29.03.2024

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Folge 26-21 vom 02. Juli 2021 / Ostpreußische Museumsstücke / Von Trägern und Besitzern / Die Trakehner-Ausstellung begrüßt die Besucher mit der Verbindung zwischen Pferd und Reiter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-21 vom 02. Juli 2021

Ostpreußische Museumsstücke
Von Trägern und Besitzern
Die Trakehner-Ausstellung begrüßt die Besucher mit der Verbindung zwischen Pferd und Reiter
Christoph Hinkelmann

In unserem Museum befindet sich neben der Ausstellungseinheit zum Königreich Preußen ein Raum, der den „edlen ostpreußischen Warmblutpferden Trakehner Abstammung“ gewidmet ist, heute kurz „Trakehner“ genannt. Ihre Geschichte begann, als der preußische König Friedrich Wilhelm I. in Trakehnen ein Gestüt mit etwa 1000 Pferden und damit die älteste Reinzucht einer Pferderasse überhaupt begründete.

Wenn man den Raum betritt, erblickt man vier Sättel in einer Reihe. Sie sollen exemplarisch verdeutlichen, wie ungemein wichtig die treuen Begleiter des Menschen einmal waren. In der Zeit vor der Entwicklung von Motorfahrzeugen gab es ohne Pferde praktisch keine Kraft, mit der schweres Transportgut bewegt werden konnte. Wo immer etwas Schweres gezogen oder angehoben oder ein längerer Weg bewältigt werden musste, bediente man sich der Pferde. Setzte man sich selbst auf ein Pferd, brauchte man einen Sattel.

Unsere vier Sättel stammen aus Ostpreußen vor 1945. Der erste Sattel ist derb und voller Gebrauchsspuren. Er stammt vom Hof des Landwirts Hans-Joachim Damm in Weedern bei Tilsit, etwa 20 Kilometer südlich der Memel, und diente als „Gespannsattel“. Er wurde eingesetzt, wenn eines von mehreren vor einem schweren landwirtschaftlichen Gerät eingespannten Pferden, der besseren Steuerfähigkeit wegen, geritten werden musste. Auf der Flucht 1944/45, welche die Familie Damm bis an den Niederrhein führte, war dies eine zusätzliche Sicherheit. Denn der Treckwagen war mit allen zum Überleben erforderlichen Dingen voll bepackt. Für die etwa 1400 Kilometer brauchte die Familie mehrere Monate. 

Der zweite Sattel ist auch fast 100 Jahre alt, wirkt aber dennoch sehr viel eleganter. Er diente dem Rittergutsbesitzer Ernst Schlegel aus Rehsau im Kreis Angerburg zum täglichen Abreiten seiner Ländereien, zur Inspektion der landwirtschaftlichen Arbeiten und dergleichen. Es ist ein „Englischer Sattel“, auch „Pritsche“ genannt, der ausschließlich auf Reitpferden verwendet wurde. Ehefrau Irmgard ging mit ihm im Spätwinter 1945 auf die Flucht, und reitend erreichte sie Westfalen. Als das Ehepaar einige Jahre später mit dem Aufbau einer Warmblutzucht in Detmold begann, wurde der Sattel wieder eingesetzt. 

Der dritte Sattel ist recht grob und durch eine untergenähte Satteldecke gut gepolstert. Es ist ein in den 1930er Jahren für die berittenen Einheiten der Wehrmacht gefertigter Armeesattel. Seine hohe Funktionalität zeigt sich auch in der Möglichkeit, Vorn- und Hintergepäck zu befestigen. Der Verkauf junger Pferde, sogenannter Remonten, an die Armee war eine wichtige Einnahmequelle der Gestüte und Pferdeaufzüchter. Im Heer brauchte man ständig Pferde zum Reiten und Ziehen schwerer Lasten. In keinem Krieg wurden mehr Pferde vom Militär eingesetzt als im Zweiten Weltkrieg. Allein auf deutscher Seite waren es 2,8 Millionen, von denen knapp 1,7 Millionen ums Leben kamen. 

Insterburg war die Turnierstadt

Der vierte Sattel wirkt geradezu zierlich neben den anderen und ist erstaunlich gut erhalten. Es ist ein Vielseitigkeitssattel, wie er auch heute beim Freizeitreiten oder im Pferdesport eingesetzt wird. Über seine Geschichte wissen wir wenig. Möglicherweise wurde er von Reinhold Leitner aus Podzohnen im Kreis Stallupönen auf der Flucht nach Hessen gebracht. Doch bekannt sind Hersteller und Wohnsitz: Franz Kuster, Sattlerei in Insterburg in Ostpreußen, nachgewiesen durch einen gut lesbaren Eindruck im Leder. Gewiss handelt es sich um einen kleinen Spezialbetrieb im Umfeld der Turnierstadt Insterburg, in der vor 1939 alljährlich die bedeutendsten Pferderennen im früheren deutschen Osten stattfanden. 

Vier Sättel, vier Geschichten. Heute werden unsere treuen Begleiter fast nur noch in der Freizeit und im Pferdesport gebraucht. In Ostpreußen kam auf vier Menschen ein Pferd, im heutigen „Pferdeland Niedersachsen“ ist das Verhältnis Mensch zu Pferd zehnmal größer. 

Dr. Christoph Hinkelmann ist Kurator für die naturkundliche Abteilung im Ostpreußischen Landesmuseum mit Deutschbaltischer Abteilung, Heiligengeiststra-ße 38, 21335 Lüneburg, Internet: www.ol-lg.de