23.04.2024

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Folge 23-21 vom 11. Juni 2021 / Ostpreußische Museumsstücke / Drama in Ostpreußen / Das Treffen der Königin Luise mit dem Kaiser der Franzosen wurde in der Kunst ganz verschieden rezipiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-21 vom 11. Juni 2021

Ostpreußische Museumsstücke
Drama in Ostpreußen
Das Treffen der Königin Luise mit dem Kaiser der Franzosen wurde in der Kunst ganz verschieden rezipiert
Joachim Mähnert

Jeder, der sich mit der Geschichte Ostpreußens beschäftigt, stößt bald auf die Begegnung der preußischen Königin Luise mit Napoleon Bonaparte in Tilsit im Jahr 1807. Was den Briten ihre Lady Di ist, war den Deutschen einst ihre Königin Luise: verehrt, von Legenden umrankt, jung verstorben. Sie starb 1810 im Alter von nur 34 Jahren. Das „edelste, vollendetste menschliche Wesen, was vielleicht je die Erde trug. Die vollkommensten Weiber jedes Zeitalters hätten ihr weichen müssen!“ schrieb damals einer, der es wissen sollte, ihr Bruder Georg.

Die junge Luise, „Junker Husch“, hatte als Kronprinzessin rasch den Berliner Hof verzaubert. Schön, anmutig, modisch stilbildend, glücklich verheiratet, bürgernah, galt sie als mildtätig und gute Mutter ihrer zehn Kinder, kurz, als Herrscherideal, als das Vorbild jeder Frau in Preußen. Nach ihrem Tod wurde sie verklärt zu einer Märtyrerin, die sich für Volk und Vaterland gegen Napoleon geopfert hatte.

Denn Luise galt als Kriegstreiberin im aufziehenden Konflikt gegen Frankreich. Nach der katastrophalen Niederlage bei Jena und Auerstedt 1806 floh sie mit ihren Kindern unter dramatischen Umständen bei unwirtlichem Winterwetter erst nach Königsberg, dann schwer erkrankt – vermutlich Typhus – weiter über die kaum passierbare Nehrung nach Memel.

Im Juni 1807 blieb Napoleon mit der Schlacht bei Friedland endgültig siegreich. Die anschließenden Verhandlungen über die Zukunft Europas führte der Kaiser der Franzosen mit dem russischen Zaren; der preußische König Friedrich-Wilhelm III., Luises Gemahl, blieb mehr oder weniger nur Zuschauer. In dieser Not sollte die Königin selbst Napoleon zu milden Friedensbedingungen überreden. Für Luise war es ein Opfergang: „Und dann die Aussicht, das Ungeheuer zu sehen, nein, das ist zuviel. Ihn zu sehen, den Quell des Bösen! die Geißel der Erde! alles Gemeine und Niederträchtige in einer Person vereinigt, und sich vor ihr noch verstellen und heiter und liebenswürdig erscheinen zu müssen!!! Wird der Himmel denn nie aufhören, uns zu strafen?“ notierte sie vor dieser Begegnung. „Sire, ich habe sie gesehen, seien Sie auf Ihrer Hut – ich glaube nicht, dass auf der Erde ein schöneres Weib existiert“, soll wiederum der französische Diplomat Talleyrand seinen Kaiser gewarnt haben.

Das Treffen verlief ergebnislos. Preußen verlor fast die Hälfte seiner Besitzungen und musste hohe Kontributionen leisten. Luise hatte das Klima Ostpreußens noch zwei weitere Jahre bis zu ihrer Rückkehr nach Berlin zu erdulden; wenige Monate später starb sie. Die 1813 von Ostpreußen ausgehendenden „Befreiungskriege“ wurden bereits in ihrem Namen geführt. „Jetzt ist Luise gerächt“, soll Generalfeldmarschall Blücher beim Einzug in Paris verlautet haben. Als 1870 der preußische König Wilhelm die Kriegserklärung aus Paris exakt am 60. Todestag seiner Mutter erhielt, wurde auch der zur Reichsgründung führende Deutsch-Französische Krieg 1870/71 im Namen Luisens geführt und der ihr gewidmete Orden, das Eiserne Kreuz, neu aufgelegt.

Interessant ist, wie diese Begegnung künstlerisch verarbeitet wurde. Im Gemälde von Rudolf Eichstaedt von 1895 sehen wir eine in unschuldiges Weiß gekleidete Luise, durchaus ihre weiblichen Reize einsetzend, einem dominanten Napoleon mit Reitgerte gegenüberstehend; durch das Fenster erkennen wir Truppen - Preußen ist ein besetztes Land. Die Machtverhältnisse sind klar: Luise fleht um einen milden Frieden.

Dem besonders von Kaiser Wilhelm II. geschätzten Bildhauer Gustav Eberlein – er hatte auch das Tilsiter Luisen-Denkmal geschaffen – verdanken wir einen lebensgroßen Denkmalentwurf aus dem Jahr 1901, der dieselbe Szene wiedergeben will. Hier aber überragt Luise Napoleon körperlich und moralisch, sie zeigt dem Kaiser die kalte Schulter und lässt ihn, zur Germania überhöht, einfach abblitzen. Die Siege von Waterloo 1815 und Sedan 1870 hatten das damalige Machtverhältnis in den Köpfen dieser Zeit offenbar verschoben. Diese scheinbare Überlegenheit Preußens über seinen „Erzfeind“ Frankreich traf damals einen Nerv im nationalen Empfinden Deutschlands. 13 Jahre später zogen Millionen junger Deutscher mit Siegesgewissheit in den Ersten Weltkrieg.

Denkmäler werden seit einiger Zeit kritisch hinterfragt und zuweilen gestürzt. Besser scheint die historische Kontextualisierung. Sie vermag einen nicht selten irreführenden Zeitgeist zu offenbaren. Um das durchaus mögliche Gift solcher Bildsprache zu entschärfen, hilft sicher nichts besser als solide historische Kenntnis – etwa durch einen Museumsbesuch.

Dr. Joachim Mähnert ist Historiker und Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums. Internet: www.ol-lg.de