20.04.2024

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Folge 24-21 vom 18. Juni 2021 / Ostpreußische Museumsstücke / Geteiltes Erbe / Die Hanse reichte von Lüneburg bis ins Baltikum – ihre Geschichte lehrt, was uns trennt und was uns verbindet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-21 vom 18. Juni 2021

Ostpreußische Museumsstücke
Geteiltes Erbe
Die Hanse reichte von Lüneburg bis ins Baltikum – ihre Geschichte lehrt, was uns trennt und was uns verbindet

Handel verbindet. Heute in Zeiten der Globalisierung genauso wie damals im Mittelalter zur Zeit der Hanse. Zwei unscheinbare Krüge aus dem 15. Jahrhundert zeugen davon: der eine ausgegraben in Lüneburg, der andere gut 1000 Kilometer entfernt in Lüneburgs Partnerstadt Dorpat [Tartu] in Estland. Beide Krüge gehören zum damals beliebten Typus „Siegburger Steinzeug“ und stammen aus Siegburg nahe Köln. Von Köln bis Dorpat reichte denn auch die Hanse, jener mächtige Handelsverbund, der Nordeuropa im Mittelalter und darüber hinaus so nachhaltig prägte. Man kennt die Hansestädte Lübeck, Hamburg, Bremen und natürlich Lüneburg, aber die Hanse hätte nicht bestehen können ohne die großen Hansestädte des Ostens: Danzig, Elbing, Königsberg, Riga und Reval. 

In der Dauerausstellung des Ostpreußischen Landesmuseums (OL) zeigt eine Schiffsinszenierung die Waren der Hanse, sie lassen sich erfühlen und teils sogar erriechen. Die ostpreußischen und baltischen Städte waren vor allem wichtige Umschlagplätze im Osthandel. Aus den russischen Wäldern bezog man Felle für Pelze und Wachs für Kerzen. Diese Güter waren so wertvoll, dass die Händler lange Fahrten dafür auf sich nahmen. Die Waren aus dem Westen – Salz, wertvolle Tuche oder Waffen – erreichten nach etwa einer Woche oft gefährlicher Seefahrt das Baltikum, über Land dauerte es noch wesentlich länger. Der Handel etablierte eine enge und dauerhafte Verbindung zwischen Ost und West.

Was viele aber nicht wissen: Auch die Hansekaufleute in den baltischen Städten waren deutschsprachig. Die Esten und Letten sind heute stolz auf ihre schmucken Altstädte, doch dieser Stolz wird getrübt. Jahrhundertelang wurden sie von einer kleinen deutschen Oberschicht beherrscht, die den Großteil der Gewinne abschöpfte. Die einheimische Bevölkerung hatte keinen Zugang zu den hansischen Kaufmannsgilden und -kreisen. Bis ins späte 19. Jahrhundert war Deutsch die offizielle Behördensprache in Estland. Kein Wunder, dass die Hanse im Baltikum nicht den uneingeschränkt guten Ruf genießt wie hierzulande. Ein mittelalterlicher Lüneburger jedenfalls wird sich damals in Königsberg oder Riga heimischer gefühlt haben als in Frankfurt oder Nürnberg: die gleichen Gesetze, die gleiche niederdeutsche Sprache, die gleiche Architektur mit Treppengiebeln und rotem Backstein. 

Die Erinnerung an die starken kulturellen Schnittstellen zwischen Norddeutschland und dem Baltikum sind mittlerweile weithin vergessen. Aber heute, da Europa enger zusammenwächst und sich das Baltikum stärker zum Westen hin- und von Russland abwendet, ist es wichtig, sich wieder mit diesem spannenden Teil der deutsch-europäischen Geschichte zu beschäftigen. Dieser Aufgabe widmet sich auch die Deutschbaltische Abteilung im OL. Die Hanse war gewiss kein Vorläufer der internationalen EU. Aber ihre Geschichte zeigt, was uns verbindet und was uns trennt und kann uns vielleicht lehren, aus der Erinnerung an das geteilte Erbe eine gemeinsamere Zukunft zu gestalten.OL