19.04.2024

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Folge 24-21 vom 18. Juni 2021 / Geschichtspolitik / Radikalenerlass soll „aufgearbeitet“ werden / Grüne und Linkspartei klagen über Willy Brandts Abwehr von Demokratiefeinden in den 70ern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-21 vom 18. Juni 2021

Geschichtspolitik
Radikalenerlass soll „aufgearbeitet“ werden
Grüne und Linkspartei klagen über Willy Brandts Abwehr von Demokratiefeinden in den 70ern
Frank Bücker

Berlins rot-rot-grüne Landesregierung will den 1972 von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) auf den Weg gebrachten Radikalenerlass „aufarbeiten“. Grüne und Linkspartei wollen noch weiter gehen, werden dabei allerdings von der SPD gebremst. Die Sozialdemokraten befürchten, dass der erste SPD-Bundeskanzler dabei beschädigt werden wird. Grüne und Linkspartei hingegen betreiben ihr Ziel mit Nachdruck. 

Niklas Schrader (Linkspartei) klagt darüber, dass sich sein Vater als Angehöriger der maoistischen KPD/AO gar nicht erst um eine Doktorandenstelle an der Technischen Universität beworben habe. Schließlich habe er nach dem Studium als Psychologe in einem diakonischen Krankenhaus gearbeitet. Hans Christian Ströbele (Grüne), inzwischen 82 Jahre alt, klagt über die Kanzlerschaft Willy Brandts: „Aber eigentlich hatte sich nichts verändert. Die Sozialdemokraten waren nach wie vor ein Repressionsapparat.“ 

SPD fürchtet um Brandts Ansehen

Der Vorsitzende der Berliner GEW, Tom Erdmann, kritisiert, man habe sich mehr gewünscht als nur eine wissenschaftliche Aufarbeitung 70er Jahre, nämlich eine Entschuldigung und gar eine Entschädigung für zumindest einige der Betroffenen. Der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn (SPD), verteidigte den Radikalenerlass einst mit dem Vergleich, man könne schließlich nicht Topterroristen wie Ulrike Meinhof als Lehrerin und Andreas Bader bei der Polizei beschäftigen. 

Die Berliner SPD sperrt sich gegen die weitgehenden Forderungen mit Rücksicht als ihre Ikone Willy Brandt. Der Radikalenerlass wurde später scheibchenweise wieder abgeschafft. 1979 kassierte die Bundesregierung (damals SPD/FDP) ihren eigenen Erlass wieder ein, auf Länderebene machte das Saarland unter dem Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine (damals SPD) den Anfang. Selbst Bayern interessierte sich ab 1991 nicht mehr für Linksextremisten und andere Verfassungsfeinde im Öffentlichen Dienst. Immerhin waren 3,5 Millionen Mitarbeiter oder Bewerber des Öffentlichen Dienstes überprüft worden. 1250 Bewerber wurden als Lehrer und Hochschullehrer nicht eingestellt. Seit der Radikalenerlass nicht mehr angewendet wird, hat die Zahl sehr weit links orientierter Lehrer stark zugenommen.

Wie das Bekenntnis des Linkspartei-Politikers Schrader zeigt, verzichteten viele Extremisten wegen des Erlasses auf eine Bewerbung im Öffentlichen Dienst. Letztlich wurden nur rund 260 von ihnen aus dem Dienst entfernt. Bereits 2016 setzte das Land Niedersachsen eine Kommission „zur Aufarbeitung der Schicksale der von niedersächsischen von Berufsverboten betroffenen Personen und der Möglichkeiten ihrer politischen und gesellschaftlichen Rehabilitierung“ ein. In Hamburg und Bremen haben sich die Landesregierungen bei den Betroffenen bereits entschuldigt. Bremen zahlt in Einzelfällen sogar einen Ausgleich für geminderte Renten. 

In Berlin soll bislang lediglich eine wissenschaftliche Aufarbeitung stattfinden. Eine Entschuldigung oder gar Entschädigung ist nicht vorgesehen. GEW-Chef Erdmann gibt der SPD die Schuld daran. Man habe sich „mehr gewünscht“.