Denn jener mutierte in der Folgezeit, womit ein unmittelbarer Übergang auf den Menschen momentan kaum mehr erfolgen kann. 

Allerdings sind weitere und diesmal erneut brandgefährliche Veränderungen möglich. So fanden US-amerikanische Forscher 2005 heraus, dass der „Urahn“ von A/H1N1, also des Verursachers der verheerenden Spanischen Grippe von 1918 bis 1920, wahrscheinlich ein verändertes HPAIV von der Art des A/H5N1 gewesen ist.

Um künftige Pandemien durch Hochpathogene Aviäre Influenzaviren zu verhindern, ist es nötig herauszufinden, wie diese sich verbreiten, um dann die Übertragungswege zu blockieren. Das FLI geht davon aus, dass Zugvögel hier die Hauptrolle spielen. Dem widerspricht der Biogeograph und Vogelkundler Peter Petermann von der Hessischen Gesellschaft für Naturschutz, der sich seit Jahren mit dem Thema befasst. Er hält die massenhaften Geflügeltransporte auf der Straße für die wahre Ursache des Übels. Dadurch könnten sich die Viren besonders schnell und weiträumig verbreiten.





Kurzporträts

Der chinesische Virologe George Fu Gao warnt gemeinsam mit seinem Kollegen Weifeng Shi vor einer Pandemie durch das Vogelgrippe-Virus A/H5N8

Peter Petermann von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz hält Geflügeltransporte auf der Straße für überaus riskant

Für den US-amerikanischen Virologen Robert Webster stand schon 2003 fest, dass der ersten SARS-Pandemie ein größerer Virus-Ausbruch folgen wird