27.04.2024

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Folge 25-21 vom 25. Juni 2021 / Höhlensyndrom / Gefangen in der Corona-Angst / Psychologen haben frühzeitig vor den Folgen der Maßnahmen gewarnt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-21 vom 25. Juni 2021

Höhlensyndrom
Gefangen in der Corona-Angst
Psychologen haben frühzeitig vor den Folgen der Maßnahmen gewarnt
Lydia Konrad

Die neuerdings rapide gefallenen Corona-Zahlen hierzulande erlauben eine stufenweise Rückkehr zur Normalität. Nun wird es glücklicherweise wieder im zunehmenden Maße möglich, umfangreichere soziale Kontakte zu pflegen, im Restaurant zu essen, Museen zu besuchen oder in den Urlaub zu fliegen. 

Doch darüber freut sich durchaus nicht jeder, denn bei vielen Menschen haben die Pandemie sowie die damit verbundenen Restriktionen tiefe seelische Spuren hinterlassen. Was vor der Corona-Krise normal erschien, mutet jetzt plötzlich befremdlich an oder löst gar Angst aus wie körperliche Nähe, soziale Kontakte in der Realität statt im virtuellen Raum, der Aufenthalt draußen oder Menschenansammlungen in der Öffentlichkeit.

Dass es zu solchen Effekten kommen wird, haben Psychologen von der University of British Columbia im kanadischen Vancouver schon ganz zu Beginn der Pandemie vorhergesagt und deshalb vor einer zu weitgehenden Isolierung der Menschen aus Infektionsschutzgründen gewarnt. Dabei stellen die jetzt vor der Normalität Zurückschreckenden keinesfalls nur überängstliche Minderheiten dar. 

Im Zuge einer kürzlich durchgeführten repräsentativen Umfrage der American Psychological Association zum Thema „Stress in America 2021“, sagten 49 Prozent der Teilnehmer, der Gedanke an die zwangsläufig wieder häufiger notwendig werdenden Außer-Haus-Kontakte und -Aktivitäten nach dem Ende der Pandemie mache ihnen Angst. 

Interessanterweise zeigen sich in diesem Punkt nur minimale Unterschiede zwischen Ungeimpften und Geimpften. Von denen, die bereits alle empfohlenen Vakzingaben erhalten haben, signalisierten immerhin auch noch 48 Prozent großes Unwohlsein anlässlich des nunmehrigen Drucks, genau wie vor Beginn der Corona-Krise zu agieren.

Das wirft die Frage auf, wieso Geimpfte, die sich doch eigentlich immun beziehungsweise weitgehend geschützt fühlen müssten, gleichermaßen Unbehagen oder Ängste entwickeln, wenn sie wieder stärker am öffentlichen Leben teilnehmen und ihre Behausungen verlassen sollen. Hierzu gab der Psychiater Alan Teo von der Oregon Health & Science University in Portland die bisher überzeugendste Erklärung ab. Neben der individuellen Überbewertung des Risikos, trotz der Impfung ernsthaft an Covid-19 zu erkranken, spiele vor allem Gewohnheit eine Rolle: „Wir mussten uns angewöhnen, Masken zu tragen, uns voneinander zu distanzieren und keine Menschen einzuladen.“ Und dies sei letztlich das Hauptproblem: Es falle grundsätzlich immer „sehr schwer, mit einer Gewohnheit zu brechen, wenn man sie erst einmal entwickelt hat“. 

Für das Gesamtpaket all dieser eingefahrenen ängstlich-vermeidenden Denk- und Verhaltensweisen prägten US-Forscher jetzt die Bezeichnung „Cave Syndrome“, während man in Deutschland stattdessen vom „Höhlensyndrom“ spricht. Die Betroffenen wollen lieber in ihren engen, aber schützenden vier Wänden bleiben, die während der vergangenen Pandemiewellen als der einzig sichere Ort galten. Schließlich hatten die Politiker und Virologen unablässig „Bleibt zu Hause!“ skandiert – und dabei zugleich noch nach Kräften die Angst vor einem grausigen Erstickungstod geschürt.

Nun wird es schwierig, die Traumatisierten oder von Natur aus Übervorsichtigen dazu zu bringen, das alles wieder zu vergessen. Doch dies ist dringend notwendig, weil nach den verheerenden Lockdowns sonst noch weitere wirtschaftliche Schäden drohen. So gingen in den USA jetzt die Mitarbeiter des IT-Konzerns Apple auf die Barrikaden, weil sie nicht in die potentiell „gefährlichen“ Großraumbüros des Unternehmens zurückkehren wollen. Wenn Derartiges Schule macht, kann das unabsehbare Folgen haben.

Als probate Mittel zur Überwindung des Höhlensyndroms empfehlen Psychologen und Ärzte zwei Strategien: Eine Kombination aus körperlicher Bewegung und Begegnungen mit anderen Personen sowie demonstrativ gelassenes Auftreten all derer, welche nicht betroffen sind. Hierzu sagte der Berliner Mediziner Ilker-Akgün Aydin: Je normaler sich das Umfeld bewege und lebe, desto einfacher werde es auch für die Geschädigten sein, in den üblichen Alltag zurückzukehren. 

Insofern verbietet sich jegliches Geraune von der nächsten Welle oder das unsinnige Festhalten an längst überflüssig gewordenen Regeln zur Corona-Bekämpfung wie der Pflicht zum Tragen von Masken außerhalb von geschlossenen Räumen. Denn die „Mund-Nase-Bedeckung“ signalisiert natürlich Gefahr und sorgt somit für das Fortbestehen des pathologischen Drangs, in der vermeintlich schützenden „Höhle“ zu verharren.