25.04.2024

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Folge 25-21 vom 25. Juni 2021 / Östlich von Oder und Neiße / Nah lesen statt fern sprechen / Die Idee, Telefonzellen zu Bücherboxen umzufunktionieren, schwappt über die Grenze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-21 vom 25. Juni 2021

Östlich von Oder und Neiße
Nah lesen statt fern sprechen
Die Idee, Telefonzellen zu Bücherboxen umzufunktionieren, schwappt über die Grenze
Chris W. Wagner

Telefonzellen sind aus unserer Landschaft verschwunden, es sei denn, sie dienen als Bücherboxen. Das Prinzip dieser Ministraßenbibliotheken ist einfach, man stellt ausgelesene oder nicht mehr gebrauchte Bücher hinein und holt sich neue Lektüre. Die dafür umfunktionierten Fernsprechkabinen sind begehrt und deshalb gar nicht mehr leicht zu bekommen. Diese Erfahrung machten Studenten der Technischen Hochschule Zittau/Görlitz, die im Rahmen ihres Studiengangs Soziale Arbeit im Herbst vergangenen Jahres eine Bücherbox in Görlitz aufstellten. Die dafür umfunktionierte Telefonzelle wurde ihnen letztlich vom Berliner Institut für Nachhaltigkeit und Bildung, Arbeit und Kultur (INBAK) zur Verfügung gestellt. Und weil die Bücherbox auf dem Görlitzer Wilhelmsplatz so gut angenommen wird, hatte der Initiator des Projekts, Jürgen Möldner, die Idee, das Sozialprojekt auf polnischer Seite der geteilten Neißestadt fortzuführen. Hierfür haben die Studenten mit Schülern des Europäischen Allgemeinbildenden Lyzeums in Ost-Görlitz [Zgorzelec] zusammengearbeitet. „Wir sehen uns heute zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht. Wegen Corona konnten wir uns nur digital austauschen“, sagt die Ost-Görlitzerin Sylwia Malec, Studentin der Zittau-Görlitzer Hochschule. Sie fungierte als Sprachmittlerin und hatte die meiste Erfahrung in Sachen Bibliobox. Es sei bereits ihre dritte Bücherbox, bei der sie mitwirkt. Nachdem die erste Bücherbox in Zittau aufgestellt wurde, hat sich Malec auf den Weg in das auf polnischer Seite gegenüberliegende Reichenau [Bogatynia] begeben und die Einwohner gefragt, ob sie diese Minibibliothek kennen würden, schließlich sei diese sowohl mit deutscher, als auch polnischer Literatur bestückt. „Die Antwort war leider meistens negativ“, so Malec. Bei den beiden Görlitzer Projekten müsse daher die Werbetrommel stärker gerührt werden, sagt sie.

Schirmherrschaft für eine Box

Für ordentlich Werbung auf polnischer Seite sorgte Katarzyna Hübner, Vorsitzende des Trägervereins DPFA Europrymus. Der Verein trägt einen Kindergarten, eine Grundschule und das Europäische Allgemeinbildende Lyzeum in Ost-Görlitz. Die agile Geschäftsfrau lud zur Eröffnungsfeier neben lokalen Politikern selbst Vertreter aus der 50 Kilometer entfernten Stadt Bunzlau [Bolesławiec] ein. Die Schirmherrschaft über die polnische Bücherbox übernahm der Ost-Görlitzer Bürgermeister Rafał Gronicz, der auch den Ort für die Box direkt am Eingang zum Sportzentrum zur Verfügung stellte. Die geladenen Gäste hatten medienwirksam Bücher mitgebracht. Der Rektor der Hochschule Zittau/Görlitz, Alexander Kratzsch, brachte das Buch „Der Papst der Freiheit“ über Johannes Paul II. von George Weigel mit, aus Bunzlau kam die „Geschichte der Bunzlauer Keramik“ und „Historische Ansichten der Stadt“ in polnischer Sprache, während die Leiterin der polnischen Stadtbibliothek das Buch „Polnische Oberlausitz“ von Waldemar Bena überreichte. Die Studenten und Schüler sammelten im Vorfeld schon deutsche und polnische Literatur.

Zehn Monate bleibt die Bücherbox in der Telefonzelle vor dem Sportzentrum stehen, danach bekommt die Minibibliothek ein neues Gewand. Die Fernsprechkabine wird von der INBAK abgeholt und wandert an einen neuen Ort, während hier ein fester Bau entstehen soll. Bevor sie in Ost-Görlitz landete, war die Telefonzelle bereits an mehreren Plätzen in Stettin und in Posen im Einsatz.