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Folge 25-21 vom 25. Juni 2021 / Bundeswehr / Amazonen an die Front / Seit 20 Jahren dürfen Soldatinnen Dienst an der Waffe leisten. Erst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes machte es möglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-21 vom 25. Juni 2021

Bundeswehr
Amazonen an die Front
Seit 20 Jahren dürfen Soldatinnen Dienst an der Waffe leisten. Erst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes machte es möglich
Erik Lommatzsch

Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld ist der Ansicht, dass der „Zustrom von Frauen ins Militär“ zugleich „Symptom und Ursache“ für dessen Niedergang seien. Die Streitkräfte kämpften seit Jahrzehnten nicht mehr in größeren Kriegen. Und je weniger sie gebraucht würden, „desto eher fühlten sich die Gesellschaften und ihre verantwortlichen Politiker berufen, sie nicht mehr als Kampfmaschinen, sondern als soziale Laboratorien für die schöne neue Welt einzusetzen“. 

Der Philosoph Erik Lehnert wies in dem Zusammenhang auf eklatante Widersprüche hin: „Obwohl es allgemein als unverantwortlich, wenn nicht sogar als kriminell gilt, 16-jährige Jugendliche oder 60-jährige Männer in den Kampf zu schicken“, da sie den Anforderungen körperlich nicht gewachsen seien, betrachte man es nun „als fortschrittlich, Frauen ohne Rücksicht auf ihre offensichtlichen Nachteile im Kampf einzusetzen.“

Den durch derartige Stimmen kritisierten Weg beschreiten die Streitkräfte der Bundesrepublik seit 20 Jahren. Am 

2. Juli 2001 rückten bei Heer, Luftwaffe und Marine 227 weibliche Offiziersanwärter ein. Schon in den Monaten zuvor hatten Frauen anderer Laufbahngruppen ihren Dienst aufgenommen. Mit der sogenannten Kreil-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom Januar 2000 war die Grundlage dafür geschaffen worden, dass Frauen sämtliche Laufbahnen bei der Bundeswehr offenstehen. 

Geklagt hatte die Elektronikerin Tanja Kreil, deren Bewerbung mit Hinweis auf den Grundgesetzpassus, dass Frauen „auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“ dürfen, abgelehnt worden war. Die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Fragen der nationalen Sicherheit wurde von berufener Seite in Abrede gestellt, etwa durch den Staatsrechtler und ehemaligen Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz. Dennoch setzte die Bundesrepublik die Entscheidung um. Im Dezember 2000 erfolgte die Änderung im Grundgesetz, jetzt heißt es, Frauen „dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden“. Der damalige Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, äußerte sich zustimmend, um die „Beseitigung eines Berufsverbots“ sei es gegangen. Kreil selbst trat am Ende doch nicht in die Streitkräfte ein.

Bundeswehrsoldaten konnten Frauen schon seit 1975 sein, allerdings lediglich im Sanitätsdienst. 1991 kam der Militärmusikdienst hinzu. In die Zeit vor der Öffnung aller Laufbahnen für Frauen fällt – kurioserweise – die Ernennung des ersten weiblichen Generals der deutschen Geschichte: Verena von Weymarn wurde 1994 zum Generalarzt befördert.

Seit Anfang 2001 stieg die Anzahl der Frauen bei den Streitkräften kontinuierlich an. Nach offiziellen Angaben vom April dieses Jahres dienen derzeit insgesamt 183.885 Soldaten bei der Bundeswehr. Davon sind 23.279 weiblich, was einem Anteil von etwa 13 Prozent entspricht. Der mit Abstand größte Bereich, in dem Frauen tätig sind, ist der Sanitätsdienst mit 8126 Beschäftigten, gefolgt vom Heer mit 4885. Derzeit gibt es 4701 weibliche Offiziere, wobei die Anwärter mitgezählt sind.

Ein „erklärtes Ziel“ sei es, so das Bundesministerium der Verteidigung, „den Anteil der Soldatinnen in der Truppe generell und insbesondere in Führungspositionen zu steigern. Durch den bewussten Abbau von Karrierehürden, mehr Möglichkeiten zur Vereinbarung von Familie und Beruf sowie die Förderung weiblicher Spitzenkräfte sollen Frauen in Uniform immer präsenter werden.“

Auf der Internetseite der Streitkräfte heißt es werbend: „Sie fliegen Kampfflugzeuge und Hubschrauber. Sie springen aus Flugzeugen und fahren Panzer. Sie kommandieren Kriegsschiffe und Kampfkompanien. Frauen bei der Bundeswehr sind nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile sind Soldatinnen in fast jedem Bereich der ehemaligen Männerdomäne angekommen.“ Quoten werden angestrebt, 15 Prozent sollen es insgesamt werden. Eva Högl (SPD), die das Amt des Wehrbeauftragten des Bundestags bekleidet, wünscht sogar einen Frauenanteil von 30 Prozent.

Der Kommandeur des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr, André Bodemann, erklärte gegenüber dem SWR, es sei „nicht das Geschlecht für gutes Führen ausschlaggebend“. Eine Frau im Rang eines Oberstleutnants meinte: „Auch der deeskalierende Faktor darf bei Soldatinnen nicht unterschätzt werden.“

Abseits von derart sichtlich bemühtem Lob für die positiven Aspekte der Öffnung der Bundeswehr für Frauen oder den eher politisch motivierten Verlautbarungen sind die kritischen Komplexe mit Blick auf die letzten 20 Jahre unübersehbar. Stetig geäußerte Ansichten, in der Bundeswehr würden Frauen bei der Karriere bevorzugt, müssen ebenso stetig zurückgewiesen werden. „Das stimmt einfach nicht“, sagt etwa die Soziologieprofessorin Maja Appelt. Fragen der Eignung von Frauen für alle Bereiche werden immer wieder aufgeworfen, verwiesen sei auf die Diskussionen im Zusammenhang mit dem Tod zweiter weiblicher Seekadetten des Segelschulschiffes „Gorch Fock“ 2008 und 2010. 

Frauen in Kampfeinheiten sind, angesichts der sonstigen Zahlen, weiter unterrepräsentiert. Im Rahmen der inzwischen beendeten NATO-Mission „Resolute Support“ in Afghanistan beispielsweise waren zuletzt von 1038 Bundeswehrsoldaten 71 Frauen. Weibliche Führungskräfte bei Kampfeinheiten sind die Ausnahme. Nicht nur in Bundeswehrkreisen sorgen Meldungen wie diejenige, dass im Inneren von Panzern bei der Luftreinheit auf Schwangere Rücksicht zu nehmen sei, für Kopfschütteln. Oder Bilder, wie denen von einem weiblichen Bataillonskommandeur, die noch einige Jahre zuvor ein Mann war und die anlässlich der offiziellen Verabschiedung auf den nächsten Dienstposten mit einem Militärfahrzeug herumgefahren wurde, das großflächig mit bunten Einhorn-Motiven geschmückt war.

Abseits offizieller Verlautbarungen, jeweils mit der Bitte nicht zitiert zu werden, ist das Urteil männlicher Bundeswehrangehöriger über ihre weiblichen Kameraden oft wenig begeistert. Der sächsische Kabarettist Uwe Steimle formulierte pointiert, er wünsche sich „einen Verteidigungsminister, der General ist und keine saarländische Hausfrau“. Das berührt zwar eine andere Ebene, spiegelt aber auch bezüglich der allgemeinen Frage der Frauen bei den Streitkräften eine weitverbreitete Stimmung wider.