27.04.2024

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Folge 26-21 vom 02. Juli 2021 / Pillau / Schiff Ahoi / Von den Anfängen der Hafenstadt im 16. Jahrhundert bis zum russischen Marinestützpunkt heute

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-21 vom 02. Juli 2021

Pillau
Schiff Ahoi
Von den Anfängen der Hafenstadt im 16. Jahrhundert bis zum russischen Marinestützpunkt heute
Wolfgang Kaufmann

Seit etwa 550 n. Chr. existierte auf der Frischen Nehrung eine prußische Burg namens „Naitepile“, die 1260 von den Ordensrittern abgerissen wurde. Anschließend entstand hier die deutsche Siedlung Pilen (Alt-Pillau). Deren Bedeutung wuchs schlagartig, als sich 1510 während eines großen Sturms das schiffbare Pillauer Tief bildete, welches nachfolgend die einzige Wasserverbindung zwischen Königsberg beziehungsweise dem Frischen Haff und der Ostsee darstellte. Aufgrund der strategisch wichtigen Lage von Pillau ließ der schwedische König Gustav Adolf an diesem Ort 1636 eine Festung errichten. Die wurde ab 1650 von Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg weiter ausgebaut, und in Pillau entstand ein Kriegshafen. Seither zählte der Ort zu den wichtigsten deutschen Marinestützpunkten an der südlichen Ostseeküste. Das galt auch für den Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf dort die 1. Minensuchflottille und die 1. Unterseebootslehrdivision zur Ausbildung künftiger U-Bootfahrer stationiert waren. Von Pillau aus brachte die Kriegsmarine bis zum 18. April 1945 zwischen 450.000 und 625.000 ostpreußische Flüchtlinge nach Westen, bevor die Rote Armee die Stadt am 25. April eroberte. Danach wurde sie – wie das gesamte nördliche Ostpreußen auch – von der Sowjetunion annektiert. In diesem Zusammenhang erfolgte am 27. November 1946 die Umbenennung in Baltijsk. 

Strategisch wichtige Lage

Ab 1945 befand sich in Pillau der Hauptstützpunkt der Baltischen Rotbannerflotte der Sowjetunion beziehungsweise ab 1990 der Baltischen Flotte der Russischen Föderation. Diese war und ist eine von vier Hauptflotten des Riesenreiches im Osten neben der Nordflotte, Pazifikflotte und Schwarzmeerflotte. Gleichzeitig handelt es sich bei ihr um den ältesten Teil der Marine Russlands: Die Baltische Flotte existiert faktisch schon seit 1696 und geht auf Zar Peter den Großen zurück.

Zu Sowjetzeiten gehörte die Baltische Rotbannerflotte zusammen mit der polnischen Seekriegsflotte und der Volksmarine der Deutschen Demokratischen Republik zu den „Verbündeten Ostseeflotten“ des Warschauer Paktes, wobei die Führung natürlich bei der UdSSR lag. Damals waren die Aufgaben der Marineeinheiten in Pillau ausgesprochen offensiver Art. Insbesondere sollten sie im Kriegsfall Landungsoperationen an den Küsten der Ostseeanliegerstaaten durchführen, welche der NATO angehörten. Ihre Bedeutung hingegen sank in dem Maße, in dem die Nordflotte ausgebaut wurde. Zu der zählten auch die strategisch wichtigen Raketen-U-Boote, die die Kremlführung nicht in der Ostsee stationieren wollte, weil die NATO die Zugänge zu diesem Randmeer kontrollierte.

Mit der Auflösung der Sowjetunion verlor Russland seine Marinebasen in Estland, Lettland und Litauen, sodass nur noch Pillau einen weitgehend eisfreien Zugang zur Ostsee bot. Deshalb klammerte sich Moskau an diesen Stützpunkt in der Exklave zwischen Polen und Litauen und stationierte hier zunächst mehr Seestreitkräfte als je zuvor. 1991 besaß die Baltische Flotte 350 schwimmende Einheiten, deren Heimathafen zumeist Pillau war. Ihr Bestand sank jedoch bis 1995 um etwa drei Viertel. 1996 waren lediglich noch neun U-Boote, drei Kreuzer, zwei Zerstörer, 18 Fregatten und 56 kleinere Schiffe übrig. Und die Verlegungen aus Pillau gingen in den Jahren danach weiter. Deshalb sind dort aktuell lediglich vier Verbände der Baltischen Flotte stationiert.

Baltische Flotte Peter des Großen

Ein Verband ist die 128. Schiffsbrigade mit dem Zerstörer „Nastojtschiwy“, dem Flaggschiff der Baltischen Flotte, sowie den zwei Fregatten „Neustraschimy“ und „Jaroslaw Mudry“ und vier neuen Mehrzweck-Korvetten der Stereguschtschi-Klasse. Weiter beherbergt der Stützpunkt in Pillau die 71. Landungsschiffsbrigade mit vier großen amphibischen Landungsschiffen der Ropucha-Klasse sowie zwei kleineren Luftkissen-Landungsbooten der Pomornik-Klasse. Allerdings befinden sich die „Minsk“, die „Kaliningrad“ und die „Korolew“ derzeit im Mittelmeer oder im Schwarzen Meer. Dazu kommt als dritter Verband die 64. Regionalschutzbrigade mit drei U-Jagdschiffen der Parchim-Klasse und sieben Minensuchern der Sonya-, Lida- und Alexandrit-Klasse. Und  die 36. Flugkörperschiffsbrigade mit fünf Tarnkappen-Korvetten der Buyan- und Karakurt-Klasse sowie zehn Raketenschiffen der Nanuchka- und Tarantul-Klasse liegt als vierter Verband im Pillauer Hafen. Parallel hierzu wurden im Königsberger Gebiet Einheiten der Marine-Infanterie und starke Seefliegerkräfte sowie atomwaffenfähige Raketensysteme vom Typ 9K720 Iskander stationiert.

Russland nutzt die in Pillau beheimateten Schiffe, welche derzeit unter dem Oberkommando von Admiral Alexander Nossatow stehen, neuerdings vor allem für Machtdemonstrationen gegenüber der NATO. Besonderes Aufsehen erregte dabei im Juli 2017 das Manöver „Joint Sea“, bei dem Einheiten der Baltischen Flotte gemeinsam mit dem modernen Lenkwaffen-Zerstörer „Changsha“ und der Mehrzweck-Fregatte „Yungsheng“ der Marine der Volksrepublik China die Jagd auf westliche U-Boote übten.