23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 24-21 vom 18. Juni 2021 / Arthur Zimmermann / Ein Telegramm schrieb Weltgeschichte / Die Zimmermann-Depesche von 1917 führte zum Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-21 vom 18. Juni 2021

Arthur Zimmermann
Ein Telegramm schrieb Weltgeschichte
Die Zimmermann-Depesche von 1917 führte zum Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg
Wolfgang Kaufmann

BEs gibt diplomatische Telegramme, die machen Weltgeschichte. Hierzu zählt auch die sogenannte Zimmermann-Depesche von 1917. Ihr Verfasser war Arthur Zimmermann, der am 5. Oktober 1864 in Marggrabowa (ab 1928 Treuburg) unweit von Lyck auf die Welt kam und als Erwachsener zunächst eine Laufbahn als Jurist einschlug, bevor er dann 1893 in den diplomatischen Dienst wechselte. Bis 1911 avancierte Zimmermann sukzessive zum Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt sowie Dirigenten der Politischen Abteilung. Und am 22. November 1916 wurde der gebürtige Ostpreuße schließlich Staatssekretär, weil der bisherige Inhaber dieses Amtes, Gottlieb von Jagow, wegen seiner abweichenden Ansichten über die weitere Kriegführung des Kaiserreiches zurückgetreten war. Damit fungierte Zimmermann nun quasi als deutscher Außenminister – und zwar als erster Nichtadeliger überhaupt.

In seiner neuen Position schickte er Mitte Januar 1917 eine Nachricht an den deutschen Gesandten in Mexiko. Die Regierung in Berlin hatte zuvor beschlossen, den uneingeschränkten U-Boot-Krieg gegen Großbritannien zu eröffnen, um den Inselstaat von jedwedem Nachschub abzuschneiden. Das war als Antwort auf die Blockade der deutschen Häfen seitens der Flotte des Empires gedacht, wegen der im Reich mittlerweile Hunger herrschte. Da die kaiserlichen U-Boote den Auftrag hatten, auch Schiffe neutraler Mächte zu versenken, wenn diese in das Sperrgebiet rund um Großbritannien einliefen, wurde allgemein damit gerechnet, dass Länder, die sich bisher aus dem Krieg herausgehalten hatten, nun in den selbigen eintraten – allen voran die USA.

Deshalb wollte Zimmermann vorsorgen und schrieb: „Es wird versucht werden, Amerika … neutral zu halten. Für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, schlagen wir Mexiko auf folgender Grundlage Bündnis vor. Gemeinsame Kriegführung. Gemeinsamer Friedensschluss. Reichlich finanzielle Unterstützung und Einverständnis unsererseits, dass Mexiko in Texas, Neu Mexico, Arizona früher verlorenes Gebiet zurückerobert. Regelung im einzelnen Euer Hochwohlgeborenen überlassen. Euer Hochwohlgeborenen wollen Vorstehendes Präsidenten streng geheim eröffnen, sobald Kriegsausbruch mit Vereinigten Staaten feststeht, und Anregung hinzufügen, Japan von sich aus zu sofortigem Beitritt einzuladen und gleichzeitig zwischen uns und Japan zu vermitteln.“

Zimmermann hatte also die Absicht, Mexiko die Chance zu bieten, bei einem Kriegseintritt auf Seiten des Deutschen Reiches Gebiete in den USA zurückzugewinnen, die das Land im Zuge des Mexikanisch-Amerikanischen Krieges von 1846 bis 1848 eingebüßt hatte. Darüber hinaus war geplant, auch Tokio mit einzubeziehen: Wie sich aus einer handschriftlichen Randnotiz auf dem erhaltenen gebliebenen Originalentwurf des Telegramms ergibt, sollte „Californien … für Japan zu reservieren sein.“  

Zimmermanns Offerte wurde natürlich verschlüsselt nach Mexiko gesandt. Allerdings unter Nutzung eines Fernmeldekabels, das über Großbritannien lief. Das Vereinigte Königreich gab den Entzifferungsexperten Nigel de Grey, Alfred Dillwyn Knox und William Montgomery von der legendenumwitterten Abteilung Room 40 des britischen Nachrichtendienstes Marine Naval Intelligence Division (NID) die Möglichkeit, das brisante Telegramm abzufangen und zu entschlüsseln, denn der NID war bereits seit Oktober 1914 im Besitz der deutschen Codebücher.

Den Inhalt des Angebotes an Mexiko leitete der NID-Chef Konteradmiral William Reginald Hall am 5. Februar 1917 an den britischen Staatssekretär Charles Hardinge weiter, welcher seinerseits die Regierung in Washington informierte. Der US-Präsident Woodrow Wilson glaubte zunächst an eine Fälschung Londons, deren Zweck darin bestehen sollte, die Vereinigten Staaten von Amerika zum Kriegseintritt zu provozieren, ließ sich dann jedoch von der Echtheit des Telegramms überzeugen.

Der Text der dechiffrierten Depesche wurde am 1. März 1917 vom US-Außenministerium an die Presse durchgestochen und noch am selben Tage in der „New York Times“ abgedruckt, woraufhin in den Vereinigten Staaten ein Sturm der Entrüstung losbrach. Vor diesem Hintergrund stimmte das bis dahin eher isolationistisch gesinnte Parlament in Washington am 6. April 1917 der von Wilson beantragten Kriegserklärung an das Deutsche Reich zu.  

Ein Dementi kam nicht infrage

Aus bis heute nicht geklärten Gründen bestätigte Zimmermann dann auch selbst ganz öffentlich die Authentizität des Dokumentes, nachdem dessen Text in den USA publik geworden war, obwohl ein striktes Dementi den deutschen Interessen sicher wesentlich mehr gedient hätte. Dies tat er erstmals am 3. März 1917 gegenüber dem Hauptausschuss des Deutschen Reichstages und später erneut im Interview mit der internationalen Presse. Deswegen musste Zimmermann schließlich am 6. August 1917 aus dem Amt scheiden. Dass er bis zu diesem Zeitpunkt bereits 34 Orden aus 15 Ländern erhalten hatte, half dem Ostpreußen nun kein bisschen mehr. In den Jahrzehnten danach führte Arthur Zimmermann ein weitestgehend unauffälliges Leben und starb am 6. Juni 1940 in Berlin an einer Lungenentzündung.