27.04.2024

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Folge 27-21 vom 09. Juli 2021 / Schwarzmeermanöver / Droht ein neuer Krim-Krieg? / NATO-Übung Sea Breeze und groß angelegte russische Manöver – Russland steht ohne Verbündete da

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-21 vom 09. Juli 2021

Schwarzmeermanöver
Droht ein neuer Krim-Krieg?
NATO-Übung Sea Breeze und groß angelegte russische Manöver – Russland steht ohne Verbündete da
Manuela Rosenthal-Kappi

Während der Westen die jüngsten Zwischenfälle im Schwarzen Meer dazu nutzt, dem Feindbild Russland neue Nahrung zu geben, schürt Wladimir Putin die Angst vor einer Bedrohung seines Landes von außen.

Russland habe den britischen Zerstörer HMS Defender mit Kriegsschiffen und Flugzeugen bedrängt, um ihn von dem direkten Kurs zwischen der Ukraine und Georgien abzudrängen, obwohl dieser sich in internationalem Gewässer befunden habe, heißt es. Beim zweiten Zwischenfall berichtet das niederländische Verteidigungsministerium, sein Kriegsschiff „HNMLS Evertsen“, das ebenfalls wie die „Defender“ am NATO-Manöver Sea Breeze teilnahm, sei von russischen Flugzeugen bedrängt worden, die mit Bomben und Boden-Luft-Raketen bewaffnet waren. 

Was nicht berichtet wird, ist die Tatsache, dass sich der Charakter der Sea Breeze-Übungen seit dem Krim-Anschluss 2014 und Russlands Anspruch auf das Hoheitsgewässer vor der Krim deutlich verändert hat.

Nicht nur die Briten schickten ihren Zerstörer HMS Defender in Richtung Krim-Ufer los, sondern auch die USA den mit Harpoon- und 56 Tomahawk-Raketen ausgestatten Zerstörer USS Ross. Ursprünglich fand Sea Breeze ab 1997 als Übung im Schwarzen und Asowschen Meer im Rahmen der „Partnerschaft für den Frieden“ statt und schien Russland nicht weiter zu stören, doch seit 2014 gewinnen diese Manöver zunehmend politische Brisanz. An dem NATO-Manöver beteiligen sich immer mehr Staaten, auch aus dem ehemaligen Einflussbereich Russlands: 2018 nahmen 19 Länder an der „Partnerschaft für den Frieden“ teil mit 

25 Schiffen, 2019 waren es wieder 19 Länder, aber schon mit 34 Schiffen. In diesem Jahr nahmen Einheiten aus 32 Staaten mit 5000 Soldaten unter Beteiligung von 30 Schiffen und mehr als 40 Flugzeugen teil. Grund genug für Russland, nervös zu werden. Schließlich hat die NATO Russland zu einem ihrer Hauptfeinde erklärt. Sea Breeze verdeutlicht die Isolation der Russen, die im Schwarzen Meer keine Partner haben. Sämtliche anderen Anrainer stehen auf Seiten der NATO. 

Moskau befürchtet die Vorbereitung auf einen Krieg im Schwarzen Meer. Das militärische Kräftemessen hat längst begonnen. Im April  führte Russland auf der Krim eine ungewöhnlich umfangreiche Militäroperation mit 10.000 Soldaten und 40 Kriegsschiffen durch. Weil weitere Manöver folgen sollen, erklärte der Kreml bis Ende Oktober einen Teil der Schwarzmeerküste der Krim zum geschlossenen Gebiet für ausländische Schiffe. 

Die NATO erkennt dies nicht an. Sea Breeze ist nicht nur eine Möglichkeit, den russischen „Aggressor“ in die Schranken zu weisen, sondern auch der Ukraine, deren Aufnahme in die NATO wiederholt verschoben wurde, die Unterstützung des Bündnisses zu versichern. Indes ist ein Krieg mit Russland in der Ukraine äußerst unpopulär. Obwohl laut einer Umfrage des Rasumkow-Zentrums 74,1 Prozent der Befragten glauben, dass nur Russland eine Gefahr für ihr Land darstelle, wären nur 23,6 Prozent der Ukrainer bereit, ihr Vaterland zu verteidigen, 33,8 Prozent wären es nicht. 

Bei dem Zwischenfall mit der HMS Defender bestritt London zunächst, dass es einen Beschuss durch die Russen gegeben habe. Dem widersprach der an Bord befindliche BBC-Reporter Jonathan Beale, dessen Aufnahmen bezeugen, dass sich ein russisches Kriegsschiff der HMS Defender bis auf 100 Meter näherte. Mehrere Detonationen etwa drei Meilen hinter dem Schiff waren zu erkennen. „Zeitweise waren 20 Flugzeuge über dem Kriegsschiff“, berichtet der Reporter.

London schwenkte daraufhin um. Es habe sich um Militärübungen gehandelt, die nicht der „Defender“ gegolten hätten, ließ das britische Verteidigungsministerium verlauten. Beale sagte aber auch, dass die Waffen an Bord der „Defender“ in Gefechtsbereitschaft gebracht worden seien. So verwundert es nicht, dass der russische Verteidigungsminister Sergej Schojgu von einer „explosiven Lage“ sprach. Russland veröffentlichte Videos aus einem der Kampfjets, um seine Version des Zwischenfalls zu bestätigen. 

Handelte es sich bei der Konfrontation um ein kalkuliertes Risiko oder um eine verantwortungslose Kraftprobe? Dass es sich um eine bewusste Provokation der Briten handelte, sollen geheime Unterlagen des Verteidigungsministeriums belegen, die an einer Bushaltestelle gefunden wurden. Die Aktion sei als Protest gegen die „Krim-Annexion“ gedacht und solle unterstreichen, dass die NATO-Staaten die Krim als ukrainisches Gebiet betrachten.

Der britische Russland-Experte Mark Galeotti beschreibt den Vorfall als „ritualisierte Herausforderung“. Er sei nicht als Eskalation, sondern als Zeichen beider Seiten zu betrachten, ihre Absichten und Reaktionen zu verdeutlichen. 

Die Isolation und das Vordringen der NATO an die Grenzen Russlands erinnern dennoch an den Krim-Krieg Mitte des 19. Jahrhunderts, als im Konflikt des Zarenreichs mit dem Osmanischen Reich Frankreich und Großbritannien als Verbündete der Türken eine Gebietserweiterung Russlands verhinderten. Den Einfluss Russlands in der Region einzudämmen dürfte auch heute eines der Hauptmotive für derartige Kriegsspiele sein.