08.05.2024

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Folge 24-21 vom 18. Juni 2021 / Unternehmen Barbarossa / „Nur ein Sandkastenspiel“ / Vor 80 Jahren begann der deutsch-sowjetische Krieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-21 vom 18. Juni 2021

Unternehmen Barbarossa
„Nur ein Sandkastenspiel“
Vor 80 Jahren begann der deutsch-sowjetische Krieg
Klaus J. Groth

Der Krieg gegen die Sowjetunion brach vor 80 Jahren ohne Kriegserklärung los. Auf ausdrückliche Anweisung Adolf Hitlers war das Wort „Kriegserklärung“ in dem Memorandum vermieden worden, das der deutsche Botschafter Friedrich-Werner Graf von Schulenburg dem sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw Molotow am 22. Juni 1941 in Moskau überreichte. Die verhängnisvollste Katastrophe der deutschen Militärgeschichte, vorbereitet unter dem Codewort „Barbarossa“, begann mit einer vorgeschobenen Erklärung.

Noch am Abend zuvor hatte Molotow sich gegenüber von Schulenburg besorgt gezeigt, man beobachte bei der deutschen Regierung eine unbestimmte Missstimmung, wenn man die Gründe dafür kenne, wolle man Abhilfe schaffen. Als von Schulenburg in die deutsche Botschaft zurückgekehrt war, hatte der Dechiffrierdienst gerade ein Telegramm des Außenministers Joachim von Ribbentrop entschlüsselt. Es wies den deutschen Botschafter an, die Kriegserklärung des Reiches zu übermitteln – bei Vermeidung des Wortes „Kriegserklärung“.

Es war frühmorgens um 4 Uhr, als von Schulenburg abermals bei Molotow vorstellig wurde. Nun verlas er, was ihm aus Berlin übermittelt worden war: Die Sowjetunion habe den Nichtangriffspakt durch den Aufmarsch der Roten Armee an der Grenze, konspirative Tätigkeit der Komintern in Deutschland sowie die Annexion Ostpolens und der baltischen Staaten gebrochen. Damit sei sie dem Krieg führenden Deutschland „in den Rücken gefallen“. Die Wehrmacht habe Befehl, „dieser Bedrohung mit allen zur Verfügung stehenden Machtmitteln entgegenzutreten“. Erst als Molotow nachfragte, ob das Krieg bedeute, bestätigte von Schulenburg dies. Da bombardierten deutsche Flugzeuge bereits seit drei Stunden sowjetische Städte. 

Hitler plante Blitzkrieg gegen die SU

Zwei Stunden zuvor hatte ein Güterzug die Brücke von Brest-Litowsk passiert, er brachte Getreide nach Deutschland. Für die Zöllner Routine. Die Soldaten der Roten Armee schliefen in den Kasernen. Viele Soldaten der Wehrmacht schliefen seit drei Tagen fern der Kasernen auf Lastwagen und in Panzern. Pro Mann hatte sie 30 Zigaretten und für vier Mann eine Flasche Schnaps erhalten. An einen Einsatz glaubten wenige. „Der Iwan ist unser Verbündeter“, dachte die Mehrzahl. Die Truppenbewegungen der Wehrmacht waren nicht unbemerkt geblieben. Eisenbahnen und Autobahnen Richtung Osten waren seit Tagen überlastet. Die sowjetische Botschaft in Berlin hatte darüber nach Moskau berichtet, doch der Kreml schwieg. 

Als um 3.15 Uhr die deutsche Artillerie auf breiter Front das Feuer eröffnete, war das der Auftakt des Infernos. Es war der Beginn jenes Eroberungs- und Vernichtungskrieges, von dem Adolf Hitler bereits 1925 in „Mein Kampf“ geschrieben hatte: Es sei der unvermeidbare weltgeschichtliche Kampf der „arischen Rasse“ gegen das „Weltjudentum“, dessen ex-tremste Form der „Bolschewismus“ sei. Darum sei ein Bündnis mit den Sowjets ausgeschlossen, man könne „nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“. 1928 legte Hitler in seinem „Zweiten Buch“, das zu seinen Lebzeiten unveröffentlicht blieb, nach: Ziel sei es, „Lebensraum im Osten“ zu erobern, der „für die nächsten 100 Jahre“ ausreiche. Das blieb über Jahre Hitlers oberste Maxime seiner Außenpolitik. 

Göring widersprach als einziger

Die Vorbereitungen für das „Unternehmen Barbarossa“ begannen sofort nach dem Waffenstillstand mit Frankreich, als Hitler erklärte, „ein Feldzug gegen Russland“ sei „nur ein Sandkastenspiel“. Im Generalstab wurden daraufhin mehrere Aufmarschpläne entwickelt. Sie entsprachen nicht Hitlers Vorstellungen. Die formulierte er selbst in der Führerweisung Nr. 21, genannt „Barbarossa“, vom 18. Dezember 1940: Es solle ein kurzer Krieg sein, bei dem große Teile der feindlichen Truppen einzukreisen seien, ein allgemeiner Rückzug in das weite Hinterland zu verhindern sei. Niemand widersprach, ausgenommen Hermann Göring. Der gab zu bedenken, die Wehrmacht werde sich in den Weiten Russlands verzetteln. Der Verweis auf Napoleon verfing bei Hitler nicht. Der habe nur Ochsenkarren gehabt, die Wehrmacht aber habe Panzer …

Generalsstabschef Franz Halder schätzte die Rote Armee als etwa so stark wie die Wehrmacht ein, allerdings sei sie technisch unterentwickelt. Tatsächlich konnten die Sowjets zwölf Millionen Soldaten aufstellen, sie verfügten über 10.000 Panzer, dreimal so viele wie die Deutschen. Hitler aber behauptete: „Der schlechteste deutsche Infanterist ist besser als der beste fremde Infanterist.“ Das Reich griff mit einer zahlenmäßig unterlegenen Wehrmacht an, die unter Rohstoffmangel litt, der nicht ausreichend Kriegsgerät durch die Industrie geliefert wurde. Ein Blitzkrieg wie gegen Polen und Frankreich war in Russland nicht möglich. Aber genau daran dachte Hitler. Die ganze Angelegenheit sei erledigt, ehe der russische Winter einsetze. Nur ein Fünftel der deutschen Streitkräfte werde dann noch zur Sicherung der neuen Grenze in Russland sein, nur für diesen kleinen Teil sei winterfeste Kleidung notwendig. Denn, so Adolf Hitler wenige Tage vor dem Angriff, in vier Wochen seien die Russen besiegt, das Gros des Heeres wieder heimgekehrt.

Was in den eroberten Gebieten zu geschehen hatte, war festgelegt: Die Generäle sollten nur im Kampfgebiet Befehlsgewalt haben. Rückwärtig sollten ihnen Partei, Gestapo, SS und andere idiologische Formationen folgen. Hitler ernannte Alfred Rosenberg zum Minister für die besetzten Ostgebiete. Was brauchbar war, sollte ins Reich transportiert werden. Auf die Bevölkerung sei keine Rücksicht zu nehmen. Wer verhungere, der müsse nicht vertrieben werden. 

Kurz vor Beginn des Unternehmens Barbarossa legte der sogenannte Kommissarbefehl fest, dass Politkommissare der Roten Armee nicht wie Kriegsgefangene zu behandeln, sondern sofort zu erschießen seien. 

Am 22. Juni 1941 um 5.30 Uhr verlas Reichspropagandaminister Joseph Goebbels eine Erklärung Hitlers im Rundfunk. Sie schloss mit den Worten: „Ich habe mich heute entschlossen, das Schicksal des Deutschen Reiches und unseres Volkes wieder in die Hände unserer Soldaten zu legen.“ Dieser Entschluss kostete mehr als 30 Millionen Menschen das Leben.