27.04.2024

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Folge 23-21 vom 11. Juni 2021 / Grönland / Inuit-Regierung sucht Annäherung an die USA / Wachsendes Interesse an den Rohstoffen in der Arktis – „Gemeinschaft der Inuit“ glaubt, dass Dänemark als Schutzmacht militärisch zu schwach sei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-21 vom 11. Juni 2021

Grönland
Inuit-Regierung sucht Annäherung an die USA
Wachsendes Interesse an den Rohstoffen in der Arktis – „Gemeinschaft der Inuit“ glaubt, dass Dänemark als Schutzmacht militärisch zu schwach sei
Wolfgang Kaufmann

Grönland ist nicht nur die mit Abstand größte Insel der Welt, sondern auch von enormer wirtschaftlicher und geopolitischer Bedeutung. Unter dem jetzt sukzessive wegschmelzenden Eisschild von Kalaallit Nunaat – so die Bezeichnung des Eilands in der Sprache seiner Bewohner – liegen enorme Vorkommen an Gold, Platin, Kupfer, Zink, Nickel, Molybdän, Eisen, Blei, Kryolith, Titan, Kohle, Uran und Erdöl beziehungsweise Erdgas. Dazu kommen Rubine, Saphire und Diamanten sowie die jetzt immer wichtiger werdenden Seltenen Erden, welche unter anderem für Mobiltelefone, Windkraftanlagen und Elektroautos benötigt werden. 17 dieser strategisch bedeutsamen Elemente finden sich alleine im Kvanefjeld, das die zweitgrößte Lagerstätte für Seltene Erden weltweit darstellt. Und in der 200 Seemeilen breiten ausschließlichen Wirtschaftszone rund um Grönland, die fast bis zum Nordpol reicht, gibt es am Meeresboden sicher noch weitere Reichtümer.

Gleichzeitig liegt die Insel strategisch überaus günstig: Von hier aus können weite Abschnitte der sogenannten GIUK-Lücke kontrolliert werden. So heißt der Engpass zwischen dem Nordatlantik und dem Europäischen Nordmeer beziehungsweise der Grönlandsee, welcher sich von Grönland über Island bis nach Großbritannien erstreckt. Russische Kriegsschiffe, die aus ihren Stützpunkten an der Barentssee und dem Weißen Meer kommen, müssen diesen Flaschenhals passieren, wenn sie weltweit operieren wollen. Deshalb ist Nordgrönland ein idealer Vorposten gegen Russland. Deshalb haben die USA hier schon im Jahre 1951 die Thule Air Base angelegt, die sie bis heute nutzen. Möglich wurde dies durch ein Abkommen mit dem NATO-Partner Dänemark, dem die Insel faktisch gehört.

Kopenhagen hat Grönland inzwischen zwar einige Autonomierechte gewährt, kontrolliert aber weiterhin die Sicherheits- und Außenpolitik von Kalaallit Nunaat. Als Ausgleich überweist es jährlich rund 500 Millionen Euro an die Inselregierung. Aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutsamkeit Grönlands versuchen nun allerdings auch fremde Mächte, hier Fuß zu fassen. Dazu zählt nicht zuletzt die Volksrepublik China, welche sich momentan noch hinter dem australischen Konzern Greenland Minerals versteckt, dessen Hauptaktionär seit 2016 die Shenghe Resources Holding ist und der unbedingt Schürfrechte auf Grönland erwerben möchte.

Das größte Interesse an der Insel haben indes die Vereinigten Staaten. Im Jahre 2019 ventilierte der damalige Präsident Donald Trump sogar den Plan, diese käuflich zu erwerben und den USA einzuverleiben. Das ist mit dem Wechsel des Amtsinhabers im Weißen Haus vom Tisch, jedoch streckt auch die Regierung Biden ihre Fühler nach Grönland aus, um einerseits den wirtschaftlichen Konkurrenten China auszustechen und andererseits die US-Präsenz in der Arktis zu erhöhen, was natürlich zu Lasten Russlands gehen soll.

Gleichzeitig wollen die Grönländer ihrerseits die totale Unabhängigkeit: Rund zwei Drittel der Inselbewohner sprechen sich mittlerweile für eine vollkommene Loslösung von Dänemark aus. Daher verhalfen sie bei der letzten Parlamentswahl am 6. April dieses Jahres der linken Partei Inuit Ataqatigiit (Gemeinschaft der Inuit) zum Sieg, welche die unverzügliche Unabhängigkeit anstrebt und mit der eher der Mitte zuzuordnenden Naleraq (Orientierungspunkt) koaliert, die im Prinzip das selbe Ziel verfolgt. Wobei die Grönländer mit ihrem Votum parallel noch die bisher regierende sozialdemokratische Siumut (Vorwärts) abstraften, welche die Vergabe von Schürfrechten an Greenland Minerals befürwortet hatte.

Nach der Ernennung von Múte Inequnaaluk Bourup Egede von der Inuit Ataqatigiit zum Premierminister signalisierte dieser sogleich, dass er Grönland nicht nur in die Unabhängigkeit führen wolle, sondern auch eine deutliche Annäherung an die USA anstrebe. Hierbei genießt er die Unterstützung des neuen Ministers für Äußeres, Handel, Klima und Erwerb Pele Broberg von der Naleraq. Der sagte, das dänische Militär sei viel zu schwach, um die ressourcenreiche Insel vor einer Invasion zu bewahren, wobei er freilich offen ließ, wem er so einen Angriff zutraue. Deshalb, so Broberg weiter, wolle die Regierung in Nuuk Grönland unter den Schutz der Streitkräfte der Vereinigten Staaten stellen. Dabei hatte Kopenhagen erst kürzlich beschlossen, 240 Millionen Dollar zu investieren, um die Verteidigungsfähigkeit Grönlands zu verbessern – so zum Beispiel durch die Stationierung von weiteren Kriegsschiffen. Doch das reicht den Grönländern offenbar nicht aus. Dergestalt in Panik versetzt, versuchte die dänische Regierung in den letzten Wochen, das Problem der künftigen Beziehungen der Insel zu den USA im direkten Dialog mit Washington, also ohne Einbezug des neuen Kabinetts Egede, zu klären. Dieser deutliche Affront veranlasste den grönländischen Außenminister dazu, seinen US-Amtskollegen Antony Blinken bei einer Zwischenlandung auf dem Flughafen von Kangerlussuaq mehrfach mit der Forderung zu konfrontieren: „Nichts über uns und ohne uns!“