25.04.2024

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Folge 23-21 vom 11. Juni 2021 / Wilhelm Leopold Colmar Freiherr von der Goltz / „Ein preußischer Offizier nimmt kein Trinkgeld“ / Vom militärischen Multitalent und seinem Einfluss auf die deutsche Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-21 vom 11. Juni 2021

Wilhelm Leopold Colmar Freiherr von der Goltz
„Ein preußischer Offizier nimmt kein Trinkgeld“
Vom militärischen Multitalent und seinem Einfluss auf die deutsche Geschichte
Wolfgang Kaufmann

Dass die Türkei heute über die zweitstärkste NATO-Armee nach den USA verfügt und die türkischen Streitkräfte gerne auf deutsche Waffen zurückgreifen, ist nicht zuletzt eine Folge des Wirkens von Wilhelm Leopold Colmar Freiherr von der Goltz.

Der spätere Generalfeldmarschall kam am 12. August 1843 im ostpreußischen Gutsdorf Adlig Bielkenfeld, Landkreis Labiau, zur Welt und machte ab 1861 bei der Infanterie Karriere. Wichtige Höhepunkte derselben waren die Kommandierung in den Großen Generalstab 1867 und die Berufung zum Lehrer an der Kriegsakademie in Berlin, an der er von 1878 bis 1883 unterrichtete. Danach wurde der Major von der Goltz nach Istanbul entsandt. Dort sollte er helfen, die Streitkräfte des Osmanischen Reiches zu modernisieren. Aufgrund seiner hervorragenden fachlichen Kenntnisse und Befähigung zur Menschenführung auch unter komplizierten Umständen avancierte der Offizier sukzessive zum Generalinspekteur aller türkischen Militärschulen und zum Müschir (Marschall), womit die Verleihung des Ehrentitels „Pascha“ verbunden war.

Einfluss auf Waffenkäufe der Türkei

Während des Aufenthaltes am Bosporus gelang es von der Goltz, Einfluss auf die Waffenkäufe des Osmanischen Reiches zu nehmen – mit dem Ergebnis, dass Deutschland zeitweise fast eine Monopolstellung erlangte, was die Lieferung von Rüstungsgütern an Istanbul betraf. Dabei nutzte der kultursensible Preuße die Mentalität seiner Gastgeber, indem er großzügig mit Bestechungsgeldern winkte. Sich selbst zu bereichern, war ihm jedoch zuwider. So wies er das Angebot des Waffenfabrikanten Ludwig Loewe einer Übertragung von Aktien von dessen Unternehmen unmissverständlich zurück: „Sie haben es gut gemeint, aber ein preußischer Offizier nimmt keine Trinkgelder!“ Darüber hinaus konnte von der Goltz den türkischen Sultan Abdülhamid II. davon überzeugen, einige seiner Militärs zur Ausbildung nach Preußen zu entsenden. Das führte zur Bildung eines prodeutschen Kerns im osmanischen Heer und beeinflusste die türkische Haltung im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg.

1895 kehrte der „Pascha“ in die Heimat zurück, wo er zum Generalleutnant ernannt wurde und das Kommando über die 5. Division in Frankfurt an der Oder erhielt, bevor man ihn 1898 zum Chef des Pionierkorps und Inspekteur der Festungen machte. In dieser Eigenschaft modernisierte von der Goltz das bisher stark vernachlässigte Pionierwesen. Außerdem ließ er entlang der ostpreußisch-russischen Grenze Befestigungsanlagen errichten, ohne die der Vorstoß der zaristischen Armeen im August und September 1914 noch dramatischere Ausmaße angenommen hätte. In Würdigung der Verdienste des Offiziers erfolgten 1900 und 1908 zwei weitere Beförderungen: Zuerst zum General der Infanterie und dann zum Generaloberst. 1902 rückte von der Goltz zudem an die Spitze des I. Armeekorps in Königsberg; und fünf Jahre später übernahm er die Inspektion der 6. Armee in Stuttgart. 1911 bewährte sich von der Goltz in den Kaisermanövern auf derart herausragende Art und Weise, dass Wilhelm II. ihn zum Generalfeldmarschall ernannte – eine sehr ungewöhnliche Ehre in Friedenszeiten.  

Aufgrund der hohen Meinung, welche der Kaiser von dem militärischen Multitalent hatte, wäre von der Goltz 1905 beinahe Generalstabschef und 1909 dann sogar um ein Haar Reichskanzler geworden. 1905 scheiterte die Ernennung an seinen konservativen Gegnern, welche in ihm nur den unbequemen Neuerer sahen. Und 1909 hatte der Generalfeldmarschall einfach das Pech, dass er gerade zu einem Besuch in der Türkei weilte, als das Amt des Regierungschefs vakant wurde, und der Kaiser die Visite für zu wichtig hielt, um sie abrupt abzubrechen. Daher avancierte anstelle seiner Theobald von Bethmann Hollweg zum Kanzler. 

Grenzschutz zu Russland

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde von der Goltz, der sich seit 1913 im Ruhestand befand, reaktiviert. Allerdings blieb sein großer Wunsch, die Verteidigung Ostpreußens leiten zu dürfen, unerfüllt. Stattdessen wurde er zunächst  zum Generalgouverneur von Belgien ernannt und anschließend erneute nach Istanbul entsandt. Dort fungierte er ab Dezember 1914 als militärischer Berater des Sultans und übernahm später das Kommando über die 1. beziehungsweise 6. türkische Armee. Letztere operierte in Mesopotamien gegen die Briten. Deswegen lag von der Goltz’ Hauptquartier in Bagdad, wo der populäre Generalfeldmarschall im April 1916 verwundete Soldaten im Lazarett besuchte. Dabei infizierte sich der 72-Jährige mit Typhus. Dieser Krankheit  erlag er schließlich am 19. April 1916. Erst zwei Monate später wurden die sterblichen Überreste des Offiziers nach Konstantinopel überführt und im Garten der Sommerresidenz der deutschen Botschaft im noblen Villenviertel Tarabya unweit des europäischen Ufers des Bosporus erneut bestattet. 

Von der Goltz’ Vermögen in Höhe von rund einer Million Mark floss in eine Stiftung, deren Ziel es war, mittellose deutsche Kriegsheimkehrer zu unterstützen. Diese investierte das Geld später in den Bau der Siedlung Duisburg-Bissingheim, die nach dem Gründer des Vereins für Kriegsbeschädigte, Generaloberst Moritz Ferdinand von Bissing, benannt wurde.